Menschenrechtsbeauftragte fordert Entschädigung für Gustl Mollath

Bayerische Justizministerin Beate Merk lässt Brief der Bayerischen Ärztekammer im Fall Mollath unbeantwortet

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Im Fall des zwangspsychiatrisierten Gustl Mollath (Schwarzgeldgeschäfte-Whistleblower in die Psychiatrie abgeschoben?) hat sich die Menschenrechtsbeauftragte der Bayrischen Landesärztekammer zu Wort gemeldet. Im Telepolis-Interview kritisiert sie die Justizministerin von Bayern, Beate Merk, die auf einen Brief der Menschenrechtsbeauftragten seit über drei Wochen nicht geantwortet hat. Sie appelliert an die Ministerin nochmals, wie schon in ihrem Brief, für eine Überprüfung des Fall Mollath zu sorgen. Die Menschenrechtsbeauftragte Maria Fick fordert außerdem eine Entschädigung für Gustl Mollath.

In Deutschland sitzt ein Mensch seit Jahren in einer geschlossenen forensischen Abteilung. Grundlage für die Einweisung des ehemaligen Reifenhändlers waren ein umstrittenes psychiatrisches Gutachten und ein Urteil, das viele Schwachstellen offenbart (Geschlossenes Diagnosesystem). Das Urteil, das auch von Juristen kritisiert wird, liest sich in Teilen wie ein Flickenteppich, in den ein buntes Sammelsurium an Stoffen eingearbeitet wurden, um ein vorzeigbares Endprodukt zu erhalten.

So wird unter anderem darauf verwiesen, dass Mollath einmal in einem Gespräch erwähnt haben soll, die Terroranschläge von Osama Bin Laden seien "berechtigt" gewesen. Überdies soll er sich mit einem späteren Zeugen über den Irak-Krieg unterhalten haben. Außerdem wird angeführt, Mollath habe während seiner Unterbringung im Bezirkskrankenhaus Bayreuth gesagt, "im Grundgesetz sei die Gewissensfreiheit verankert. Es gebe nur Gerechtigkeit oder Tod. Dies hier [Deutschland]sei ein Unrechtsstaat." Erwähnt wird auch, dass Mollath bei seiner Verhaftung von einem "Polizeistaat" gesprochen habe. Des Weiteren wird im Urteil angeführt, Mollath habe vor Gericht gesagt, er trete "jetzt aus dem Rechtsstaat aus."

All diese Äußerungen, die hochgradig politisch aufgeladen und durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind, werden Im Urteil ohne Einbeziehung des jeweiligen Kontextes, der für die Bewertung der Aussagen dringend notwendig ist, angeführt, um das Bild von Mollath als "Irrläufers", wie es das Gericht im Zusammenhang mit den "klinischen Befunden" anfertigt, zu verstärken.

Über weitere Schwachstellen im Fall Mollath spricht Maria Fick im Interview.

„"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, heißt es in unserer Verfassung Deutschlands und in Art. 100 der Bayerischen Verfassung."“ Das sind Ihre Zeilen, die Sie vor drei Wochen im Fall des seit beinahe 7 Jahren in einer geschlossenen Psychiatrie sitzenden Gustl Mollath an die bayerische Justizministerin geschrieben haben. Sie sprechen des Weiteren davon, dass die Würde von Herrn Mollath mit Füßen getreten wurde. Wie kommen Sie zu diesen doch sehr eindeutigen Worten?

Maria Fick: Ein Mann, bei dem keine eindeutige psychiatrische Erkrankung festgestellt/diagnostiziert wurde, darf meines Erachtens nicht über fast 7 Jahre auf einer geschlossenen Station einer forensischen Abteilung untergebracht werden, auch wenn er möglicherweise eine Tätlichkeit (Schlagen und Würgen seiner damaligen Ehefrau) begangen hat. Dies ist ein Freiheitsentzug, der nicht angemessen ist. Wegen dieser vermeintlichen Tat wurde er als "schwer allgemeingefährlich" eingestuft und deshalb fortgesetzt untergebracht.

Können Sie uns erklären, warum die Grundlage für die Einweisung von Herrn Mollath ihrer Meinung nach zweifelhaft sind?

Maria Fick: Als Zeugin wurde nur seine Ehefrau gehört. Es stand also Aussage gegen Aussage. Eine Anzeige Herrn Mollaths über Unregelmäßigkeiten beim Geldtransfer und möglichen Schwarzgeldverbringens in die Schweiz war abgelehnt worden. Die erste Äußerung über eine mögliche psychiatrische Erkrankung Herrn Mollaths mit Wahnvorstellungen wurde von einer Psychiaterin getätigt, die nur auf der Basis von Berichten von Mollaths Ehefrau fußten. Sie verfasste eine ärztliche Stellungnahme, ohne Herrn Mollath gesehen oder gesprochen zu haben.

