Schlager-Paralleluniversum

Was die GEMA bei ihren Verhandlungen unter DJs, Clubs und Diskotheken versteht

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Am 4. November meldete die GEMA öffentlich eine Einigung in der Frage der Abgaben für Diskotheken und Clubs. Was dann präsentiert wurde, rechtfertigte die Behauptung für viele Beobachter nur bedingt. Die Einigung erfolgte nämlich nicht etwa mit dem etwa 230.000 Mitglieder starken Hotel- und Gaststättenverband Dehoga oder mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter, die ungefähr 150.000 Mitglieder zählt, sondern mit drei Organisationen, von denen vorher kaum jemand gehört hatte.

Konkret handelt es sich dabei um den Verband Deutscher Musikschaffender (VDM), die Deutsche Disc-Jockey Organisation (DDO) und die Deutschen Diskotheken Event & Gastro-Unternehmer (DDU). Begibt man sich auf die Suche danach, wen diese drei Organisationen konkret vertreten, dann stößt man auf die grafisch recht eigenwillig agierende Werbeagentur Asiman und auf zwei Namen: Klaus Quirini und Udo Starkens. Beide ließen sich unter den angegebenen Telefonnummern nicht erreichen.

Foto: Michael Schuberthan

Quirini, der den biografischen Angaben nach DDO, DDU und VDM "in seiner Freizeit" gründete, wird auf einer DDO-Seite, die den typischen Geruch des Eigenlobes verströmt, als "der erste Disc-Jockey" bezeichnet, der 1959 in Aachen "die erste Discothek der Welt" bespielte. Womöglich glaubt Quirini das auch selbst, obwohl die Berufsbezeichnung in den USA bereits seit Mitte der 1930er Jahre für Radiomoderatoren gängig war und obwohl der pädophile Brite Jimmy Savile schon in den 1940er Jahren mit zwei Plattenspielern Tanzveranstaltungen bespielte.

Das Mitgliederverzeichnis von Quirinis DJ-Organisation wirkt ein wenig, als hätte man 355 ältere deutsche Vornamen mit dem Präfix "DJ" versehen. Bekannte Namen wie Hell oder Spooky finden sich dagegen nicht in der Liste. Auch ein "DJ Motte" aus Bad Wildungen ist offenbar nicht identisch dem Love-Parade-Erfinder. Telepolis-Leser Armando S., der uns auf die merkwürdigen Organisationen aufmerksam machte, stuft die DDO-Mitglieder als "unbekannte Mobile- und Hochzeits-DJs" ein. Dazu würden Quirinis musikalische Vorlieben und DDO-Ehrenmitglieder wie Ralph Siegel oder der ZDF-Hitparade-Moderator Uwe Hübner passen. Den GEMA-Direkor Peter Henning und den Ex-GEMA-Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Bruhn hat man ebenfalls in den Kreis der Ehrenmitglieder aufgenommen.

Zum Verband Deutscher Musikschaffender heißt es auf dessen Website, er leiste eine "organisatorische Betreuung der Musikschaffenden, Komponisten, Textdichter, Musikbearbeiter, Produzenten, Musiker, Tonträgerinterpreten, Berater, Manager, Konzertagenturen, Musikvermarkter, Tonträgerfirmen, Musikverleger und Promotionbüros". Damit vertritt er eher Personen, die von GEMA-Ausschüttungen profitieren. Das würde zumindest erklären, warum er sich mit der Musikverwertungsgesellschaft auf eine Position einigte, die von den großen Gaststätten- und Veranstalterverbänden als untragbar abgelehnt wird. Allerdings deutet die Auswahl der Referenzmitglieder darauf hin, dass der VDM nicht unbedingt die Krone des deutschen Musikschaffens vertritt.

Noch obskurer wirken die angeblich 300 Mitglieder starken Deutschen Diskotheken Event & Gastro-Unternehmer. Das GEMA-kritische Aktionsbündnis Kultur-retten.de machte eine Stichprobe und stieß unter 46 gelisteten Betrieben auf 42 nicht mehr existierende. Aber auch von den restlichen Vier wollte kein Einziger eine Mitgliedschaft in dem Verband bestätigen. Für David Süß vom Verband der Münchner Kulturveranstalter (VdMK) sind VDM, DDU und DDO deshalb nur "Scheinverbände", mit denen man die Presse täuschen will.

Die allerdings ließ sich davon nur bedingt beeindrucken: Nicht nur die Spex fragte sich nach einer Presseveranstaltung mit Quirini und Starkens, "ob die GEMA neuerdings Verträge mit sich selbst schließt". Sogar bei der Berliner Morgenpost wunderte man sich, warum Starkens auf Nachfrage keinen einzigen konkreten Club und keine einzige konkrete Diskothek nennen konnte, die von der Einigung profitiert. Als Reaktion darauf hat man möglicherweise allzu vollmundige Preissenkungsbehauptungen wieder von der DDU-Website genommen.

Auch bei der GEMA ist man mittlerweile zurückhaltender: Auf Nachfragen von Telepolis heißt es, dass Quirini und Starkens auf die Verwertungsgesellschaft "zugekommen", seien, "um eine Planungs- und Rechtssicherheit für die in ihren Verbänden organisierten Mitglieder zu verhandeln". Dieses Anliegen habe die GEMA nicht ablehnen können, weil sie "gesetzlich dazu verpflichtet [sei] mit allen gesamtvertragsfähigen Verbänden eine Vertrag abzuschließen".

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