Obamarama

Das war’s dann also. Die erste schwarze Präsidentschaft der USA - ist vorbei

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Na schön. Ein Toussaint L’Ouverture ist er nicht geworden. Ich vermute wenigstens, dass es 150 Jahre von jetzt in der Zukunft keinen Ralph Korngold geben wird, der über ihn ein Citizen Toussaint schreiben wird. Das war und ist immer noch das spannendste Buch, das je über den ersten schwarzen Präsidenten Amerikas geschrieben wurde – einen Mann, der den USA den Krieg erklärte, und der nur durch die Hinterlist eines Napoleon Bonaparte besiegt werden konnte. Zumindest aber hat Obama nicht verspätete Rache geübt, und nun seinerseits Haiti den Krieg erklärt. Obwohl seine Kill-Liste einen durchaus Papa Doc’schen Beigeschmack besitzt.

Ich schreibe diesen Artikel natürlich noch VOR den US-Wahlen, deren Ergebnis zu diesem Zeitpunkt gewissermaßen noch nicht feststeht. Die New York Times hat, wenn ich’s richtig verstehe, eine Wahlempfehlung FÜR Obama ausgegeben. Was eh schon einem „Kiss of Death“ gleichkommt. Einige Wochen zuvor war es noch eine Hochjubelei des Gegenspielers, Romney. Was der doch für ein toller Hecht sei.

Politik pro Obama
Voulez-vous coucher avec moi?

Rolling Stone und das Atlantic Monthly versuchten Romney auf andere Weise niederzumachen. Ansonsten überall die verfrühten Nachrufe auf Obama. Der Spiegel textete schon vor Monaten einen Titel unter dem lapidaren Einsilbler „Schade“. Das Herren-Magazin GQ brachte in seiner neuesten Frankreich-Ausgabe noch ein bisschen was über Barrys Kindheit auf Hawaii und Indonesien. Gähn.

Unterdessen schickte sogar der Herrgott seine Wahlhilfe für diese gottesfürchtige Nation - in Form eines Taifuns namens Sandy, doch alles umsonst. Erinnern wir uns an Mike Moores Film Fahrenheit 9/11: Da erlebten wir die Präsidentenwahl des Jahres 2000 noch einmal im Rückblick. Der Gewinner hieß: Al Gore. Und dann, Überraschung. Nein, doch nicht Al Gore. Der Gewinner war: George W. Bush.

Dieses Spiel mit den defekten Wahlmaschinen, mit den unterschlagenen Wahlzetteln, mit den angeblich nicht Wahlberechtigten, und dergleichen mehr – alles genau wie in Afghanistan oder sonst einem Hinterwäldlerland – hat man in Amerika mittlerweile perfekt im Griff. Auch 2012 ist wieder 2000, da hat sich seither nichts Wesentliches geändert.

Blickt man auf Obamas Präsidentschaft zurück, so bleibt natürlich ein schaler Nachgeschmack. Hatte man sich von einem schwarzen Präsidenten irgendwas Anderes, irgendwie „mehr“ erwartet? Ja, auf alle Fälle. Mehr als das Idiötchengrinsen des zu Jesus bekehrten Ex-Alkoholikers und Pleitiers George W. sowieso. Aber natürlich - auch fast 20 Jahre nach Bill Hicks’ Tod ist die grundsätzliche Matrix im Leben eines jeden neu gewählten Präsidenten unverändert die gleiche geblieben, die der Satiriker Hicks damals in einem Verbal-Sketch präsentierte. Der neu gewählte Präsident (damals: Bill Clinton) trifft mit den echten Machthabern der USA zusammen, die ihm eine Kameraufnahme der Kennedy-Ermordung aus einem bisher noch nie gesehenen Blickwinkel vorspielen. Danach fragen sie ihn: „Noch irgendwelche Fragen?“ Clinton: „Bloß, was mein nächster Tagesordnungspunkt ist.“ - „Als erstes bombardieren wir Bagdad.“ - Clinton: „Wird gemacht.“ (Und so war es auch - in Wirklichkeit. Clinton bombardierte gleich einmal Bagdad.)

Bei Obama scheinen sie das Spiel ein wenig anders gespielt zu haben, da ging’s dann weiter mit Afghanistan, weiter mit Guantanamo. Als ob das mächtige Amerika sich nur an dem schmächtigen Kuba vergreifen konnte, indem es seine inoffizielle Nationalhymne („Guantanamera“) in den Dreck zog.

Und natürlich Osama.

War Obama wirklich nur gewählt worden, um Osama zu besiegen? Erstand der Präsident mit dem mythischen Namen einzig und allein, um einer ebenso mythischen Feindfigur aus irgendeinem Superhelden-Comic Paroli zu bieten?

In Amerika selbst sah man es wohl so, denn wenn es EIN ikonisches Bild gibt, das die Präsidentschaft Obamas in einem einzigen Augenblick zusammenfasst, so ist es jener Moment im Weißen Haus, als Obama und alle seine Helferlein im TV die Nachricht von der Liquidierung Osamas mitverfolgen.

