Ausweg Vermögenssteuer?

Warum negative Zinsen ein Weg sind, wie man wirkungsvoll das spekulative Finanzkapital in die Realwirtschaft lenken kann

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Weltweit nehmen staatliche und private Verschuldung weiter rasant zu. Das Platzen der nächsten Finanzblase zeichnet sich bereits am Horizont ab. Dabei sind in keinem vergleichbaren Land die ökonomischen Rahmenbedingungen ähnlich gut wie in Deutschland. Dennoch mussten Bund und Länder auch in diesem Jahr ihre Gesamtschuld deutlich erhöhen. Um diesen Trend endgültig zu brechen, haben SPD und Gewerkschaften die Idee der Vermögensteuer und einer Millionärsabgabe reanimiert. Noch ist nicht klar, ob die Forderung nach einer Millionärsabgaben eine Zombiediskussion zur Beschäftigung der linken Ideologen bleibt. Sicherlich ist sie geeignet, große Teile der Basis zu aktivieren. Als Antwort auf die ökonomischen Probleme sind beide Ansätze ungeeignet.

Aus einer Vermögensteuer und einer Millionärsabgabe würden sich negative Rückkopplungen für den gesellschaftlichen Fortschritt ergeben. Damit es gelingt, die Forderung nach der Reichensteuer durchzusetzen, ist ein enormer Kraftaufwand erforderlich. Wenn sich dann zeigt, dass der Effekt nur geringfügig ist und die Ursachen der Probleme gar nicht tangiert werden, erzeugt dies Enttäuschung und Agonie. Es kommt jetzt darauf an, aus einer korrekten Analyse die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Die Ausgangslage ist unbestritten: Die Vermögen, nicht nur in Deutschland, sind extrem ungleich verteilt. Der Reichtum der Wenigen wächst stetig, weitgehend unberührt von platzenden Aktienblasen und Finanzkrisen. Ver.di kritisiert zu Recht, dass die Vermögen der privaten Haushalte in 20 Jahren auf das Doppelte angestiegen sind. Und es braucht nicht den Armutsbericht der Bundesregierung, um zu wissen, dass hiervon fast ausschließlich die reichsten 10 % der Bevölkerung profitieren. Es ist naheliegend und richtig, diese Vermögen zur Entschuldung von Bund, Ländern und Kommunen in den Fokus zu nehmen.

Der Vorschlag von ver.di sieht vor, auf Vermögen bis 10 Millionen € eine einmalige Millionärsabgabe von 10 % zu erheben. Für Vermögen bis 100 Millionen € werden 20 % und darüber hinaus 30 % dieser Sonderabgabe fällig. Hinzu kommen soll eine jährlich anfallende Vermögensteuer für Nettovermögen ab 1 Million €. Großzügige Freibeträge sind vorgesehen. Nach der optimistischen Schätzung von ver.di flössen der Staatskasse aus der Millionärsabgabe einmalig 300 Mrd. € zu. Damit könnten die Staatsschulden von derzeit über 2.000 Mrd. € um 15 % gesenkt werden. Die Einnahmen sind realistischerweise auf einen Zeitraum von 10 Jahren eingeplant. Ein positiver Effekt wird aber nur spürbar sein, wenn gleichzeitig das bisher scheinbar Unmögliche möglich wird und die Parlamente keine neuen Schulden produzieren. Als zusätzliche Einnahmen kalkuliert der Vorschlag jährlich 20 Mrd. € aus einer Vermögensteuer. Das entspricht weniger als der Hälfte der im Durchschnitt der letzten 10 Jahre aufgebrachten Zinslasten.

Die Zahlen machen deutlich, ein positiver Effekt kann für die Bürger nur dann entstehen, wenn es gleichzeitig gelingt, die Zinsausgaben der öffentlichen Kassen auf dem derzeitig historisch niedrigen Niveau zu halten. Wenn das allgemeine Zinsniveau auch nur um zwei Prozentpunkte steigt, frisst die steigende Zinsbelastung die zusätzliche Vermögensteuer auf. Die populistische Forderung nach einer Millionärsabgabe ist reines Flickwerk. Eine Umkehr der seit Jahrzehnten sichtbaren Trends ist damit nicht mal ansatzweise zu erreichen.

Viel entscheidender, als an der Steuerschraube zu drehen, ist es, die langfristige Zinsentwicklung zu betrachten. Die von ver.di bezifferte Vermögensentwicklung entspricht ziemlich exakt einer durchschnittlichen Rendite beziehungsweise Verzinsung von 3 % pro Jahr. Wenn es gelingt, das allgemeine Zinsniveau dauerhaft auf ein Nullzinsniveau zu stabilisieren, verringert sich gleichermaßen die Zunahme der Geldvermögen und der Schulden.

Der Nullzinssatz ist angesichts der Geldmengenentwicklung noch viel zu hoch

Für linke Ökonomen ist eine Diskussion über das Funktionieren der Geldmärkte bis heute ein Tabu. Warum unser Geld nur funktioniert, solange es positive Zinssätze gibt, ist für sie bisher kein Thema. Das Verständnis von unserem Geldwesen ist gerade in Gewerkschaftskreisen eine Katastrophe. Dabei werden zwei Drittel der insgesamt anfallenden Zinsbelastung direkt durch die Betriebe getragen. Je höher der Kapitalmarktzinssatz, desto höher die Zinsenlast und desto weniger Geld bleibt für die Löhne. Zusätzlich orientiert sich die Höhe der Dividenden an den Kapitalmarktzinsen. Um Löhne zu erhöhen und Arbeitsplätze zu sichern, braucht es ein dauerhaft niedriges Zinsniveau.

