EZB gegen Cybermoney

Noch sei "virtuelles Geld" zwar kein Problem, potentiell würden jedoch enorme Gefahren drohen, warnt die Europäische Zentralbank

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EZB-Ökonomen haben "die erste wissenschaftliche Analyse von virtuellem Geld" vorgelegt. Sie definieren es schlicht als Tauschmedium und Verrechnungseinheit, das von einer bestimmten virtuellen Community genutzt wird.

Dabei beschäftigen sich die Autoren insbesondere mit "Bitcoin", einem 2009 von dem Japanischen Programmierer Satoshi Nakamoto entwickelten Cyber-Währung, die auf einem Peer-to-Peer-Network wie etwa BitTorrent basiert, sowie mit den Linden-Dollars aus Second Life.

Abhängig von der Interaktion mit echtem Geld unterscheiden sie zwischen drei Typen von Währungen. Einmal jene, die nur in geschlossenen Systemen wie Online-Games vorkommen und nicht konvertiert werden können, wie beispielsweise das World of Warcraft (WoW)-Gold. Die EZB interessiert sich freilich erst ab Typ 2 für Cyber-Geld, das nur in eine Richtung konvertiert werden kann. Dabei wird wie bei den Nintendo Points das Cyber-Geld zumeist mit realem Geld gekauft, nicht aber zurückgetauscht.

Die größte Angst hat die EZB freilich vor Währungen des Typs 3, die wie die Linden-Dollars wie jede frei konvertible Währung auf privaten Marktplätzen in beide Richtungen getauscht und zum Kauf virtueller wie realer Güter genutzt werden können.

Cyber-Geld ist "inhärent instabil"

Laut EZB stellt sich jedenfalls die Frage, ob solche Währungen, die prinzipiell keiner Aufsicht unterliegen, die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes erfüllen könnten, ob sie also "sicher und verlässlich" sind oder ob sie vielleicht nicht nur für die Nutzer – was laut EZB klar sei -, sondern für das gesamte Wirtschaftssystem Risiken bergen.

So gäbe es eine Reihe von Motiven, derartige Währungen zu etablieren, und es sei absehbar, dass ihre Verbreitung zunehmen werde. Obwohl diese Systeme aber alle Errungenschaften vermissen ließen, die das offizielle Finanzsystem auszeichnet – etwa eine Einlagensicherung, die Notenbank als Lender of Last Ressort, eine behördliche Aufsicht über die beteiligten Geldinstitute -, könnten sie laut EZB irgendwann durchaus in Konkurrenz zu Dollar oder Euro treten, was seitens der EZB aber anscheinend nicht erwünscht ist.

Cyber-Geld bislang noch irrelevant

Allerdings werden bislang noch keine nennenswerten Mengen an Cyber-Geld kreiert und dieses auch nicht breit akzeptiert und gehandelt, weshalb zwar noch keine Gefahren für die Preisstabilität und das Finanzsystem bestünden, jedoch wären sie "inhärent instabil". Denn die Nutzer sind allen möglichen Kredit-, Liquiditäts-, operationalen sowie legalen Risiken ausgesetzt. Da zudem keinerlei behördliche Aufsicht besteht, könnten private Währungssysteme zudem für Betrüger und Geldwäscher attraktiv werden.

Eine Notenbank könnte dadurch zudem einen "Reputationsschaden" erleiden, wenn sie eine Cyber-Währung gewähren lässt, die stark an Bedeutung gewinnt und dann in Schwierigkeiten gerät. Das könnte dann zu negativer Berichterstattung führen, wonach die Notenbank ihren Job nicht getan habe. Aufgrund der Ähnlichkeiten mit dem Zahlungssystem sei jedenfalls klar, dass die Notenbank Verantwortung für Cyber-Geld trage, obwohl damit bislang nur die unmittelbaren Nutzer Risiken eingingen, nicht aber die Gesamtwirtschaft.

