"Russischer Marsch" der Rechtsradikalen

Auf dem Russischen Marsch mit deutscher Symbolik. Bild: U. Heyden

Rechtsradikale riefen die Moskauer zu einem Marsch gegen Gastarbeiter, Menschenrechtler befreiten usbekische Arbeitssklaven

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Das erste Mal seit 2008 durften russische Nationalisten und Rechtsradikale am Sonntag wieder einen "Russischen Marsch" im Zentrum von Moskau durchführen. Auch in St. Petersburg und anderen Städten kam es zu Märschen der Rechtsradikalen.

Einen Marsch direkt durch die Innenstadt hatte die Moskauer Stadtverwaltung - wie einige Medien berichteten - allerdings nicht erlaubt. Den Demonstranten - nach Polizeiangaben waren es 6.000 - war nur eine kurze und fast menschenleere Strecke entlang der Moskwa genehmigt worden. Die Veranstalter sprachen von 20.000 Teilnehmern, doch tatsächlich waren es wohl nur 10.000, soviel wie vor einem Jahr, als die Rechtsradikalen in dem Moskauer Außenbezirk Lublino demonstrierten.

Die Polizei nahm auf dem Moskauer Marsch 25 Personen fest, die Militäruniformen mit Hakenkreuzen trugen. Auch in anderen Städten kam es zu Festnahmen. In Jekaterinenburg wurden 90 Rechtsradikale festgenommen, die an einem nicht-genehmigten Russischen Marsch teilgenommen hatten. In Samara wurde die Engländerin Catherine Owen festgenommen, als sie zusammen mit einem Russen in einem Arbeiterviertel antifaschistische Flugblätter klebte .

Lenin soll aus Mausoleum verschwinden

Mit dem "nicht-nationalen" Lenin hätten alle Übel in Russland angefangen, schimpften die Redner auf der Kundgebung zum Schluss des Russischen Marsches in Moskau und forderten, Lenin aus dem Mausoleum zu entfernen.

Nationalisten-Anführer Dmitri Demuschkin. Bild: U. Heyden

"Haben wir eine russische Macht?", fragte Ilja Konstantinow, der Vater eines inhaftierten Rechtsradikalen. "Nein!" antworteten die Kundgebungsteilnehmer. "Sie kennen nur einen Wert - Dollars in Koffern", rief Konstantinow, der wie auch andere Redner behauptete, die Macht im Kreml diene ausländischen Interessen.

Trotzdem rief der Gründer der verbotenen "Bewegung gegen illegale Immigration" (DPNI), Aleksandr Below, dazu auf, sich mit anderen Kräften der Opposition gegen Putin "zu unterhalten". Below war selbst auf der letzten Kundgebung der vor allem von Liberalen unterstützten Protestbewegung gegen Putin mit einem Kind auf dem Arm aufgetreten (Russische Protestbewegung will nicht nur Putin stürzen).

Der bekannte Blogger Aleksej Nawalny, der Mitte Oktober mit den meisten Stimmen in den Koordinationsrat der Protestbewegung gegen Putin gewählt wurde, und auf dem Russischen Marsch vor einem Jahr noch als Redner aufgetreten war ("Russischer Marsch" droht mit arabischen Verhältnissen), sprach diesmal nicht auf der Abschlusskundgebung der Nationalisten.

Slogan auf dem Transparent: "anti-globalismus! anti-islamismus! nationalismus! Bild: U. Heyden

Mit dem Schlachtruf "Töten!"

Nach dem Moskauer Marsch kam es zu einem ernsten Zwischenfall in der U-Bahn-Station Dostojewskaja. Mit dem Schlachtruf "Töten!" fielen dort 30 Rechtsradikale über Antifaschisten her. Diese hatten sich in der U-Bahn-Station versammelt, um gemeinsam an einer Solidaritäts-Kundgebung mit verfolgten Antifaschisten teilzunehmen. Wasili Kusmin von der "Russischen Sozialistischen Bewegung" wurde von den Angreifern auf die Gleise geworfen, konnte sich aber noch rechtzeitig vor Einfahrt des Zuges auf den Bahnsteig retten. Der Korrespondent der Internet-Zeitung Grani.ru wurden zu Boden geworfen und bekam mehrere Schläge auf den Kopf. Insgesamt drei Personen mussten ärztlich versorgt werden.

