Die US-Regierung will sich endlich vom Krieg gegen den Terror verabschieden

In seiner zweiten und letzten Amtszeit scheint Obama mutiger zu werden und lässt schon einmal austesten, ob man den langen Krieg mit den außergewöhnlichen Rechten für den Präsidenten beenden könnte

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Vor kurzem sagte noch US-Verteidigungsminister Leon Panetta, dass al-Qaida zwar geschwächt sei, aber dass der weltweite Kampf gegen den Terrorismus fortgesetzt werden müsse (Pentagon hält am weltweiten Krieg gegen den Terrorismus fest). Letztes Jahr hatte er allerdings schon mal verkündet, dass der Erzfeind der USA fast besiegt sei. Die Bedrohung durch al-Qaida gibt dem US-Präsidenten weiterhin das vom Kongress nach dem 11.9. bewilligte Recht als obersten Kriegsherrn, an dem Obama weiterhin festgehalten hat.

US-Soldaten im 12. Jahr in Afghanistan. Bild: US Navy

Offenbar herrscht aber auch im Pentagon keine Einigkeit darüber, ob man den weltweiten Krieg gegen den Terrorismus, der mit Drohnen, Spezialeinheiten und anderen verdeckten Mitteln weiterhin geführt wird, auch wenn man sich von der von Bush eingeführten Terminologie des GWOT verabschiedet hat. Am Freitag sprach Jeh Johnson, der Rechtsberater des Pentagon, vor der Oxford Union in London zwar davon, dass man weiterhin gegen die Terroristengruppe in einer legalen Weise kämpfen müsse, die die amerikanischen Werte nicht verletzte. Die Terrorgruppe stelle noch eine Gefahr dar, aber heute sei al-Qaida "geschwächt, desorganisiert und auf der Flucht". Bin Laden und viele Führer seien tot, die Gruppe habe sich dezentralisiert, die gefährlichsten Zweige seien derzeit in Jemen und im Maghreb in Nordafrika zu finden.

Die Bush-Regierung hatte die Anschläge vom 11.9. als Kriegserklärung interpretiert und entsprechend militärisch geantwortet (We're at war, Die USA greifen an - und eine große Chance wurde vertan). Der Kongress autorisierte den Präsidenten, alle notwendige und angemessene Mittel gegen al-Qaida und alle Staaten, Organisationen oder Individuen zu ergreifen, die die Terrorgruppe unterstützen. So hat der Präsident in diesem langen Krieg auch 12 Jahre nach dem 11.9. noch außerordentliche Befugnisse als Kriegsherr.

Offenbar will Obama in seiner zweiten und letzten Amtszeit nun einen Schlussstrich unter den permanenten Krieg ziehen. Johnson erklärte, Obama hätte darauf beharrt, dass der unkonventionelle Krieg gegen einen unkonventionellen Feind seit 2001 nach "konventionellen rechtlichen Prinzipien" geführt werden müsse. Wenn man al-Qaida zerstören wolle, dürfe man nicht die eigenen Gesetze und Werte zerstören. Das ist klar gegen die von der Bush-Regierung eingeführten Ausnahmeregelungen gerichtet. Johnson greift dabei auch die unbegrenzte Inhaftierung ohne Anklage und gezielte Tötungen auf, beides gilt in den USA als legal. Johnson erklärt, dass man zwar tödliche Gewalt anwende, dies aber im Rahmen der Kriegsgesetze und nach den Prinzipien der Angemessenheit, Notwendigkeit und Unterscheidung. Al-Qaida-Terroristen würden gemäß den Genfer Konventionen und anderen Gesetzen und Abkommen festgehalten.

So weit die Schönrednerei, die Johnson auch pflegen muss, um die nicht die erste Amtszeit von Obama ins Zwielicht zu rücken. Aber er fragt, wie der bewaffnete Konflikt enden soll. Weil es ein unkonventioneller Konflikt mit einem unkonventionellen Feind sei, werde er auch nicht auf konventionelle Weise enden können, so Johnson. In der Tat kann das Ende nur von der US-Regierung erklärt werden, einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag, wie sie von Staaten beschlossen werden können, ist hier undenkbar. Verhandlungen wird es nicht geben. Endlos kann man aber auch nicht Krieg führen, man kann nicht erwarten, so Johnson, "dass wir jeden Terroristen fangen oder töten, der behauptet, in einer Beziehung zu al-Qaida zu stehen".

Das klingt endlich vernünftig und hat lange vier Jahre gebraucht, um einmal angesprochen zu werden - und das auch noch nicht in den USA. Johnson sagt, wohl auch um die Reaktion zu testen, dass es zu einem Wendepunkt kommen werde, an dem so viele al-Qaida-Mitglieder getötet oder gefangen genommen wurden, so dass die Gruppe keinen großen Angriff wie am 11.9. mehr gegen die USA ausführen können. Dann sollte man, so Johnson, die Bekämpfung von al-Qaida nicht mehr als "bewaffneten Konflikt" bezeichnen, sondern es sei eine "Antiterrormaßnahme gegen Einzelne", die nach der Zerschlagung übrig geblieben sind. Dann wäre nicht mehr das Militär zuständig und der Präsident müsste nicht mehr die Rechte als oberster Kriegsherr haben.

Interessant ist freilich, dass das Pentagon in der Zusammenfassung die Konsequenzen nicht darstellt, die Johnson, der als möglicher Nachfolger für den Posten des Justizministers gilt, gleichwohl andeutet hat. Nach dem Wendepunkt würden nämlich die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden die Aufgaben übernehmen. Zwar würden nach einem Ende des Krieges nicht gleich alle "feindlichen Kämpfer" freigelassen, das sei auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht sofort geschehen, aber man könnte nach den Ausführungen annehmen, dass dann auch die durch den Kriegszustand gerechtfertigten "gezielten Tötungen" eingestellt würden, weil man "im Kontext der Strafverfolgung oder der Strafjustiz keinen Menschen zum Tod oder zur Haft ohne Anklage und Prozess vor einem unabhängigen Gericht und einer unabhängigen Jury verurteilen" könne.