Städte im Wandel

Der Gemeinschaftsgarten von UFER-Projekte Dresden wird auf den Winter vorbereitet. Bild: Ufer-Projekte/CC BY-NC-SA 3.0

Die Transition-Town-Bewegung als Antwort auf Klimawandel, Peak Oil und Wirtschaftskrise

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Umweltkatastrophen, Erderwärmung, Peak Oil und Wirtschaftskrisen bestimmen mittlerweile - global betrachtet - unseren Alltag. Medien berichten beinah täglich darüber und der Klimawandel scheint nicht aufzuhalten zu sein. Wir sind in einer Zeit angekommen, in welcher wir uns fragen müssen, wann uns Ressourcen wie Erdöl ausgehen und welche Alternativen uns zur Verfügung stehen. 2010 konnte eine Studie der Bundeswehr belegen, dass etwa 90% aller industriell gefertigten Produkte von der Verfügbarkeit von Erdöl abhängen, während ebenfalls 90% aller Förderstaaten ihren Peak Oil bereits überschritten haben oder bis 2015 noch überschreiten werden.

Immer mehr Menschen finden sich mittlerweile zusammen, um dieser Problematik entgegen zu wirken und in ihren Gemeinden und Städten Antworten auf entscheidende Fragen zu finden: Wie kann unsere Gesellschaft ohne Erdöl aussehen? Welche Möglichkeiten haben wir, Ressourcen und Umwelt zu schonen und doch kein Gefühl von Verzicht erleben zu müssen? Und wie kann jeder Einzelne zu einer nachhaltigen Gesellschaft beitragen? Entstanden ist daraus eine mittlerweile weltweit aktive Initiative - die Transition-Town- Bewegung oder, auf deutsch, Städte im Wandel.

Transition als gemeinschaftlicher Prozess

Was in Städten weltweit, wie beispielsweise dem englischen Brixton, bereits erfolgreich Umsetzung und damit auch immer mehr Anhänger findet, ist mittlerweile auch im ostdeutschen Dresden angekommen. Deren Hauptakteure brachten die durch den Engländer Rob Hopkins ins Leben gerufene Idee einer Stadt im Wandel nach der ersten deutschen Transition-Town-Konferenz in Hannover im Jahr 2010 nach Dresden. Was aber macht eine solche Stadt aus? Was genau bedeutet dieser Wandel eigentlich?

"Für mich bedeutet die Transition-Town-Bewegung vor allem mehr Unabhängigkeit von großen Machtstrukturen. Dabei ist die Bewegung allerdings abhängig von der Kreativität der Leute. Jeder Einzelne kann im Kleinen zu einer nachhaltigen Kultur beitragen. Das heißt, dass wir unser eigenes Umfeld so umgestalten, dass wir mit den kommenden Herausforderungen zurecht kommen", erläutert Gregor Scholtyssek, 22, Student der sozialen Arbeit und Mitbegründer der Bewegung in Dresden. "Transition ist da nicht immer etwas, das in öffentlich wirksamen oder klar umrissenen Projekten stattfindet, sondern auch als Prozess im Alltag und vor allem in der ganz unmittelbaren Lebenswelt gesehen werden muss."

Norbert Rost, 36, diplomierter Wirtschaftsinformatiker und ebenfalls Mitbegründer der Transition-Town-Bewegung in Dresden beschäftigt sich hauptsächlich mit den Problemen rund um Peak Oil und beschreibt ebenfalls die Gemeinschaft als treibendes Instrument der Transition-Town-Bewegung. Zwar habe jeder Einzelne einen gewissen Spielraum, um aber einen gesellschaftlichen Wandel zu erreichen und um sich aus der Abhängigkeit vom Öl zu lösen, müsse man die Problematik auf eine andere Ebene tragen, so Rost: "Ziel ist es also bei der Stadt anzufangen, deren Strukturen widerstandsfähiger zu machen und gemeinschaftlich lokal zu handeln."