Fiat-money, VISA und American Express

Um zu erklären, warum ein Vertrauensschaden aber so schlimm wäre, gönnen sich die EZB-Volkswirte zudem einen kleinen Blick in die Geldtheorie und erklären, dass in einem "Fiat-Money"-System (von "fiat lux"/"es werde Licht" der Genesis) der Wert des Geldes alleine vom Vertrauen abhänge.

Die EZB erwähnt dies zwar nicht, allerdings könnte man aus dieser Behauptung schließen, dass Cyber-Geld ebenso oder mehr genutzt werden könnte als das offizielle Zentralbankgeld, würde es nur ebenso viel oder mehr Vertrauen genießen. Und dieses Kriterium dürfte angesichts der unorthodoxen Methoden, die die großen Notenbanken nun schon seit Jahren anwenden, ohne dass die herrschende Theorie diese erfassen würden, für eine private Cyber-Währung gar nicht so schwer zu erreichen sein dürfte.

Allerdings unterschlagen die EZB-Ökonomen geflissentlich, dass die Akzeptanz einer Währung schlicht dadurch erzwungen wird, dass innerhalb eines bestimmten Währungsraumes Steuern nur damit bezahlt werden können.

Kreditkartenfirmen für Cyber-Geld

Jedenfalls erscheint die EZB durchaus ein wenig beunruhigt, vermutlich auch, weil sich mittlerweile die großen Kreditkartenfirmen für Cyber-Geld zu interessieren beginnen. So hat American Express im September 2011 immerhin 30 Millionen Dollar für Sometrics bezahlt, ein nur vier Jahre altes Unternehmen, das Videospiel-Herstellern beim Cybermoney-Geschäft und beim Aufbau von Cybermoney-Plattformen unterstützt. VISA hat sogar 190 Millionen Dollar für PlaySpan ausgegeben, dessen Zahlungsplattformen Transaktionen mit digitalen Gütern in Online-Spielen, digitalen Medien und Sozialen Netzwerken durchführen.

Bitcoin wird von der EZB jedenfalls in direkten Zusammenhang mit den Austrian Economics und dessen Kritik am Fiat-Money-System gebracht, die von den meisten Bitcoin-Befürwortern geteilt würden. Demnach würden die Interventionen von Regierung und Notenbank unvermeidlich die Wirtschaftszyklen überdehnen und zu übermäßigen Kreditvergaben und Kontraktionsphasen sowie zu massiver Inflation führen. Sie verweisen auf Friedrich A. Hayek, der 1976 die "Denationalisierung" des Geldes gefordert und die staatlichen Währungsmonopole in Frage gestellt hatte. Allerdings fordern etliche Austrians den Ersatz des herrschenden Geldsystems durch ein System mit einer Rohstoffdeckung wie den früheren Goldstandard, was bei Cybermoney wohl nur mühsam zu erreichen wäre. Das Ende des staatlichen Monopols dürfte indes nicht mehr zu verhindern sein.

Gefahren durch Substitutionseffekte

Im Extremfall, sollte eine privat emittierte virtuelle Währung also breite Akzeptanz und hohe Umsätze erreichen, könnte Zentralbank-Geld laut EZB aber zusehends substituiert werden und dessen Nutzung zurückgehen. In der Folge könnte die Bilanzsumme der Zentralbank zurückgenommen werden müssen, was deren Einfluss auf den Kurzfrist-Zins verringern und dem die Zentralbank allenfalls mit der Einführung einer Mindestreservepflicht für die Cyber-Währung entgegentreten könnte.

Es könnte für die Notenbank zudem schwieriger werden, die monetären Aggregate und folglich auch deren Relation zur Inflationsrate zu messen, weshalb sich die Inflationsrisiken nicht mehr optimal einschätzen ließen. Wird außerhalb der Kontrolle der Notenbank also virtuelles Geld kreiert und können auch virtuelle Kredite vergeben werden, dann könnte das auch beeinflussen, wie die Zinsentscheidungen der Zentralbank von der Wirtschaft aufgenommen werden und die Kontrolle der Notenbank über die Entwicklung von Geld und Kredit würde weniger effektiv werden.