Sie haben mit Herrn Mollath selbst in der Psychiatrie gesprochen. Wie war Ihr Eindruck?

Maria Fick: Er wirkte skeptisch, war jedoch klar und bestimmt in seinen Aussagen. Den Eindruck einer "schweren Gefährlichkeit" machte er während des einstündigen Gesprächs mit gezielten Fragen keineswegs. Seine Antworten waren konkret.

Haben Sie auch mit den Ärzten gesprochen, die Herrn Mollath betreuen? Was haben diese gesagt?

Maria Fick: Ich hatte nur Gelegenheit mit dem erstmaligen Gutachter zu sprechen, der mich diverse Unterlagen einsehen ließ und von einem eher schwierigen Patienten sprach, zu dem er aber nicht sehr häufigen Kontakt zu haben scheint.

Sie haben sich nun selbst intensiv mit der Psychiatrisierung von Herrn Mollath auseinandergesetzt: Gibt es für Sie eine Erklärung dafür, wie es zu der Einweisung von Herrn Mollath kam?

Maria Fick: Es ist mir weiterhin unklar, wie ohne die Mitarbeit von Herrn Mollath (er verweigerte, sich untersuchen zu lassen) ein eindeutiges Gutachten erstellt werden konnte, das ihn für einen so langen Zeitraum aus der Öffentlichkeit verbannt.

Stichwort Gefälligkeitsgutachten: In ihrem Schreiben erwähnen Sie Dr. Leipziger, der damals das Gutachten erstellt hat. Sie wollten das Gutachten an die Landesärztekammer weitergeben. Haben Sie das gemacht? Erwarten Sie Konsequenzen für Herrn Leipziger?

Maria Fick: Ich habe das Gutachten Dr. Leipzigers in sich nicht schlüssig gefunden, bei der Lektüre fielen mir einige Unstimmigkeiten auf. Ich habe in der Bayerischen Landesärztekammer als Menschenrechtsbeauftragte den Fall eingebracht. Wir haben diskutiert, das Gutachten von einem unabhängigen Gutachter prüfen zu lassen und ein neues Gutachten in Auftrag zu geben.

Sie bitten in Ihrem Brief die bayrische Justizministerin, den Fall zu prüfen. Haben Sie eine Antwort von der Ministerin erhalten?

Maria Fick: Bisher habe ich von Frau Ministerin Merk keine Nachricht erhalten. Sie hat lediglich versucht, mich im Landtagsplenum zu depotenzieren und mir Allgemeinkompetenz abzusprechen. Zur Position der Menschenrechtsbeauftragten gehören allgemeine medizinische Kompetenz, Mitgefühl und gute gezielte geübte Kommunikation, die ich als langjährige Allgemeinärztin (22 Jahre eigene Praxis + 10 Jahre Kliniktätigkeit), als aktiv Tätige im Bereich der "Ethik in der Medizin" und als ehemalige 1. Vizepräsidentin (1999-2003) der Bayerischen Landesärztekammer zu einem guten Maß besitze.

Sie haben die Ministerin im Interview von Report Mainz gesehen. Wie ist Ihre Meinung zum Auftritt der Ministerin?

Maria Fick: Der Fernsehauftritt war nicht gut für ihr Image in der Position als Justizministerin.

Sie haben an dieser Stelle nochmal die Möglichkeit, ein Wort an die Ministerin zu richten.

Maria Fick: Ich möchte nochmal an die Ministerin Merk appellieren, sich dafür einzusetzen, dem in meinen Augen zu Unrecht untergebrachten Mann ein faires Verfahren zuteilwerden zu lassen.

Wird es von Ihrer Seite weitere Schritte im Fall Mollath geben?

Maria Fick: Ja, ich möchte, dass die Sache Mollath endlich abgeklärt wird, auch unter Berücksichtigung des Prüfberichts der Hypobank von 2003, und dass die erstellten Gutachten auf den Prüfstand kommen. Ich bin sicher, dass sich dann ein anderes Bild ergeben wird, was zur Freilassung von Herrn Mollath führen wird. Es ist selbstverständlich, dass Herr Mollath für seinen langjährigen Freiheitsentzug, der ihm angetan wurde, entschädigt werden muss.