Telepolis Gespräch

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Das Online-Magazin Telepolis.de und die Bayerische Amerika-Akademie laden ein zur ersten Auftaktveranstaltung von "Telepolis Gespräch". Unter dem Titel "Moral der vernetzten Vernunft" wollen wir Prinzipielles diskutieren, was im alltäglichen Diskurs oft nicht weiter hinterfragt wird.

Gemeinhin gilt das Internet als Gefahr für Recht und Ordnung, erst recht aber für die Moral und die Beanspruchung von Autorität, manchen auch für die Intelligenz und die Aufmerksamkeit. Der territorial entgrenzte virtuelle Diskurs wird als entgrenzend wahrgenommen, als eine Bedrohung. Es fallen, so heißt es, die Schranken des Eigentums, des nationalen Rechts und der lokalen Kultur. Wie ein Mantra hört man, dass auch Online gelten müsse, was Offline verboten ist, um Zensur, Überwachung und andere Einschränkungen der Meinungs- und Bewegungsfreiheit durchzusetzen. Autoritäre Länder fürchten Unruhe und Aufstände und suchen gleichzeitig die Bevölkerung durch den Bau von Firewalls vor unerwünschten Inhalten und Kommunikationsmöglichkeiten zu "schützen".

Jörg Friedrich, Philosoph, Software-Unternehmer und Autor des kürzlich erschienenen Telepolis-Buchs "Kritik der vernetzten Vernunft", wird in einem Vortrag der Frage nachgehen, wie Moral im Internet entsteht und welche Unterschiede es zwischen der Ethik in der Prä-Internet-Zeit und der der Online-Netzwerke gibt. Mit Jörg Friedrich werden im Anschluss an den Vortrag Stefan Körner, 1. Vorsitzender der Piratenpartei Bayern, und Florian Rötzer, Telepolis- Chefredakteur, diskutieren.

Vor allem dank der Piraten haben sich die Diskussionen in den sozialen Netzwerken der großen politischen und moralischen Fragen angenommen. Hier werden täglich moralische Urteile produziert und verbreitet: zur Transparenz von Politikern, zu Urteilen in Vergewaltigungsprozessen, zu Plagiaten in Dissertationen, zum Urheberrecht. Vielleicht gilt online noch mehr als am Kneipenstammtisch und in klassischen Medien, dass politische Themen moralisch aufgeladen und in Begriffen von Gut und Böse bewertet werden. Zum einen zeigen sich im Netz die alten Mechanismen der Vor-Urteile und der "Herrschaft des Man" ziemlich unverändert, nur mit neuen Oberflächen. Zum anderen aber gelingt es im Netz weitbesser als in der leiblichen Welt, Gewissen und Moral voneinander zu trennen - und das kann das moralische System auf Dauer destabilisieren.