Fatboy Slim und die Evolutionstheorie

Ein Blick auf Wissenschaft in Musikvideos

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Wissenschaft und Technik durchdringen unsere Gesellschaft und begegnen uns in allerlei Formen auch in der Popkultur, selbst in etwas unerwarteten Formaten wie etwa in Musikvideos. In diesem Beitrag soll ein kurzer Streifzug durch die wundersame Welt der Musikvideos mit wissenschaftlichen und artverwandten Themen unternommen werden.

Internetexperten gehen davon aus, dass schon in naher Zukunft ein sehr großer Teil des Internets aus Videoinhalten bestehen wird. Angeblich sollen jetzt schon täglich um die 60.000 Videoclips auf YouTube hochgeladen und über 100 Million Clips pro Tag angesehen werden.

Ein gewichtiger Anteil der Videos, die auf Online-Videoplattformen wie YouTube oder Vimeo hochgeladen, geteilt und angesehen werden, sind Musikvideoclips. Nach einer Studie von Xu Cheng, Cameron Dale und Jiangchuan Liu handelte es sich bei Musik und Musikvideos um die populärsten Inhalte bei YouTube, die über ein Fünftel des Gesamtinhalts von YouTube ausmachen.

Screenshot: "Fatboy Slim: Right Here, Right Now"

Die jüngsten Entwicklungen bei derartigen digitalen Technologien erlauben inzwischen auch nicht technikversierten Amateuren eigene Videos zu drehen, diese mit Musik zu untermalen und auf YouTube und ähnlichen Portalen zu verbreiten. Interessiert man sich für Wissenschaft und Technik, kann man feststellen, dass sich inzwischen auch unzählige Musikvideoclips mit dem Thema Wissenschaft und Technik beschäftigen.

Musikvideos von professionellen Musikern und Künstlern

Zum einen finden sich hier in vielen Musikvideos von professionellen Künstlern wissenschaftliche Motive und Themen. So ist zum Beispiel das Fatboy Slims-Video zu Right here, right now eine ansprechende Visualisierung des Evolutionsprozesses in Zeitraffer, inklusive wissenschaftlicher korrekter Zeitangaben. Am Schluss erlauben sich die Macher des Videos zudem noch einen kleinen ironischen Kommentar zum gegenwärtigen Zustand der Menschwerdung.

Die Band OK Go, die immer wieder schon durch sehenswerte Musikvideos aufgefallen ist, nimmt sich im Video zu This too shall pass auf ansprechende Weise des Themas Rube-Goldberg-Maschine an.

Screenshot: "They Might Be Giants: Meet the Elements"

Ebenfalls uneingeschränkt zu empfehlen sind die Musikvideos des Geekpopduos They might be Giants, die sich in ihren Songs humorvoll und melodisch um die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte bemühen - so etwa in ihrem Song Meet the elements über das Periodensystem der Elemente. Hierbei bemühten sich die Musiker, besonders die wissenschaftlichen Inhalte korrekt und verständlich darzustellen. Oftmals hatten diese Songs Kinder als Zielgruppe im Auge, um sie spielerisch mit wissenschaftlichen Inhalten vertraut zu machen - doch sie funktionieren selbstverständlich auch bei Erwachsenen.

Screenshot: "Symphony of Science: Our Biggest Challenge"

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Symphony of Science Projekt des Komponisten John D. Boswell, das die Absicht hat wissenschaftliches Wissen in musikalischer Form darzureichen. In seiner mehrteiligen Symphonie geht es um eine Vielzahl wissenschaftlicher Themen, die von der Urknall-Theorie und der Entstehung des Universums, über Neurowissenschaft und Bewusstseinsforschung bis zur Quantenphysik reichen. Das Besondere an Boswells Musikvideos ist, dass er bekannte Wissenschaftler aus den jeweiligen Disziplinen erklärend in den Videos in Form von Samples auftreten lässt.

Songs und Musikvideos für Unterrichtung und Bildung

Im deutschsprachigen Raum haben diese Videos natürlich den Nachteil, dass sie auf Englisch sind, aber vielleicht lassen sich deutschsprachige Äquivalente finden oder herstellen. Zumindest theoretisch könnte man diese dann auch im Unterricht einsetzen, um das Interesse von Kindern an wissenschaftlichen Themen zu wecken. Die Musikvideos können dann etwa als Stimulus eingesetzt werden, um fundamentale Konzepte der Wissenschaft in den Unterricht einzuführen und dann in einem weiteren Schritt die Details der unterschiedlichen Ideen und Konzepte genauer zu erklären. Wie jeder Lehrer weiß, ist es oftmals schwierig, im Unterricht die Aufmerksamkeit von Kindern zu wecken. Insbesondere naturwissenschaftliche Inhalte gilt es vom Stigma der Irrelevanz und Langeweile befreien.

