Katalonien wählt radikale Unabhängigkeitsbefürworter

Die Parteien, die klar für die Unabhängigkeit von Spanien eintreten, sind deutlich gestärkt worden

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Am Sonntag fand in Katalonien ein historischer Wahlprozess statt, der Auswirkungen auf ganz Spanien haben wird. Dass die Wahlbeteiligung bei den vorgezogenen Neuwahlen sehr hoch ausfiel, macht das deutlich. Sie lag bei fast 70 % und damit zehn Punkte höher als 2010. Seit 24 Jahren wurde in Katalonien keine so hohe Beteiligung mehr verzeichnet. Der katalanische Regierungschef Artur Mas hatte die Wahlen vorgezogen, weil er ein Referendum über die Unabhängigkeit nach schottischem Vorbild durchführen will. Die Schotten werden 2014 über die Loslösung von Großbritannien abstimmen (Europas neue Staaten).

Wie in Umfragen vorhergesagt, haben die moderaten Nationalisten der Konvergenz und Einheit (CiU) von Mas die Wahlen klar gewonnen. Sie haben aber die angestrebte "außerordentliche Mehrheit" für ihren Kurs mehr als deutlich verfehlt. Nachdem fast 95% der Stimmen ausgezählt sind, kann die CiU sogar als deutlicher Verlierer bezeichnet werden. Die konservativen Katalanisten haben viele Stimmen verloren und damit blieben von bisher 62 Sitzen nur noch 50 übrig.

Wähler der CiU sind offenbar in großer Zahl zum Original gewechselt, anstatt die Kopie zu wählen. Die Überraschung des Abends ist deshalb die linksnationalistische Republikanische Linke (ERC). Sie wurde dafür belohnt, stets klar für die Loslösung von Spanien eingetreten zu sein. Statt bisher 10 wird die ERC zukünftig wohl über 21 Sitze im Parlament von Barcelona verfügen und wurde damit zweitstärkste Kraft, womit ebenfalls keine Umfrage gerechnet hatte.

Der ERC­- Spitzenkandidat Oriol Junqueras hatte, als er in seiner Heimatgemeinde Sant Vicenç dels Horts zur Wahl ging, erklärt: "Wir schreiben das Vorwort zu einem Buch, dass uns in die Freiheit führt". Seine Strategie ging auf. Er wollte Mas die Führung nicht streitig machen. Er hat aber daran erinnert, dass sich dessen CiU erst kürzlich auf den Fahrersitz des Zugs in die Unabhängigkeit gesetzt hat. Er erinnerte auch an den strikten Sparkurs der CiU in Katalonien, die zudem einen Flügel habe, "der gegen die Unabhängigkeit arbeitet".

Für die nächste Überraschung an diesem Wahlabend sorgte die CUP. Die Partei steht noch links von der ERC und strebt radikaler die Unabhängigkeit an. Sie war erstmals zu Regionalwahlen angetreten, sitzt bisher nur in verschiedenen Kommunalparlamenten. Der Journalist und CUP-Spitzenkandidat David Fernández hatte bis zu sechs Sitze erwartet, um als "trojanisches Pferd" der einfachen Leute gegen einen "senilen Kapitalismus" eintreten zu können. Dabei handele es sich "um eine Maschine, die Armut produziert". Nach der bisherigen Auszählung sind es drei Sitze.

Anders als erhofft, wird die in Spanien regierende rechte Volkspartei (PP) in Katalonien nicht auf Platz zwei vorrücken, sondern auf Platz vier zurückfallen. Sie bleibt mit 19 Sitzen hinter der Sektion der spanischen Sozialisten (PSC) in der wirtschaftlich bedeutendsten Region des Landes zurück. Die PP kann aber froh sein, einen Sitz trotz ihres rigiden Sparkurses in Madrid hinzugewonnen zu haben. Profitiert haben von der Lagerbildung die "Ciutadans" (Katalanische Bürger). Die spanischen Nationalisten stellen sich gegen die Unabhängigkeit, werden aber nicht für den rigiden Sparkurs der PP in Spanien verantwortlich gemacht. Statt bisher drei Sitzen könnte auch Ciutadans mit neun Sitzen erstmals eine eigene Fraktion bilden.

Der Absturz der PSC war nicht so stark, wie Umfragen erwartet haben. Erwartet worden war ein Desaster wie im Baskenland im Oktober. Sie stürzten von 28 nicht unter die Marke von 20 Sitzen. Umfragen hatten zum Teil nur noch 15 Sitze vorhergesagt. Ihr ambivalenter Kurs in der Unabhängigkeitsfrage hat den Absturz offensichtlich gemildert. Die Sozialisten treten in Katalonien für ein Referendum ein, aber nur wenn es Spanien genehmigt. Der deutliche Stimmverlust kommt aber daher, dass auch die spanische Sektion PSOE, die vor einem Jahr abgewählt wurde, für harte Einschnitte ins Sozialsystem verantwortlich gemacht wird, die erst vor einem Jahr abgewählt wurde.

Weil auch die linksgrüne Initiative für Katalonien (ICV) zulegt und offenbar sogar nun mit 13 statt mit 10 Parlamentariern vertreten ist, hat zwar Mas die absolute Mehrheit für seine CiU verfehlt, aber die Befürworter der Unabhängigkeit sind deutlich gestärkt worden. Mit knapp 90 treten zwei Drittel aller Parlamentarier nun klar dafür ein, die Bevölkerung entscheiden zu lassen. Deutlich gestärkt wurden vor allem die Parteien, die anders als die CiU nie daraus einen Hehl gemacht haben, sich von Spanien lösen zu wollen. Nur knapp 28 Parlamentarier der PP und Ciutadans sind strikt gegen das Referendum.