SPD und Grüne blockieren Untersuchungsausschuss

Affäre Mollath: Neues Gutachten soll "Notwendigkeit der Fortdauer der Unterbringung" bewerten

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Am Montag stellten die Freien Wähler im bayerischen Landtag ein Gutachten des renommierten Hamburger Anwalts Gerhard Strate vor, in dem dieser die Behandlung der Steuer-Strafanzeige Gustl Mollaths vom 9. Dezember 2003 durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth rechtswissenschaftlich untersucht. In diesem Verfahren erging am 19. Februar 2004 eine Einstellungsverfügung gemäß § 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung, in der es hieß, dass "keine zureichende[n] tatsächlichen Anhaltspunkte" für verfolgbare Straftaten vorliegen würden, weil der Anzeigeerstatter nur "unkonkrete Angaben" machen und "pauschal" den Verdacht vortragen würde, "dass Schwarzgeld in großem Umfang in die Schweiz verbracht wird".

Strate zählt in seinem Gutachten auf, dass Mollath in seiner Strafanzeige jedoch nicht nur die Namen und Adressen von 39 Zeugen und tatverdächtigen Anlegern nennt. Hinzu kommen Firmennamen und Decknamen von Schwarzgeldkonten. Der Anzeigeerstatter schildert darüber hinaus nicht nur konkrete Tatabläufe, sondern gibt den Ermittlern sogar Tipps, auf welche Weise sie an mehr Informationen gelangen könnten. Aus dieser "Detailliertheit und inneren Schlüssigkeit der Darstellung", sowie aus der Tatsache, dass Mollath die Strafanzeige nicht anonym, sondern unter seinem eigenen Namen verfasste, ergibt sich für Strate eine "Glaubhaftigkeit" und "Glaubwürdigkeit", die die Staatsanwaltschaft bereits durch einfache Internetrecherchen im seit 2002 online zur Verfügung stehenden Schweizerischen Handelsamtsblatt oder durch Telefonanrufe bei der Hypo-Vereinsbank vergrößern hätte können.

Endgültige Klarheit hätte dann eine ermittlungsrichterliche Anordnung nach § 162 StPO gebracht, bei der die Bank die Geldtransaktionen der vergangenen Jahre offenbaren hätte müssen. Hätte die Staatsanwaltschaft Zweifel an Mollaths Glaubwürdigkeit gehabt, dann hätte sie ihn vorladen und persönlich befragen müssen - was nicht geschah. Außerdem hätte es nach Ansicht des auf Strafrecht spezialisierten Juristen nahe gelegen, dass man in dem Fall die Steuerfahndung informiert, die auf solche Fälle spezialisiert ist. Deshalb kommt Strate zu dem Ergebnis, dass die Einstellung des Verfahrens "pflicht- und rechtswidrig war". Mündlich fügte er bei der Vorstellung seines Gutachtens an: "Es spricht viel dafür, dass der Falsche getroffen wurde".

Bei der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg versuchte man diese bereits vom Regensburger Strafrechtsprofessor Henning Müller erhobenen Vorwürfe mit dem Hinweis zu entkräften, dass nicht jedes Verbringen von Geld in die Schweiz strafbar ist und dass Anhaltspunkte dafür gefehlt hätten, dass es sich um Schwarzgeld handelt. Eine Annahme, die nicht nur Juristen anhand typischer Fallkonstellationen als "lebensfern" einstufen. Nachdem der bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer gestern öffentlich verlautbarte, die Justiz in Bayern sei zwar unabhängig, aber seiner Meinung nach "gut beraten, den Fall noch einmal neu zu bewerten", veröffentlichte die Generalstaatsanwaltschaft am späten Nachmittag eine Presseerklärung, in der es hieß, man werde bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer beantragen, "die Frage der Notwendigkeit der Fortdauer der Unterbringung [Mollaths in einer geschlossenen Anstalt] durch ein weiteres psychiatrisches Gutachten erneut zu prüfen".

Die Freien Wähler im bayerischen Landtag fordern allerdings einen Untersuchungsausschuss, weil sie nicht glauben, dass die Justizbehörden von sich aus in der Lage sind, die Vorgänge aufzuarbeiten. Der Parlamentarische Geschäftsführer Florian Streibl, der Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl, wirft Justizministerin Beate Merk in diesem Zusammenhang sogar vor, sie habe "versucht, Dinge zu vertuschen". Damit solch ein Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen wird, muss ein Fünftel der Mitglieder des Landtags dafür stimmen. Die Freien Wähler selbst verfügen nur über 20 von insgesamt 187 Mandaten.

SPD-Rechtspolitiker Franz Schindler. Bild: Wikipedia / Tobias Klenze. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Um auf die nötigen 38 zu kommen, könnten theoretisch die 39 Parlamentarier der SPD aushelfen. Doch deren stellvertretende Fraktionschefin Inge Aures will das zumindest vorerst noch nicht. Erst soll Merk dem Landtag noch einmal Rede und Antwort stehen, dann wolle man weiter sehen. Der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler will die Aufklärung des Falls sogar ganz grundsätzlich aus dem Landtag heraushalten und den Gerichten überlassen. Wenn die Fraktion der Freien Wähler diszipliniert abstimmt, könnten auch die 19-Grünen-Abgeordneten für die Einberufung eines Untersuchungsausschusses reichen. Doch auch dort will man abwarten. Unausgesprochen im Hintergrund bleibt die Wahl im nächsten Jahr, wo eine waidwunde Beate Merk im Kabinett den Taktikern bei SPD und Grünen möglicherweise mehr nutzt als ein frischer Justizminister ohne Angriffsflächen.

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