Vorbild Anders Breivik

Der verhinderte Attentäter in Polen ist Repräsentant der rechten Hass-Szene und hatte vielleicht Kontakt mit Breivik

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Der vereitelte Sprengstoff-Anschlag auf das polnische Parlament (Sejm) treibt das Land um. Dabei treten zunehmend Details über den verhinderten Terroristen Brunon K. zu Tage: ein frustrierter Einzelgänger, jedoch eingewoben in die Hass-Stimmung gegen die Regierung, die von Rechten und Rechtsextremen geschürt wird. Sein Vorbild: Anders Breivik.

Der 45jährige Chemie-Ingenieur, der bis zu seiner Festnahme durch den Inlandsgeheimdienst ABW an der Landwirtschaftsuniversität Krakau tätig war, hatte vier Tonnen Sprengstoff für seinen Anschlag gebunkert. Er galt als unauffällig, lebte mit seiner Frau, eine Biologin, und zwei Kindern in einem mehrstöckigen Wohnhaus. Zwei fehlende Finger weisen auf erste Sprengstofferfahrung in der Jugendzeit hin.

Auf Brunon K. stieß der Inlandsgeheimdienst ABW, als er nach dem Anschlag Breiviks im Sommer 2011 das Internet nach möglichen polnischen Nachahmern durchforstete, berichtet die Gazeta Wyborcza.

Der akademische Angestellte fiel durch seine Antiregierungsagitation und Sprengstoff-Anleitungen auf. Auch sein Codename war keine gute Tarnung, er nannte sich "Explosit".

Bei einem Chemie-Vortrag in Nordpolen soll er zudem dazu aufgerufen haben, gegen die Regierung tätig zu werden. Auch mit seinen Studenten diskutierte er über Politik und galt als Verschwörungstheoretiker. So waren etwa die Hintergründe um den Flugzeugabsturz bei Smolensk, bei dem Staatspräsident Lech Kaczynski und seine 95köpfige Entourage ums Leben kam, eines seiner Themen (Polen - Land im Ausnahmezustand, "Es waren die Russen").

Er warb auch im Internet dafür, eine Organisation zu gründen . Zwei ABW-Beamte sollen zu ihm Kontakt aufgenommen haben, so die Theorie der Zeitung. Schließlich wurden nur zwei der "Mitstreiter" verhaftet.

Kugelsichere Westen und Schusswaffen weisen darauf hin, dass er neben dem Plan, eine Bombe vor dem Sejm deponieren zu lassen, auch an Alternativen dachte. Dies kann auch als Fingerzeig auf Breivik gewertet werden. Nach informellen Informationen des privaten Nachrichtensenders TN24 habe Brunon K.erklärt, er werde einen Anschlag ähnlich wie Breivik ausführen, aber ohne dessen "Fehler" zu wiederholen.

Breiviks polnische Kontakte

Premier Donald Tusk erzählte am Dienstag in der Pressekonferenz eine andere Version als die der Gazeta Wyborcza über das Aufspüren von K. Demnach habe eine Analyse von Breiviks Kontakten nach Polen zu dem Uni-Dozent. geführt. Dieser Hinweis Tusks wurde bislang jedoch nicht weiter belegt. Es gab jedoch Kontakte von Breivik nach Polen, wie Presseberichte bereits im vergangenen November aufzeigten.

Ein Chemiker namens Lukasz M. aus Breslau (Wrocław) soll Breivik angeblich aktiv beim Bau seiner Bombe geholfen haben. Der Geheimdienst ABW mutmaßt, das sich Lukasz M. in Schweden mit Anders Breivik kurz vor dem Attentat am 22. Juli getroffen hatte.

Lukasz M. betreibt seit seinem abgeschlossenen Chemiestudium eine eigene Firma, in der er chemische Substanzen verkauft, die auch zur Sprengstoffherstellung gebraucht werden. M., der schon zwei Tage nach dem Attentat von polnischen Beamten befragt wurde, hatte Breivik 50 Kilogramm Aluminiumpulver verkauft, eine notwendige Beigabe für die Bombe, deren Sprengmittel aus einer Mischung aus Ammoniumnitrat und Diesel (ANFO) bestand.

Der 31-Jährige gab zwar im Juli zu, Breivik in Breslau die Substanz verkauft zu haben, der polnische Geheimdienst geht jedoch auch davon aus, dass der Sprengstoffexperte die zwei Tage genutzt habe, um Spuren eines tiefer gehenden Kontakts von seiner Festplatte zu löschen. Gegenüber dem Nachrichtensender TVN24 erklärte M. vor versteckter Kamera, Schwedisch gelernt zu haben, da sich dort viele "Geschäftskontakte" auftaten. Er soll noch diesen Juli, kurz vor dem Anschlag, in Schweden gewesen sein, so die polnischen Reporter.

Die Frage steht für die polnischen Ermittler im Raum, ob er Anders Breivik direkt beim Bau der Bombe geholfen haben könnte. Das Bild eines völlig isoliert agierenden Einzelgängers bekam dadurch Risse.

In Polen hatte er zudem Kontakt zu Tomasz P., einem weiteren Chemikalien-Händler, der in einem heruntergekommenen Haus bei Posen (Poznan) wohnt. Seine Internetseite war auch in einschlägigen Kreisen in Norwegen bekannt, da er Anleitungsfilme zum Bombenbau ins Netz stellte.

Was folgt auf das vereitelte Attentat?

Gegen das rechtsradikale Milieu Polens will die Linkspartei SLD nun mit einem Verbotsantrag vorgehen.

Die Bewegungen "Allpolnische Jugend" (MW) und das "Nationalradikale Lager" (ONR) sollen als faschistische Organisationen verboten werden.

Die Partei hatte sich schon vor dem Anschlag mit der linksliberalen Partei Bewegung Palikot zu einem losen Bündnis gegen die Rechtstendenzen in Polen zusammen geschlossen. Ausschlag gaben die Ausschreitungen während des "Marsches zur Unabhängigkeit" in Warschau, die von MW und ONR organisiert wurden (Die provozierten Nazis). Auch Brunon K. kündigte seinen Studenten gegenüber an, am 11.11. daran teilzunehmen. Der Geheimdienst nahm ihn darum am 9.11. fest, um ein mögliches "spontanes" Attentat zu verhindern.

Immerhin 30 Prozent der Jungwähler würden ONR-MW ihre Stimme geben, gäbe es eine Möglichkeit, diese zu wählen, so eine aktuelle Umfrage.

In den polnischen Abendnachrichten des Staatssenders TVP wurde dazu aufgefordert, dass bei Terror-Bedrohungen wie diesen, die polnischen Dienste am Rande der Legalität arbeiten müssten. Die Festnahme ist sicherlich ein wichtiger Trumpf für den Geheimdienst, dessen Ermittlungskompetenzen eigentlich eingeschränkt werden sollen (Geheimdienste in Sammelwut). Nun springt den Beamten die Krakauer Staatsanwaltschaft bei und fordert, dass der mit den meisten Kompetenzen unter den Diensten ausgestattete ABW doch so wie bisher weiter arbeiten können solle.

Für Polens rechten Rand ist die Angelegenheit darum klar: Der Staat hat den Anschlag inszeniert, um die Bürger nun noch mehr kontrollieren zu können. Der aggressive Ton wird so schnell nicht aus den polnischen Debatten verschwinden.