Rundfunkanstalten im Sammelfieber

Die Gebühren-Neuregelung zum Januar 2013 bringt keine Verbesserung aus datenschutzrechtlicher Sicht

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Kurz vor Ende der Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag versuchen die Rundfunkanstalten aufgrund der alten Regelung nochmal viele Daten zu sammeln. Nicht alle davon benötigen sie unbedingt. Wer ab Januar 2013 auf Besserung hofft, wird enttäuscht. Die Regelungen im neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBeitrStV) verlangen, dass der Beitragszahler noch wesentlich mehr Details von sich preisgibt.

Viele Personen, die bislang keine Rundfunkgeräte angemeldet haben, bekommen zurzeit Post vom sogenannten Beauftragtendienst der Rundfunkanstalten oder von der GEZ. Beiliegend ein Formular, das sich noch auf die alten Rundfunkgebühren bezieht. Dort anzugeben sind sämtliche Rundfunkgeräte eines Haushaltes und aller Personen mit eigenem Einkommen. Dies allein ist jahrelange Praxis, was nicht unbedingt heißen muss, dass die Praxis datenschutzrechtliche Grundsätze wahrt. Hat jemand ein Fernsehgerät, so ist der erhöhte Gebührensatz von 17,98 EUR fällig. Was sollte es in einem solchem Fall noch interessieren, wie viele Radios, Notebooks oder Smartphones der Betroffene vorhält? Datensparsamkeit, ein elementarer Grundsatz des Datenschutzes, war noch nie die Stärke der GEZ.

Auch nach der alten Regelung gilt: Es müssen nur Angaben gemacht werden, die den Rundfunkanstalten erlauben, den Gebührensatz zu berechnen. Wird ein Fernseher vorgehalten, dann darf die Spalte mit Radios und sogenannten "neuartigen Rundfunkgeräten" freigelassen werden. Auch muss nicht offenbart werden, wenn eine Person mehrere Fernseher besitzt. Dies schlägt sich auch unmittelbar in der gesetzlichen Regelung nieder: § 4 Abs. 5 S. 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag verpflichtet lediglich über Tatsachen Auskunft zu geben, die Grund, Höhe und Zeitraum der Pflicht betreffen. Gleiches gilt für die Personen mit eigenem Einkommen (zB. ein berufstätiges Kind), die im gleichen Haushalt wohnen. Darüber hinaus kann von der Möglichkeit, nach weiteren Haushaltsangehörigen zu fragen, nur nachrangig Gebrauch gemacht werden, wenn bei der Person selber keine Daten erhoben werden konnten. Daher muss es die GEZ zunächst bei der Person selbst um Auskunft ersuchen.

Die Neuregelung zum Januar 2013 bringt jedoch keine Verbesserung aus datenschutzrechtlicher Sicht. Die Abschaffung des Beauftragtendienstes in der bekannten Form bringt leider kein Mehr an Datenschutz. Zwar heißt die GEZ dann Beitragsservice und forscht nicht mehr nach Geräten, dieser hat aber im neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wesentlich stärkere Befugnisse als die GEZ. Auch wenn die Rundfunkanstalten stets versichern, dass datenschutzrechtliche Standards eingehalten werden und alles im Konsens mit Datenschützern beschlossen würde, schaut die Realität anders aus.

Die Datenmengen werden nicht verringert, sondern lediglich umgeschichtet.1 Zwar dürfen Angaben zu einzelnen Geräten ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr erhoben werden, jedoch entsteht beim Beitragsservice ein Verzeichnis, welches weit mehr Daten umfassen würde, als ein bundesweites Melderegister, welches es aus Datenschutzgründen nicht gibt. Neben sämtlichen Wohnungen in Deutschland sind alle gewerblich genutzten KfZ, sämtliche Betriebsstätten und alle Gästezimmer im Hotel- und Gaststättengewerbe erfasst. Daten beschafft sich der Beitragsservice nicht zunächst vom Betroffenen selber, sondern lässt sie sich nach § 14 Abs. 9 RBeitrStV erst einmal sämtliche Meldedaten im automatisierten Verfahren übermitteln.

Durfte die GEZ früher nur auf Meldeämter im Wege des Abrufs aufs Meldedaten zugreifen, so kann sie Auskünfte nunmehr von allen öffentlichen Stellen verlangen (§ 11 Abs. 4 RBeitrStV). Wer meint, dass dafür auf den Einkauf von Adressen bei Adresshändlern verzichtet wird, täuscht sich. Ab 1. Januar 2015 ist dies für Adressen von Privatpersonen möglich (§ 11 Abs. 10 RBeitrStV, vgl. auch 16. Tätigkeitsbereich der Brandenburgischen Datenschutzbeauftragten). Für gewerbliche Adressen sogar ab sofort.

Diese weitreichenden Eingriffsbefugnisse sind aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Durften nach alter Rechtslage Daten von einer Rundfunkanstalt durch eine andere nur "im Einzelfall" abgerufen werden, so ist diese Einschränkung in § 11 Abs. 3 RBeitrStV komplett entfallen. Der Übermittlung ganzer Teilnehmerlisten von einer Anstalt an die andere steht gesetzlich nichts mehr im Wege.

Nachdem die neue Rechtslage den Datenschutz der Betroffenen bereits untergraben hat und die Rundfunkanstalten und ihren Beitragsservice mit so umfassenden Befugnissen ausgestattet hat, räumt der Staatsvertrag den Rundfunkanstalten noch weitere Befugnisse ein. Sie können auch den Vermieter oder den Hausverwalter von Wohn- oder Gewerbeimmobilien nach dem Mieter befragen (§ 9 Abs. 1 S. 2 und 3 RBeitrStV). Diese sind zur Auskunft verpflichtet.

Die Rundfunkanstalten machen es sich aus datenschutzrechtlicher Sicht zu leicht. Durch relativ offen formulierte Regelungen könnten sie die eingeräumten Befugnisse weitreichend ausschöpfen. Zwar konnten sich Anstalten und Datenschützer auf eine Mustersatzung einigen, die die Ausführungsbestimmungen näher regelt, jedoch ist eine solche Satzung kaum geeignet, die datenschutzrechtlichen Mängel des Staatsvertrages zu korrigieren. Es ist ebenso wenig möglich, dem Datenschutz auf diese Weise zu genügen, wie durch die Tatsache, dass man versichert, man werde von den Vermietern Auskünften "in der Regel nicht einholen".

In der Gesamtschau offenbaren die neuen Regelungen große datenschutzrechtliche Mängel. Der Datenhunger des GEZ-Nachfolgers Beitragsservice ist noch größer als der seines Vorgängers. Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte dem im nächsten Jahr einen Riegel vorschieben werden.

Ermano Geuer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau. Er hält den neuen Rundfunkstaatsvertrag für unvereinbar mit höherrangigem Recht und will ihn mit einer Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zu Fall bringen.