Festnahme wegen der Bezeichnung von Scientology als Sekte

Rowan Atkinson will den britischen Kränkungsverbotsparagrafen zu Fall bringen

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Rowan Atkinson ist ein britischer Fernsehkomiker, der mit sehr lustigen (Blackadder) und weniger lustigen Serien (Mr. Bean) auch hierzulande sehr bekannt wurde. In seiner Heimat erregt er derzeit weniger Aufsehen durch Unterhaltungsauftritte, als durch eine von ihm angeführte Kampagne zu Reform einer Vorschrift, die polizeiliche Festnahmen und gerichtliche Strafen bereits dann erlaubt, wenn sich jemand "kränkend" äußert oder benimmt.

In der Vergangenheit führte dieser Abschnitt 5 im Public Order Act von 1986 unter anderem zu Festnahmen eines Teenagers, der die Scientology-Organisation auf einem Protestplakat als "gefährliche Sekte" bezeichnete, eines Oxforders, der fragte, ob ein Polizeipferd schwul sei, und eines Kaffeehausbesitzers, der in seinem Lokal Zitate aus der Bibel zeigte. Atkinson fühlt sich anhand solcher Fälle an seine Serie Constable Savage erinnert (in der ein Polizist einen ihm nicht genehmen Schwarzen wegen völlig haarsträubender Vorwürfe festnimmt) und konstatiert, dass die Realität die Parodie mittlerweile eingeholt hat.

Die Unbestimmtheit des Begriffs "kränkend" hat ihm zufolge dem Missbrauch der Vorschrift Tür und Tor geöffnet. Sie kann nicht nur gegen Sarkasmus eingesetzt werden, sondern auch zur Zensur abweichender Meinungen und zur Unterdrückung von Kritik. Ein besonders krasses Beispiel dafür war die Festnahme homosexueller Gegendemonstranten während eines Marsches von Anhängern der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir. Weil der Kränkungsverbotsparagraf in den vergangenen 26 Jahren unter anderem zur Einschränkung der Meinungsfreiheit von Christen eingesetzt wurde, finden sich unter den Unterstützern von Atkinsons Kampagne nicht nur Organisationen wie die National Secular Society, Big Brother Watch, die Peter Tatchell Foundation und die Freedom Association, sondern auch das Christian Institute und der konservative Think Tank Bow Group.

Mittlerweile haben sich der Initiative auch Politiker wie der ehemalige Tory-Schatten-Innenminister David Davis angeschlossen. Er zeigte sich öffentlich der Auffassung, dass es in einer freien Gesellschaft kein Recht geben kann, nicht gekränkt zu werden. Die Meinungsfreiheit lässt sich in Großbritannien seiner Meinung nach nur dann wiederherstellen, wenn man die umstrittene Vorschrift streicht. Auch Lord Dear, der ehemalige Chef der West Midlands Police, kritisierte öffentlich, dass der Paragraf das Strafrecht in den Bereich politischer Debatten trug, wo es nichts zu suchen habe.

Atkinson hofft, dass seine Kampagne nicht nur den Abschnitt 5 des Public Order Act zu Fall bringt, sondern dazu führt, dass die "neue Intoleranz" in der britischen Gesellschaft zurückgedrängt wird. Dabei bezieht er sich auf den Satanische-Verse-Autor Salman Rushdie und dessen Diagnose einer "Empörungsindustrie". Was für groteske Auswüchse diese zeitigen kann, wurde in Deutschland in den letzten Wochen im Streit um das Blog Mädchenmannschaft sichtbar.

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