Anzeichen für den nächsten Börsencrash

Quelle: BIZ/Caruana

Jaime Caruana, Generalmanager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, sieht steigenden Risikoappetit und neue Ungleichgewichte, die weltweit bereits wieder zu Übertreibungen führen und typischerweise übel enden

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Aus Sicht der Finanzmarktstabilität dürfte laut Caruana die aktuell sehr üppige Liquiditätslage an den Finanzmärkten eigentlich kaum Anlass zur Sorge geben, schreibt er in einer aktuellen Präsentation unter dem Titel "Globale Liquidität und Finanzmarktstabilität". So sollten die bekannten Probleme der Realwirtschaft beruhigend wirken und übermäßige Kreditexpansion und Preissteigerungen verhindern. Immerhin sei das makroökonomische Umfeld in den meisten westlichen Staaten schwach und unsicher, während einige wesentliche Elemente des Kreditwachstums - insbesondere die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse - im Vergleich mit zurückliegenden Liquiditätsschwemmen bislang eher bescheiden ausgefallen sind.

Allerdings bleibe die Geldpolitik "hochgradig akkomodierend" und der Risikoappetit nehme zu, was für gewöhnlich mit dem Aufbau finanzieller Ungleichgewichte einher gehe. So liegen die kurzfristigen Realzinsen in den meisten westlichen Staaten deutlich im negativen Bereich und in den USA und Deutschland auch die Zinsen für langfristige Staatsanleihen.

Zudem haben sich die direkten Anleihenkäufe der Notenbanken in den vergangenen Monaten sogar noch weiter beschleunigt, was nicht nur die Preise von Staatsanleihen, sondern auch die einer Reihe von Finanzanlagen nach oben getrieben habe. Das betreffe insbesondere die Aktienmärkte, die laut Caruana indes am stärksten darauf reagieren sollten, wie die Märkte die künftigen Reaktionen der Notenbanken einschätzen. Das spiegelt wohl die Befürchtung Caruanas wider, dass übertriebene Preise sehr schnell massiv zurückfallen könnten, sollte an den Märkten Zweifel an der der lockeren Hand der Notenbanken aufkommen.

Indes erfolge die Risikonahme zwar "mit wenig Überzeugung", habe nach den von Caruana herangezogenen Indikatoren aber bereits wieder Niveaus wie zuletzt in den Boomphasen vor der Weltfinanzkrise erreicht. So gingen bei fast allen Kreditkategorien die Risikoaufschläge ("Spreads") zurück, während die Hedgefonds hohe Kapitalzuflüsse verzeichneten. Die internationalen Carry-trades, wobei Spekulanten Kredite in niedrig verzinsten Währungen aufnehmen und in hoch verzinste investieren, nehmen ebenfalls zu, konzentrieren sich aber auf Länder wie Australien und Mexico, deren Notenbanken bislang auf Interventionen verzichten.

Die "niedrige Volatilität" an den Aktienbörsen (synonym für stetig und stabil steigende Kurse) kontrastiere allerdings auffällig mit einer umfassenden Abschwächung der Weltkonjunktur, während auch die bekannten Probleme mit den Staatsfinanzen und den Schwächen einiger Bankensysteme nach wie vor ungelöst sind. Es bestehen folglich kaum reale Gründe für die deutlichen Zugewinne an den Aktienmärkten.

Sollten nun "unerwartete Schocks" auf diesen Mix aus niedriger Volatilität und erhöhter Risikoneigung durchschlagen, könnte sich die globale Liquiditätslage sehr rasch verändern. Dabei versteht Caruana unter einer "veränderten Liquiditätslage" zwar offenbar den nächsten Börsencrash, das sei aber noch nicht das Hauptproblem. Das liege viel mehr in den insgesamt ausstehenden Schulden in den meisten der führenden Staaten, wo die öffentliche Verschuldung munter weiter ansteige, während die private Verschuldung kaum nennenswert zurückgehe.

Emerging Asia am Wendepunkt?

Jedoch zeige die Geschichte, dass eine übermäßige Verschuldung des Privatsektors reduziert werden müsse, bevor eine Volkswirtschaft wieder nachhaltig wachsen könne, was bislang aber nur in sehr beschränktem Ausmaß der Fall sei. Dazu komme, dass sich einige asiatische Emerging Markets nun eines jahrzehntelangen Aufschwungs erfreut haben, der die privaten Schulden mittlerweile auf Niveaus getrieben hat, die zuletzt unmittelbar vor der Asienkrise von 1997/98 erreicht wurden.

Dieses Kreditwachstum wurde zudem zunehmend von internationalen Kreditgebern finanziert, die ihr Engagement in "Emerging Asia" im Vorjahr um satte 20 Prozent ausgeweitet hatten. Heuer werden sie aber bereits etwas weniger ausreichen, was für Caruana wohl zu den Anzeichen dafür zählt, dass der asiatische Finanzzyklus am Drehen sei. Dabei sei immerhin beruhigend, dass die grenzüberschreitenden Kredite zuletzt deutlich weniger stark zugenommen haben als in früheren Phasen mit sehr lockerer Geldpolitik. Das könnte allerdings auch schlicht daran liegen, dass insbesondere die europäischen Großbanken aktuell bemüht sind, ihre Bilanzen zurückzufahren und daher von internationalen Kreditvergaben zurückschrecken.

Bild: BIZ/Caruana

Laut Caruana deuten die jüngsten Entwicklungen an den Kredit- und Immobilienmärkten nun jedenfalls darauf hin, dass der asiatische "Kreditzyklus" dabei sei zu drehen. Historisch sei dies in der Regel jedoch mit hohem "finanziellen Stress" verbunden, so dass - obwohl sich die Geschichte nie exakt wiederhole - "in den nächsten paar Jahren ein nicht vernachlässigbares Risiko von finanziellem Stress besteht". Das aktuell eher gutartige Klima an den Finanzmärkten sollte folglich stärker dazu genutzt werden, Maßnahmen zu treffen, um der kommenden Krise besser begegnen zu können.