Medienteam deckt Offshore-Geheimnisse auf

Ein Team aus Investigativjournalisten kämpft sich durch das Dickicht der britischen Offshore-Companies, die sich großer internationaler Beliebtheit bei der Verschleierung von Eigentumsverhältnissen und Steuerpflichten erfreuen

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Der Guardian hat gemeinsam mit der BBC und dem Washingtoner "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) die britische Offshore-Industrie untersucht. Dabei konnten sie nicht nur die tatsächlichen Eigentümer etlicher Londoner Luxus-Immobilien identifizieren, sondern auch eine Riege an 28 sogenannten "Nominee Directores", die in insgesamt 21 500 Offshore-Gesellschaften Vorstandspositionen ausüben.

Nicht alles ist auf den British Virgin Islands so idyllisch wie diese Ansicht von der Insel Totola. Bild: Henry A-W/CC-BY-SA-2.5

Die Namen dieser "Nominee Directores" erscheinen zwar in offiziellen Dokumenten und ihre Wohnsitze sind über die "obskursten Orten in der ganzen Welt" verstreut, doch ihr Engagement dient zumeist allein dazu, die wahren Beteiligten an sensiblen wirtschaftlichen Transaktionen zu verheimlichen – was angesichts der nicht wenigen Fälle, wo sich veruntreute oder wenigstens unversteuerte Gelder auf Nimmerwiedersehen auf karibischen Inseln verlieren, wohl auch global von erheblicher Bedeutung sein dürfte.

Mehr als eine Million Offshore-Gesellschaften auf den British Virgin Islands

Angesiedelt sind diese Gesellschaften vor allem auf den British Virgin Islands (BVI) in der Karibik, wo seit 1984 mehr als eine Million Offshore-Gesellschaften gegründet wurden, aber auch in Irland, Neuseeland, Belize und UK. Die beigestellten Direktoren üben offenbar keinerlei operative Funktionen aus, sondern sind zumeist nicht einmal informiert, für welche Geschäfte sie da mit ihrer Unterschrift geradestehen.

Nun ist das nach britischem Recht nicht grundsätzlich illegal, allerdings sei, wie die Regierung behauptet, durch einen Richterspruch aus dem Jahre 1999 klar, dass "eine Situation ungesetzlich ist, wenn jemand die Geschäftsführung vieler Unternehmen übernimmt, aber jede Verantwortung ablehnt".

Wie das Investigationsteam indes feststellt, werde dieses Verbot jedoch schlichtweg ignoriert. So zerren Guardian & Co die rührigsten Offshore-Direktoren vor den Vorhang, etwa das britische Ehepaar Sarah and Edward Petre-Mears, das von den Kanalinseln auf die Karibikinsel Nevis übergesiedelt ist und ihre Dienste an mehr als 2000 Unternehmen verkauft hat, die Immobilien für russische Millionäre erwarben oder Pornosites oder Spielkasinos betrieben.

British Virgin Islands. Bild: CIA

Eigentümer von Luxus-Immobilien identifiziert

Die Investigativjournalisten durchforsteten "mehrere Gigabytes" an britischen Daten und konnten tatsächlich die Eigentümer etlicher prominenter Londoner Immobilien identifizieren, wobei sie betonen, dass mit den nunmehr gescheiterten Verschleierungsversuchen nicht unbedingt auch Rechtsverletzungen verbunden sein müssen. Klar sei jedoch, dass hier nicht nur Diskretion gesucht werde, sondern insbesondere auch mehr oder weniger legale Steuerschlupflöcher.

Ziel der bis nächstes Jahr laufenden Initiative ist laut ICIJ-Direktor Gerard Ryle, "den Weg von Billionen an Dollars durch ein globales Schatten-Finanzsystem ans Licht zu bringen". Wie das Beispiel der Britisch Virgin Islands zeigt, sei das jedoch nicht so einfach. So hat auch die dortige Regierung in der Regel keine Ahnung, wem die in ihrem Gebiet angesiedelten, steuerbefreiten Gesellschaften tatsächlich gehören und was sie tun. Das einzige was sie wissen, sei der Name der lokalen Agenten dieser Firmen, die gegen eine beträchtliche Jahresgebühr die formale Unternehmensgründung und das Personal organisiert haben.

Für ausländische Behörden, die mehr über ein solches Vehikel erfahren wollen, besteht die einzige Chance, mehr zu erfahren, im Nachweis schwerer Kriminalität im Zusammenhang mit diesen Gesellschaften, einfacher Steuerbetrug reicht nicht aus, die Behörden in Bewegung zu setzen. Was diese allenfalls unternehmen, beschränkt sich zudem darauf, den lokalen Agenten aufzufordern, dass bekanntgeben soll, was er weiß, was sich dann aber zumeist auf die Nennung der vorgeschobenen Direktoren oder von wiederum vorgeschobenen Aktionären in weiteren Offshore-Zentren beschränkt. Die befragten Agenten könnten zudem angeben, sie hätten keinerlei weitere Informationen, weil die Geschäfte über einen sogenannten "Introducer" gelaufen wären, der wiederum in einem Land wie Zypern oder Panama sitze, das Informationen ebenfalls nur sehr zögerlich verfügbar macht.

Offshore-Zentren sind "süchtig"

Daran werde sich auch nicht viel ändern, da BVI nach schlicht den aus diesen Geschäften bezogenen Einnahmen süchtig sei. So kassierte die vom britischen Gouverneur Boyd McCleary verwaltete Insel im Vorjahr 180 Millionen Dollar an Registergebühren, was mehr als 60 Prozent des Regierungsbudgets ausmachte. Im Gegenzug verlieren die britischen und andere Steuerbehörden allerdings oft ein Mehrfaches an Steuern oder bei Immobilientransaktionen anfallenden Gebühren.

Warum die britische Regierung dies zulässt, ergibt sich aus einem Report von Michael Foot, einem führenden Mitarbeiter der Bank of England und der Finanzmarktaufsicht Financial Services Authority. Der hatte 2009 Alistair Darling, dem damaligen Labour-Regierungschef dezidiert erklärt, dass die Abschaffung der Privilegien der Virgin Islands vermutlich zu "erheblichen Geschäftsverlusten für die Londoner City" führen würde - ganz zu schweigen davon, dass mit den ausländischen Geldern weite Teile des britischen Handelsdefizits finanziert werden.