US-Wahlkampf konzentriert auf wenige Swing States

Der Rest der USA ist politisch zweigeteilt und fixiert, was sich vor allem dem Wahlsystem verdankt

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Wer auch immer die Präsidentschaftswahl gewinnen wird, der Sieg wird knapp sein. Dabei kann aufgrund des amerikanischen Wahlsystems auch derjenige Präsident werden, der nicht die Mehrheit der Wähler, sondern nur die Mehrheit im Wahlmännerversammlung. Das ist eine historisch bedingte Sonderheit des US-Wahlrechts, nach dem im Dezember die Wahlmänner aus den Bundesstaaten in Washington zusammenkommen und im letzten Akt den Präsidenten wählen. Jedes Bundesland entsendet eine bestimmte, nur grob nach der Bevölkerung festgelegte Zahl von Wahlmännern, die normalerweise - abgesehen von Nebraska und Maine - alle ihren Stimmen für den Kandidaten abgeben, der in ihrem Bundesstaat die Mehrheit gewonnen hat, auch wenn dies nur äußerst knapp geschehen ist. Prinzipiell aber wären die Wahlmänner auch frei, ihrem Wunschkandidaten ihre Stimme zu geben (Die Stimmen, die wirklich zählen, sind noch nicht abgegeben).

Aus der Ferne hat man auch immer mitbekommen, dass es so genannte Swing States oder Battleground States gibt, also Bundesstaaten, die für den Ausgang der Wahl entscheidend sind, weil dort die Mehrheitsverhältnisse noch nicht vor der Wahl festliegen. Das sind seit vielen Jahren nur relativ wenige. Noch in den 1960er Jahren besuchte John F. Kennedy immerhin 49 Bundesstaaten, Richard Nixon später sogar alle 50. In diesem Wahlkampf, der der bislang teuerste ist, haben Obama und Romney gerade einmal zehn Bundesstaaten besucht, in denen sie hoffen, die Wahl für sich entscheiden zu können. Besonders umkämpft ist Ohio (18 Wahlstimmen), wo aber Obama gewinnen dürfte. Zu den Swing States zählen 2012 auch Wisconsin (10 Wählerstimmen), Florida (29), Virginia (13), New Hampshire (4), Nevada (6), North Carolina (15), Colorado (9) und Iowa (6). In Florida, Ohio und Virginia sind die Präsidentschafts- und Vizekandidaten am häufigsten gewesen, hier lebt ein Achtel der US-Bevölkerung, nach der NYT.

Die Wahlmänner der blauen Bundesstaaten haben 2008 für Obama, die der roten für McCain gestimmt. Bild: public domain

Bis auf die wenigen Swing States sind die USA weitgehend zweigeteilt und politisch fixiert, so dass offenbar Demokraten oder Republikaner beliebige Präsidentschaftskandidaten aufstellen können. Wahlkampf braucht hier gar nicht mehr geführt zu werden, die Entscheidung steht bereits fest, was auch am durch das Mehrheitswahlrecht zementierten Zwei-Parteien-System und an der Wahlmännerversammlung liegt. Republikaner dominieren im Süden und im Inneren der USA, die Demokraten an der West- und Ostküste. Demokratie müsste eigentlich anders aussehen, sollte man meinen. Die New York Times schreibt denn auch, dass der auf wenige Bundesstaaten schrumpfende Wahlkampf die Natur der US-Demokratie verändert: "Es gibt Hinweise, dass das gegenwärtige System die Wahlbeteiligung schrumpfen last, die Politik verdirbt, die Verantwortung schwächt und einer großen Mehrheit der Amerikaner das Wahlrecht entzieht."

Letztlich findet der Wahlkampf in den wenigen umkämpften Staaten statt, der Rest interessiert nicht wirklich, auch wenn die Mehrheiten dort knapp sein können. Wo man ziemlich sicher sein kann, wie die Wahl ausgehen wird, wird auch weniger Wahlwerbung gemacht. Die mangelnde Aufmerksamkeit wirkt sich auch auf die Wahlbeteiligung aus. 2008 lag die Wahlbeteiligung in den 15 Bundesstaaten, die umkämpft waren, bei 67 Prozent, in den anderen nur bei 61 Prozent. Das war früher anders, als weit mehr Bundesstaaten, darunter auch die meisten der bevölkerungsreichsten, umkämpft waren, weil ungewiss war, wie hier die Wahl ausgehen wird.

Wenn man das Wahlsystem nicht grundlegend verändern will, gibt es nur mehr oder wenige paradoxale "Verbesserungen", um das demokratische Prinzip zu stärken, in dem auch die Wähler repräsentiert werden, die nicht der wie immer auch knappen Mehrheit angehören. Man könnte die Wahlmänner nach dem nationalen Wahlergebnis vergeben, was acht Bundesstaaten und der District of Columbia machen wollen. Das hat den Vorteil, dass dies auf der Ebene der Bundesstaaten entschieden werden kann. Oder man könnte sie nach dem Wahlergebnis des Bundesstaates aufteilen, mit der Schwierigkeit, dass es dann auf- oder abgerundet müsste, weil beim Wahlmännerprinzip ganze Zahlen herauskommen müssen. Die Abschaffung der Wahlmännerversammlung würde eine Verfassungsveränderung verlangen, die längst an der Zeit wäre, um die US-Demokratie offener und flüssiger zu machen.

Im Augenblick sieht es so aus, dass Obama und Romney mit jeweils 48 Prozent gleichauf liegen, so eine Analyse der Washington Post ( ähnlich eine Umfrage von Politico). Noch hat Obama bei der Zahl der Wahlmänner einen Vorsprung. Im Repräsentantenhaus werden vermutlich die Republikaner die Mehrheit halten können, im Senat dürften die Demokraten mit zwei Unabhängigen wieder eine knappe Mehrheit erreichen.