Auch früher schon ließ sich die konzentrierte Essenz amerikanischer Präsidentschaften immer wieder an einem einzigen Bild festmachen.

  • Man denke an Jackie Kennedy, die auf allen Vieren über den Kofferraum der Präsidentenlimousine zu fliehen versucht, als ihr Mann neben ihr erschossen auf dem Rücksitz hingestreckt liegt.
  • Man denke an den Moment, als Clinton in aller Öffentlichkeit von Monica Lewinsky umarmt wird; wo man förmlich spürt, wie der Mann in dem Augenblick den schweren Stiefel der Nachtigal hinter sich ins Schloss schnappen hört.
  • Oder man denke an den Comedy-Moment, als Gerald Ford in Salzburg die Treppe aus dem Flieger herab purzelt.
  • Und nicht zu vergessen die klassische Szene, nachzusehen wieder in Mike Moores Film. Während die Twin Towers in New York am 11. September 2001 in Schutt und Asche untergehen, sitzt George W. Bush, der Präsident der USA, in einer Grundschulklasse in Florida, und grinst blöde in die Runde – obwohl sein Stabschef ihm bereits zum zweiten Mal gesteckt hat, welche brisante Situation sich da gerade entfaltet.

Bei Obama war es wohl wirklich dieser unsägliche Cartoon, wo er, selber klein und kläglich zusammengekauert, umgeben von einer Schar von Superhelden, seiner Nemesis Osama begegnet, und sich ihrer gleichzeitig entledigt. Unsichtbar, unter Vermeidung der Öffentlichkeit, vielleicht auch alles nur im Bereich der Phantasie stattfindend, schließlich hat man die Leiche des Superterroristen sofort entsorgt, wie man auch eine tote Ratte sofort in den Müll kippt. Auf eine Weise, jedenfalls, die ungefähr so wenig heldenmütig, oder ebenso hinterfotzig war, wie die terroristischen Angriffe, gegen die Amerika sich eine Dekade lang zur Wehr gesetzt hatte. Hier ist einmal die gefotoshopte Cartoon-Version des Bildes realer und realistischer als das echte Foto - und auch Hillary Clintons OMG-Geste, die von der White House PR-Stelle als dezentes Gähnen umgedeutet wurde, spricht Bände.

Alternativ dazu gäbe es das Bild eines Obama, der angeblich mit Töchterchen Sasha im ölverseuchten Golf von Mexiko badet. Das offizielle PR-Foto des Weißen Hauses entstand indessen weitab vom Schuss, und auch der Fisch für die Fischtacos, die von Familie Obama bei der Gelegenheit verspeist wurden, kamen sicher nicht aus dem Öl-Golf. Keine Öl-Sardine für den Präsidenten, usw.

Das dritte Bild aus Obamas Präsidentschaft zeigt ihn in der Rolle des „Prinzen von Zamunda“ im Mai dieses Jahres zu Besuch bei Freund Karzai in Kabul. Die Handshake-Gesten bei dieser Gelegenheit waren eindeutig. Wenn Karzai, nach Obamas Präsidialzeit, wieder in den USA eine McDonald’s-Filiale übernehmen würde, so ließen sie klar erkennen, könnte auch Obama bei ihm den Job als Verkaufsleiter antreten. Über das Gehalt würde man sich schon noch einigen. Inshallah.

Also OBAMA: Grundsätzlich ein Mann, den man zwar reingelassen hat ins Weiße Haus, dem man aber auch immer wieder deutlich genug zu verstehen gab, dass er sehr wohl das Gebäude mit den Füßen zuerst verlassen könnte. Als die Party Crashers vor drei Jahren ungebeten in der Pennsylvania Avenue Nr 1600 zu einem Staatsbankett erschienen, musste der CIA nachher mühsam nach Gründen suchen, wieso diese Leute keine Mossad-Agenten wären. Der Wink mit dem Zaunpfahl war trotzdem überdeutlich.

THE MAN – Idealvorstellungen des Ersten Schwarzen Präsidenten

Wie hatten wir uns also diesen ersten Schwarzen Präsidenten der USA vorgestellt? „Lang ersehnt, heiß erfleht“, wie es einst in einem Schlager hieß, beziehungsweise auch ganz ähnlich bei Oprah Winfrey, Amerikas einflussreichster Medienpersönlichkeit, die ihn schon vor seiner Amtsübernahme mit Lincoln, Roosevelt und Martin Luther King verglich:

Und was ich bei Barack Obama sah, war etwas, das überragend war und, wie ich meinte, alles umformte, in mir als Menschen und in diesem Land. Und ich bete nur im tiefsten Innern meines Wesens, dass sich Amerika dieses Augenblicks für würdig erweisen wird. Und ich bin mir ganz sicher, dass das, was er uns bieten konnte, dem einzelnen Bürger und ebenso dem gesamten vereint zusammen stehenden Land, etwas war, was wir noch nie zuvor gesehen hatten. Ich denke, wirklich, ich denke, es ist das Stärkste, was ich je miterlebt habe. Oft habe ich mich gefragt, wie es sich wohl anfühlen würde, dabei zu sitzen und Lincoln oder Roosevelt beim Sprechen zuzuhören, oder, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich alt genug gewesen wäre, um zu verstehen, was Martin Luther King heute vor 45 Jahren gesagt hat. Und was Obama getan hat, ist, dass er mir dieses Gefühl in einer Weise nahegebracht hat, wie ich es mir nie hätte vorstellen können.