Zahlreiche Initiativen zeugen in Dresden von einem aktiven Wandel

Um dieses Ziel zu erreichen gibt es in Dresden mittlerweile zahlreiche Initiativen, die ein Umdenken in der Gesellschaft bewirken wollen und damit, ob bewusst oder unbewusst, Teil einer Stadt im Wandel und Teil der Transition-Town-Bewegung sind. Jedes Jahr im Herbst findet beispielsweise das von Dresdnern initiierte Umundu-Festival für global nachhaltigen Konsum statt, welches zehn Tage lang durch ein buntes Programm voller Workshops, Filme, Vorträge und anderer Veranstaltungen rund um das Thema "Nachhaltiger Konsum" führt.

Sebastian Kaiser, 22, Student der Permakultur, ist neben Gregor Scholtyssek und Norbert Rost Mitbegründer der Bewegung in Dresden und Initiator der sogenannten UFER-Projekte Dresden. Hier finden sich Menschen zusammen, um in Gemeinschaftsgärten Obst und Gemüse anzubauen und zu lernen, sich selbst zu versorgen sowie nachhaltigen Konsum zu fördern.

Eine weitere Initiative bemüht sich um die Einführung eines Regionalgeldes, des Elbtalers, um die lokale Wirtschaft zu stärken, wie dies bereits in einigen anderen Städten erfolgreich umgesetzt werden konnte. Die Initiative "Mach watt selbst" setzt sich dafür ein, erneuerbare Energien populärer zu machen. Nicht jeder kann sich ein Solarpanel leisten, aber es gibt die Möglichkeit, in Bürgervereinigungen Solaranlagen auf öffentlichen Dächern anzubringen. Auch so manche Hausgemeinschaft trägt den Transition-Gedanken in sich, wenn es darum geht, sich gegenseitig mit seinen Fähigkeiten zu unterstützen, sich auszutauschen und so eine starke Gemeinschaft entstehen zu lassen.

Herbsternte im Gemeinschaftsgarten von UFER-Projekte Dresden. Bild: Ufer-Projekte/CC BY-NC-SA 3.0

Sebastian Kaiser vergleicht Initiativen wie diese mit einem großen Werkzeugkoffer:

Wir sollten versuchen, allen Werkzeuge zu geben sowie einen Rahmen und auch Räume zu schaffen, wo Menschen einbringen können, was bereits in ihnen steckt. Dabei denke ich zum Beispiel an Joseph Beuys, der einst sagte, jeder sei ein Künstler. Diese Aussage lässt sich sehr gut auf die Transition-Town-Bewegung anwenden. Der Wandel sollte sich dabei vor allem gut anfühlen und Spaß machen, damit die Leute Lust haben mitzumachen. In dem Zusammenhang muss ich außerdem an ein Zitat der amerikanischen Friedensaktivistin Emma Goldman denken: Wenn ich hier nicht tanzen kann, dann ist das nicht meine Revolution. Wir müssen uns gut fühlen, um die Welt verändern zu können. Das ist das Herz der Transition-Town-Bewegung.

Sebastian Kaiser

Mehr Philosophie als Institution

Vor allem denjenigen, welchen die Bewegung kaum bekannt ist, scheint der Transition- Town-Gedanke sehr abstrakt und zunächst wenig greifbar zu sein, ist er doch mehr Philosophie als Institution. Läuft die Transition-Town-Bewegung damit aber nicht Gefahr ebenso wie die durch ihre Proteste weltweit bekannte Occupy-Bewegung wieder abzuklingen und in Vergessenheit zu geraten?

Norbert Rost sieht das anders: "Eine Institution kann kaputt gehen, mit einer Philosophie ist das schon schwieriger. Das Problem der Occupy-Bewegung war doch, dass diese sehr schnell zum Hype wurde und viele glaubten, auf einmal dort ihre Ideen umsetzen zu können. Eine wichtige Frage dabei ist aber doch: Gibt es tragende Köpfe und können diese als Integrationsfiguren auftreten?"

Die zahlreichen Initiativen, nicht nur in Dresden, sondern weltweit, beweisen dabei bereits, dass die Transition-Town-Bewegung mehr als nur Protest ist gegen eingefahrene Konsummuster oder eine Gesellschaft, in der sich jeder als Einzelkämpfer glaubt. Sie hat das Zeug, einen wirklichen Wandel hervorzurufen und anders als die Occupy-Bewegung nicht nur vorübergehendes Phänomen zu sein, sondern einen festen und vor allem nachhaltigen Platz in unserer Gesellschaft zu finden.