Warum sollen sich Gewerkschafter und engagierte Linke für eine Reform einsetzen, die kaum durchzusetzen ist, die letztendlich durch unzählige Kompromisse und Ausnahmeregelungen aufgeweicht werden würde und deren Wirksamkeit mehr als fraglich ist. Vor solchen Kampagnen muss gewarnt werden, gerade wenn man deren eigentliche Zielsetzung unterstützt.

Eine wirksame Politik muss an dem Ursachen ansetzen und darf sich nicht damit begnügen, Symptome zu behandeln. Die zentralen Fragen an die Theoretiker lauten: Wie kann man wirkungsvoll das spekulative Finanzkapital in die Realwirtschaft lenken? Wie kriegt man die enormen Geldvermögen auch bei Renditen um 0 % in öffentliche und private Anleihen. Und nicht zuletzt, wie kann unser Geld auch mit Wachstumsraten um 0 % langfristig funktionieren? Die bekannten linken Ökonomen bleiben uns Antworten auf diese Fragen bisher weitgehend schuldig. Entscheidende Impulse bekommt man ausgerechnet vom entgegengesetzten Ende der "Feind-Freund-Scala".

In seinem Plädoyer für negative Zinsen, in einer der letzten Ausgaben der FTD, verweist Kolumnist Wolfgang Münchau auf die Monetaristen:

Der Grund, warum die gegenwärtigen Nullzinsen nicht auf die Geldmenge wirken, so die amerikanischen Monetaristen, ist, dass der Nullzinssatz angesichts der Geldmengenentwicklung noch viel zu hoch ist. Wenn man sie nur drastisch genug in den negativen Bereich senkt, wird man die Geldmenge und die Kreditvergabe irgendwann wieder stimulieren.

Wolfgang Münchau

Geringe Zinssätze und Inflationsraten sind gut für die Löhne und zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Allerdings führen sie zur massiven Geldforderung und zur Umlenkung von Kapitalströmen weg von den Investitionen hin in die Spekulation. Die Zentralbanken versuchen dieser Entwicklung durch die permanente Ausweitung der Geldmenge entgegenzuwirken. Da ein Mehr an Geld jedoch nicht dessen Umlaufgeschwindigkeit verstetigt, bleiben diese Interventionen weitgehend wirkungslos.

Von dem Programm der quantitativen Lockerung, mit dem die Notenbanken durch Anleiheaufkäufe die Zinsstrukturkurve stabilisieren, halten Monetaristen nichts. Für sie besteht die Lösung in einer deutlichen Senkung der Zinsen, auch unter den Nullpunkt, wenn es sein muss. Und diesmal musste es sein.

Wolfgang Münchau

Deutsche Ökonomen erreichen diesen Punkt der Diskussion nicht. Ein Zinsniveau unterhalb der realen Wachstumsrate erkennen sie als problematisch an. Als denkbaren Ausweg kennen Sie nur zwei Entwicklungen: die kontinuierliche Geldentwertung und das künstliche Hochprügeln der Wachstumsraten durch staatliche Konjunkturprogramme. Münchau erweitert die Handlungspalette durch seinen Vorschlag, Bargeld mit einem Zinssatz von minus 5 % zu belegen. In der Praxis bedeute dies eine Geldumlauf-Sicherungsgebühr auf die ausgegebene Bargeldmenge. Ein Vorschlag, der nicht neu ist, in der hiesigen ökonomischen Diskussion jedoch ein absolutes Tabu darstellt. Der entscheidende Satz in Münchaus Beitrag lautet:

Eine moderne Zentralbank hat durchaus die technischen Mittel, die Zinsen unter die Nullmarke zu senken.

Wolfgang Münchau

Sein Vorschlag bedeutet, Kosten auf spekulative Geldforderung zu erzeugen. Diese Kosten führen zu einer Verringerung spekulativer Kassen und direkt zu einer Entschärfung der Inflationspotenziale. Ein verstetigter Geldumlauf und dauerhaft niedrige Zinssätze entlasten alle Schuldner, beenden die automatische Selbstvermehrung der Geldvermögen und ermöglichen eine Ökonomie ohne permanentes Wachstum. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Wohlstand ist es zwingend erforderlich, eine Ökonomie zu ermöglichen, die ohne positive Wachstumsraten nachhaltig und langfristig funktionieren kann.

In seiner Financial Times Deutschland Abschlussbilanz schrieb Wolfgang Münchau am 4.12.2012: "Unser Wirtschaftsmodell, das auf extremen Leistungsbilanzüberschüssen basiert, ist ungefähr so nachhaltig wie ein Planet, der sich jedes Jahrzehnt um ein Grad aufheizt." Um Nachhaltigkeit zu ermöglichen und der Klimaaufheizung zu entkommen, muss man den verantwortlichen Ökonomen solange ein Brett vor ihre Köpfe hauen, bis sich in ihren Köpfen etwas bewegt. Es ist zu hoffen, dass gerade linke Ökonomen sich von Dogmen trennen und den Handlungshorizont in ihren Theorien erweitern.

Klaus Willemsen ist freier Referent der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung. Aktuelle Kommentare finden Sie hier.