Weniger gefühlsduselig (und –dusselig, aber nicht minder verquast) stellte sich Irving Wallace einst, 1964, den ersten Schwarzen US-Präsidenten in seinem Roman The Man vor. Sein Held, Douglas Dillman, ein Schwarzer Senator aus dem Mittleren Westen (und daher wohl mit deutschem Namen), erbt das Amt, als durch einen abstrusen Unfall der Präsident, der Vizepräsident und alle anderen der in der Rangfolge vor ihm Gereihten ums Leben kommen. Die Frage, ob ein Schwarzer je gewählt (also durch Wahl, regulär und mit rechten Dingen zugehend, ins Amt des Präsidenten gelangen könnte) ist damit für Wallace gleich einmal ad acta gelegt.

Die Bevölkerung in diesem Roman findet an dem Mann auch keinen Geschmack: 61 Prozent lehnen ihn ab. Dillman selber hat auch nur eine miese Meinung von sich: „Ich bin ein Schwarzer“, konstatiert er, „noch nicht genügend qualifiziert, um als Mensch zu gelten, ganz zu schweigen davon, als Präsident.“ Obwohl Witwer, vermeidet Dillman es, einer gemischtrassigen Frau den Hof zu machen, um nicht der Rassenschande beschuldigt zu werden. Der Roman, wie so viele andere Romane dieses Autors, wirkt aus heutiger Sicht ziemlich bescheuert; trotzdem reflektiert er ziemlich genau die politische Situation vor 50 Jahren. Und viele Probleme, die der Romanheld damals hatte, stellten sich Obama auch heute noch in den Weg. Dass es ihn, Obama, den Schwarzen Präsidenten, überhaupt gegeben hat, wird mit ziemlicher Sicherheit auf Jahrzehnte hinaus eine politische Ausnahme bleiben, die man (rückblickend aus der Zukunft) für so unglaublich halten wird, wie man heute auf die Mondlandungen zurückblickt.

Einen Amateur nennt ihn Edward Klein, ein amerikanischer Autor, der mit Sicherheit nicht in den Verdacht geraten kann, ein Obama-Freund zu sein. Eigentlich stammt der Titel „The Amateur“ jedoch von Bill Clinton. Wie Klein es schaffte oder angeblich geschafft haben will, mit den Clintons in trauter Runde beisammen zu sitzen, während Bill (mit Zitiererlaubnis – „on the record“) den Ausspruch loslässt, dass er Obama für einen „Amateur“ hält, wird aus seinem Reportagenband nicht klar. Klar wird nur, dass auch die Democrats ein ziemlich verlogener Haufen sind. Sah man doch erst vor wenigen Wochen, wie Bill und Barry sich öffentlich herzlich umarmten.

„Der Amateur“ - Bill Clintons Meinung zu Obama.

Allerdings gehörten die Clintons – Bill und Hillary – zu den Altlasten seiner Partei und Präsidentschaft, derer Obama sich nicht entledigen konnte. Nicht einmal durch eine irregeleitete Drohne - und sehr zu seinem Schaden. Hillary Clinton erscheint in Kleins Buch (und mehr noch in ihrem eigenen autobiographischen Lebensbericht, Living History) als ein intelligentes aber um nichts minder typisches Mädchen aus dem Mittleren Westen, das im Schülerparlament politisch aktiviert wurde. Ursprünglich als Unterstützerin von Barry Goldwater – dem amerikanischen Äquivalent etwa eines Franz Josef Strauß. Dass sie dann zu Barry Obama fand, lag am politischen Charisma (und dergleichen) ihres Boyfriends Bill, der sie zur glühenden Verfechterin democratischer Ideale transformierte.

Indessen, Hillary, die glücklose Bewerberin um das Amt des Präsidenten, abgespeist mit dem Amt der Außenministerin, macht auch hierin eine unglückliche Figur – auf halbem Wege stecken geblieben zwischen Madeleine Albright und Sarah Palin. Oder so. Jedenfalls auf dem politischen Schachbrett ein Dame-Opfer, das lange überfällig war. Wenn Obama die Wahl für eine zweite Amtsperiode gewinnt, dann könnte die Entlassung von Hillary seine erste Amtshandlung im neuen Jahr werden. Wenn nicht, erübrigt sich das.

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