Erfolg schafft Feinde

Die Energie und Klimawochenschau: Die Erneuerbaren sollen sich jetzt den fossilen Energieträgern anpassen, warum nicht umgekehrt? Das wäre der wahre Durchbruch zur regenerativen Stromversorgung.

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Bild: M. Brake

Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert in ihrem World Energy Outlook 2012 (Energie: Werden die USA zum Selbstversorger?), dass regenerative Energiequellen weltweit bis 2035, noch vor der Kohle, zur wichtigsten Energiequelle werden können. Bei uns zeichnet sich diese Entwicklung bereits jetzt ab. Die Ökostrom-Erzeugung legt zu, es sinken die Börsenstrompreise und immer mehr Stromexport findet in die Nachbarländer statt. Dennoch wird die Entwicklung schlecht geredet – aus welchem Interesse?

Mehr und billigerer (Öko)Strom im Netz

Statt Strommangel nach dem begonnenen Atomausstieg wird immer mehr Strom produziert. Der Überschuss wird lukrativ exportiert. Nach den Zahlen des Bundesverbands der deutschen Energiewirtschaft (BDEW) beträgt der Stromexport 2012 voraussichtlich 14,7 Mrd. Kilowattstunden.

Nach dem Einbruch 2011 nimmt der Stromexport aus Deutschland weiter zu und gleichzeitig sinken die Großhandels-Strompreise. Die Nachbarn reagieren unterschiedlich, die Niederlande gehören zu den größten Abnehmern, Polen mauert und kündigt den Einbau von Phasenschiebern an um sein Netz abzuschotten.

Der EEG-Strom liefert jetzt bereits 26 Prozent des Stromverbrauchs und die Leipziger Energiebörse EEX meldete gerade, dass die Preise an der Strombörse weiter sinken. Sie gab die Strom-Handelsergebnisse für Oktober bekannt wonach Strom am Spotmarkt (EPEXSPOT Base) durchschnittlich rund 4,4 Cent pro Kilowattstunde kostete, 15 Prozent weniger als im gleichen Vorjahresmonat, da waren es noch 5,2 Cent gewesen.

Doch bei einem endlichen Verbrauch und dem Ziel den Energieverbrauch zu senken, bedeutet diese Erfolgsgeschichte eben auch, dass die Erzeuger auf fossiler Basis angezählt sind. Die Ratingagentur Moody's hat in ihrem letzten Bericht darauf hingewiesen, dass der starke Ausbau der erneuerbaren Energien in mehreren europäischen Ländern bereits die Kreditwürdigkeit der Betreiber konventioneller Wärmekraftwerke gefährdet.

Der Grund ist, dass die stark zunehmende Einspeisung von Ökostrom die Preise für Spitzenstrom gedrückt hat, ein bisher lukrativer Geschäftszweig der Kraftwerksbetreiber. Die Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen wird so unwirtschaftlicher. Die Konsequenz wäre, dass als Teil des Umbaus der Energieversorgung neben dem Zubau der Erneuerbaren nun auch ein Abbau der Fossilen stattfinden muss. Doch darauf waren die bisherigen Stromlieferanten anscheinend nicht gefasst.

Die Alarmglocken schrillen

Kein Wunder, dass also bei Koalitionären und Lobbyisten die Alarmglocken schrillen. Peter Altmaier war schnell mit einem "Verfahrensvorschlag zur Neuregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes" bei der Hand. Daran werden die neuen Leitlinien für eine Begrenzung des Ausbaus der regenerativen Energieversorgung skizziert. Begründung: Das geltende EEG sei bisher allein auf den mengenmäßigen Ausbau der Erneuerbaren Energien ausgerichtet und habe keinen Einfluss auf deren zeitliche Erzeugung, räumliche Verteilung und ihr Zusammenspiel mit den konventionellen Energien und dem Ausbau der Netze genommen.

Atom- und Kohleenergie kosten die Verbraucher unter dem Strich deutlich mehr als Ökostrom, nur eben versteckt. Das zeigt eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Danach wurde Atomstrom seit 1970 mit mindestens 187 Mrd. Euro gefördert, Energie aus Stein- und Braunkohle mit 177 Mrd. beziehungsweise mit 65 Mrd. Euro. Im Vergleich dazu kommen erneuerbare Energien auf 54 Mrd. Euro.

Jetzt sollen neue Regelungen eine "qualitative Zusammensetzung" steuern. Der weitere Ausbau soll in einem von der Politik begrenzten Rahmen so stattfinden, dass Erneuerbare Energien nur untergeordnet in einer von konventionellen Kraftwerken dominierten Erzeugerlandschaft zuliefern – oder eben daran gehindert werden sollen.

Das Extremziel solcher Aktionen formulierten die prominenten Lobbyisten Roland Koch und Wolfgang Clement gerade auf dem Energiegipfel Süddeutschland des Forum Instituts. Der frühere hessische Ministerpräsident Koch meinte, Windräder und Solarzellen könnten Deutschland nicht mit Strom versorgen. Er sprach sich gegen ihre Förderung aus und prognostizierte für die Photovoltaik: "In 10 Jahren ist diese Technik ein Fall für das historische Museum." Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sprach sich auf der Tagung in Mannheim gegen neue Stromleitungen von Nord- nach Süddeutschland aus. Darin zeigt sich wohl der implizite Wunsch, es möge alles beim Alten bleiben.

