Unfähigkeit, Perversion oder Hexenjagd?

In Großbritannien hat ein Arzt möglicherweise fehlerhaft Krebs diagnostiziert, um Brüste operieren zu können

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Ende Oktober zog der britische General Medical Council (GMC) die Zulassung des Brustkrebsspezialisten Ian P. vorläufig ein. Der Grund dafür sind Vorwürfe, dass er bei über tausend Frauen "unnötige oder unangemessene" Brustoperationen durchführte. Der Rat versucht derzeit mit Anhörungen zu ermitteln, inwieweit diese Vorwürfe von Patientinnen zutreffen. Mit einem Abschluss des Verfahrens rechnet man erst im Sommer 2013. P. selbst will gegenüber Medien keine Stellungnahme zu den Beschuldigungen abgeben und beruft sich dabei nicht nur auf die laufenden Untersuchungen, sondern auch auf seine ärztliche Schweigepflicht.

Bei mindestens 450 seiner mutmaßlichen Opfer soll der Mediziner fälschlicherweise Krebs diagnostiziert haben. Anschließend entfernte er ihnen Drüsen und andere Teile ihrer Brüste. Das behaupten zumindest zahlreiche Frauen, die bei ihm in Behandlung waren.

Eine heute 57-Jährige berichtet außerdem von einer Behandlung mit Tamoxifen – einem Krebsmedikament mit erheblichen Nebenwirkungen. Bei mehreren Patientinnen führten die Diagnosen zu erheblichen psychischen Belastungen. Eine von ihnen erzählte der britischen Presse sogar, dass sie bereits ihr eigenes Begräbnis plante.

Good Hope Hospital in Birmingham. Foto: Angella Streluk. Lizenz: CC BY-SA 2.0.

Ob gegen P. auch strafrechtlich ermittelt wird, hat die zuständige West Midlands Police (die nach eigenen Angaben eng mit dem GMC zusammenarbeitet) noch nicht entschieden. Als Rechtsgrundlage dafür käme unter anderem Versicherungsbetrug infrage. Zwei der Patientinnen versicherten der Tageszeitung The Guardian nämlich, dass der Arzt teurere Behandlungen abrechnete, als diejenigen, die er tatsächlich durchführte.

Bereits jetzt laufen mehrere Zivilklagen gegen Krankenhäuser, weil Frauen glauben, dass diese P. ohne ausreichende Aufsicht walten ließen und deshalb an seinem Treiben eine Mitverantwortung tragen. Der Mediziner war seit 1994 in mehreren privaten und staatlichen Kliniken tätig – unter anderem im Heartlands Hospital, im Solihull Hospital und im Good Hope Hospital in Birmingham, das sich bereits bei Betroffenen entschuldigte.

P. soll aber nicht nur unnötige Operationen bei nicht krebskranken Frauen durchgeführt, sondern auch tatsächlich krebskranke geschädigt haben, weil er eine in Großbritannien nicht anerkannte Operationsmethode anwendete, die aus kosmetischen Gründen mehr Gewebe in der Brust belässt, als den Standards der Schulmedizin nach entfernt werden muss. Eine Anwaltskanzlei, die für etwa 100 Frauen Schadensersatz fordert, behauptet, dass dies in mehreren Fällen für neue bösartige Geschwulste verantwortlich war.

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