Eine Hoffnung ist hier, dass Kinder und Jugendliche sich eher für Dinge interessieren, die sie in unterhaltsamen Musikvideos als relevant und interessant vorgeführt bekommen. Und natürlich spielt Humor hier auch eine sehr wichtige Rolle. Vollkommen klar ist jedoch, dass Musikvideos mit wissenschaftlichen Inhalten im Schulunterricht höchstens ergänzend eingesetzt werden und die formale Wissensvermittlung sicherlich nicht ersetzen können. Sieht man sich im Internet um, findet man jedoch, dass bereits unzählige Versuche unternommen worden sind, durch musikalische Aufbereitung wissenschaftliche Inhalte leichter lernbar zu machen. Scheinbar ist es so, dass sich viele (junge) Menschen in Reim- oder Liedform dargebotene Inhalte leichter merken können.

Manche Lehrer und Professoren in den USA ermutigen ihre Studenten deshalb, beispielsweise ein Musikvideo über den Inhalt ihrer Studien zu machen. Ein gelungenes Beispiel stellt hier etwa ein Musikvideo über den so genannten synaptischen Spalt dar, das das Resultat eines neurowissenschaftlichen Universitätskurses ist. Diese Herangehensweise scheint jedoch auch bei jüngeren Kindern zu funktionieren, etwa in einem Beispiel über den Wandel des Aggregatzustands von Wasser.

Screenshot: "The Glut-Tang Clan: Synaptic Cleft"

In dem Musikvideo über Neurotransmission (und in unzähligen anderen Musikvideos mit wissenschaftlichen Inhalten) wird zudem der Text des Songs mitgeliefert um den wissenschaftlichen Inhalt transparenter zu machen. Oftmals wird er auch in Form von Untertiteln im Videoclip selbst eingeblendet. Idealerweise illustriert das Musikvideo dann visuell worum genau es geht. In diesen Beispielen mussten sich die Studenten und Schüler nicht nur mit der wissenschaftlichen Materie auseinandersetzen, sondern sie mussten diese auch entsprechend verdauen und darüber nachdenken, wie man den Inhalt verständlich und vielleicht auch unterhaltsam präsentieren könnte. Auf diese Weise erlernen sie zugleich, wie sich gegenwärtige Medientechnik für ihre Zwecke nutzen lasst. Die Fähigkeit wissenschaftliche Inhalte kommunizieren und verständlich vermitteln zu können, sollte besonders im tertiären Bildungsbereich zum Gegenstand der Ausbildung gehören.

Im englischsprachigen Ausland wurden bereits einige Versuche unternommen, Musikvideos in den naturwissenschaftlichen Unterricht und die Wissenschaftskommunikation zu integrieren. Der Neurowissenschaftler und Wissenschaftspopularisierer Tom McFadden erforscht beispielsweise, wie Musikvideos und vor allem Hip Hop Musik einen Beitrag zum naturwissenschaftlichen Unterricht und zur Wissenschaftskommunikation leisten können, und sammelt empfehlenswerte Beispiele in seinem Blog The Rhymebosome.

Dabei ist McFadden nicht der einzige, der sich dafür interessiert, wie Hip Hop und Rap im naturwissenschaftlichen Unterricht nutzbar gemacht werden können. Der Chemielehrer Mark Rosengarten versucht dasselbe auf eine andere Weise und hat mehr als zwei Dutzend unterhaltsame Musikvideos über wissenschaftliche Themen auf seiner Homepage bereit gestellt, die durchaus auch im Unterricht Verwendung finden sollen.

Auch der ehemalige Musiklehrer John Palmer unterrichtet naturwissenschaftliche Fächer. Als Musiker verpackt er Themen wie Evolution und Kambrische Explosion in professionell gemachte und hörenswerte Songs. In diesem Zusammenhang ist auch ein weiterer Blog empfehlenswert: The Science Songbook: Songs to make learning science fun!.

Screenshot: "John Palmer: The Cambrian Explosion in Song"

In der Wissenschaftskommunkation und im Unterricht, aber auch in Wissenschaft und Forschung selbst, spielen Videoformate zunehmend eine Rolle, so zum Beispiel auf der wissenschaftlichen Videoplattform SciVee oder in der wissenschaftlichen Open Access Zeitschrift Journal of Visualized Experiments (JoVE), in der biologische, medizinische, chemische und physikalische Forschung nicht mehr allein in Textform, sondern auch in Form von Videobeiträgen veröffentlicht wird. Manche Filmbeiträge aus der Welt der Forschung sind hierbei aber fast ebenso unterhaltsam wie Musikvideos.