Clement war neben seiner Tätigkeit für RWE ja auch schon als sogenannter "Testimonial" für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft aktiv, die statt Einspeisevergütung ein Quotenmodell als Instrument zur Ausbremsung der Erneuerbaren vorschlägt. Ob beide mit ihren Beiträgen Erfolg haben werden, ist noch nicht raus. Dabei arbeiten Lobbyisten inzwischen auch ganz offiziell der Regierung zu. So hat auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen beraten soll, in seinem Jahresgutachten eine Abkehr vom EEG und die Einführung eines Quotenmodells gefordert.

Diese sogenannten fünf Wirtschaftsweisen kritisierten die Regierung dafür, "trotz seiner außerordentlich ausgeprägten Ineffizienz" nicht vom EEG abrücken zu wollen. Ein schlechter Witz angesichts eines Anteils von 26% am Strom nach nur 12 Jahren EEG? Neben dem willkürlichen Quotenmodell fordern sie auf einem "moderaten" Niveau vereinheitlichte Fördertarife. Erstaunlich, dass insbesondere die selbsternannten Vertreter einer "Marktwirtschaft" massiv zentralistische Elemente und direkte Eingriffsrechte der Politik einführen wollen.

Demgegenüber rät das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seiner Analyse dringend von einem Quotenmodell ab: "Für den Ausbau der erneuerbaren Energien hat sich das EEG bisher als ausgesprochen wirkungsvolles Instrument erwiesen. Ein Quotenmodell könnte das nicht besser leisten und hätte zugleich erhebliche Nachteile." Unter anderem gerieten bei einem Quotenmodell kurz- und langfristige Ziele zur Nutzung erneuerbarer Energien in Gefahr, und die Kosten eines Quotenmodells würden unterschätzt.

Diese Einschätzung scheint jetzt Gehör gefunden zu haben, in einer Stellungnahme zu einem Gutachten der Monopolkommission hat die Regierung die Einführung eines Quotensystems nun offiziell abgelehnt.

Netz-Instabilität durch grobe Eingriffe und Manipulationen

Auf gleich mehreren Ebenen zeigt sich schon jetzt, dass gerade Eingriffe von Politik oder Börse in das Netz die Stromversorgung unsicher machen. Die Auswirkungen der massiven Eingriffe unter dem Duo Rösler/Röttgen, die zu einem panikartigen Zubau der Photovoltaik geführt hatten, ließen das EEG-Umlagekonto im Oktober in die roten Zahlen rutschen. Es soll die Differenz ausweisen zwischen den Abnahmepreisen, die die Netzbetreiber an die EEG-Erzeuger zahlen müssen, und dem Betrag, den sie beim Verkauf des Ökostroms erlösen. Die aktuellen Zahlen der Übertragungsnetzbetreiber weisen ein Minus von rund drei Mrd. Euro aus. Der unerwartet hohe Fehlbetrag soll jetzt als Grund dafür dienen, dass die EEG-Umlage im nächsten Jahr um weitere 1,7 Cent pro Kilowattstunde steigen soll.

Gleichzeitig wurden die stark kritisierten Ausnahmen für die Industrie, die Bahn etc. wieder verlängert. Unter anderem sollen sie jetzt auch langfristig von Befreiungen bei der Strom- und Energiesteuer profitieren. Mit den Stimmen der Koalition beschloss der Bundestag, eine entsprechende Regelung bis zum Jahr 2022 zu verlängern. Das ganze geschah unter dem Deckmäntelchen, dass sich die Unternehmen im Gegenzug zu mehr Effizienz und Stromeinsparungen verpflichten sollen.

Auch die übrigen Befreiungen bleiben bestehen. Von den Begrenzungen der Zahlung der EEG-Umlage machten so schon Anfang 2012 730 Unternehmen mit einer Strommenge von 85.290 Gwh (15% des Nettostrombedarfs). Darunter sind 51 Bahnbetriebe die sich gerne als saubere Mobilitätsform gerieren, in der Praxis aber die Dampfmaschinen zu ihrem Antrieb nur von der Lok ins fossile Kraftwerk verlagert haben. Würden diese Befreiungen abgeschafft, wäre laut der Regulierungsbehörde eine EEG-Umlage von knapp 3 ct/kWh ausreichend für alle Kosten des Umstiegs auf eine regenerative Stromversorgung.

Nicht die Erneuerbaren, sondern der Stromhandel erzeugt typische Störungen der Netzfrequenz zum Beginn jeder vollen Stunde. Das sind die destabilisierenden Effekte des Stromhandels. Quelle: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS)

Auch die häufig gehörte Forderung nach mehr Markt im Stromhandel erweist sich als ein Faktor, der mehr Instabilität bringt. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat einmal nachgemessen, woher denn die Frequenzschwankungen im Stromnetz kommen. Die Analyse der Netzfrequenz zeigte, dass Extremereignisse überwiegend auf die Stundenwechsel fallen. Da Wind- und Sonnenenergie sich nach dem Wetter und nicht nach den Stunden richten, scheiden die Erneuerbaren als Verursacher aus.

Dagegen wird beim Stromhandel mit diesen festen Zeitintervallen gearbeitet. Die Stromhändler verursachen also die Frequenzschwankungen. Zur Entschärfung des Stundentakt-Problems hatte man zwar 2011 die Erlaubnis erteilt, auch im Viertelstundenraster zu handeln, das führt aber lediglich dazu, dass jetzt auch diese Schwankungen an der Netzfrequenz abzulesen sind. So stellt sich heraus, dass nicht die Erneuerbaren, sondern der Stromhandel und hektische politische Eingriffe die Energieversorgung destabilisieren.