Migranten-Föderation bat um Verschiebung des Marsches

Die Moskauer Föderation der Migranten hatte die Stadtverwaltung vergeblich gebeten, sich dafür einzusetzen, dass der Russische Marsch in Moskau auf einen anderen Tag verschoben wird. Der 4. November ist in Russland nämlich seit 2005 ein arbeitsfreier Feiertag. An dem "Tag der Volkseinheit" gedenkt man dem Sieg der von russischen Fürsten geführten Heere, die am 4. November 1612 Moskau von polnischen Truppen befreiten. Der neue Feiertag ist der Ersatz für den gestrichenen Feiertag am 7. November, an dem früher die Oktoberrevolution gefeiert wurde.

So weit ist es angeblich schon gekommen: Putin wird vom tschetschenischen Präsidenten kommandiert. Bild: U. Heyden

Schon seit Jahren versuchen die russischen Rechtsradikalen aus der Unzufriedenheit vieler Russen über die große Zahl der Gastarbeiter aus Zentralasien und dem Kaukasus politisch Kapital zu schlagen. Tatsächlich haben Gastarbeiter aus Mittelasien in Moskau inzwischen einen großen Teil der niedrig bezahlten Arbeitsplätze in Supermärkten, in der Bauwirtschaft und bei der Reinigung der Höfe zwischen Wohnhäusern übernommen. Die russischen Arbeitskräfte ohne höhere Ausbildung sehen die Migranten als Konkurrenten, denn sie sind billiger und gehorsamer gegenüber dem Arbeitgeber. Der Volkszorn wird von einigen russischen Medien unterstützt, wenn etwa ausführlich darüber berichtet wird, dass Kaukasier im Zentrum von Moskau mit einem Autokonvoi und angeblich mit Schüssen in die Luft eine Hochzeit gefeiert haben.

Arbeits- und Sex-Sklaven

Zum Glück gibt es aber auch Medien, die darüber berichten, wenn Arbeitsmigranten Opfer von Übergriffen werden. So berichteten letzte Woche zahlreiche russische Medien über die Befreiung von 14 usbekischen Arbeits-Sklaven durch Aktivisten der "Russischen Transhumanistischen Bewegung". Bei der Befreiung der Frauen aus einem Keller in einem gewöhnlichen Wohnbezirk im Osten Moskaus waren mehrere Fernsehkameras.

Einige der Frauen und Kinder vegetierten schon seit zehn Jahren in dem Keller eines Lebensmittelladens in der Nowosibirskaja-Straße Nr. 11. Der kasachische Besitzer des Lebensmittelladens hatte den Frauen die Pässe abgenommen und ließ sie ohne Geld im Laden arbeiten. Die Frauen wurden im Laden und im Keller mit 42 Videokameras überwacht. Die Polizei soll von den Sklaven gewusst aber nichts unternommen haben, weil angeblich Schmiergeld floss. Die Usbekinnen klagten nach der Befreiung über ständige Schläge und Vergewaltigungen durch den Ladenbesitzer. Mehrere Kinder seien im Keller geboren worden (gesammeltes Pressematerial).

Weil es zwischen den ehemaligen sowjetischen Republiken in Mittelasien und Russland keine Visumspflicht gibt, sind dem Zustrom von Migranten nach Russland aus den armen mittelasiatischen Staaten faktisch keine Grenzen gesetzt. Viele Migranten kaufen sich Arbeits- und Aufenthaltspapiere auf dem russischen Schwarzmarkt, verlieren dadurch aber auch die Möglichkeit, sich bei Misshandlungen an die Polizei zu wenden. Nach Angaben der russischen Migrationsbehörde leben zur Zeit in Russland 3,5 Millionen Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung.