Hartz-IV-Bescheide für 2013 "ausnahmslos rechtswidrig"?

Der Sozialrechtsexperte Ludwig Zimmermann empfiehlt ALG-II-Empfängern das durchgängige Einlegen von Widersprüchen

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Der Potsdamer Rechtsanwalt Ludwig Zimmermann ist Autor eines Kommentars zum Wohngeldgesetz, mehrerer Fachaufsätze und zweier Bücher zum Arbeitslosengeld II. Nun postuliert er in seinem Blog eine Meinung des Iserlohner Vereins Aufrecht, der zufolge alle derzeit verschickten ALG-II-Bescheide für 2013 "ausnahmslos rechtswidrig" sind.

Zu diesem Schluss kommen der Verein und der der Jurist, weil in den behördlichen Schreiben unter anderem folgende Passage enthalten ist:

Zum 01.01.2013 werden Ihre Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld) neu festgesetzt. Die Festsetzung berücksichtigt die Entwicklung der Preise sowie die Nettolohnentwicklung (§ 20 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II).

Diese Formulierung suggeriert nach Ansicht des Juristen fälschlich, "dass die Neuberechnung der Regelsätze bereits rechtsverbindlich sei", was "nicht der Wahrheit" entspreche. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Annahme eines Vorlagebeschlusses zur Überprüfung der Regelsätze durch das das Bundesverfassungsgericht - seiner Ansicht nach ein "unabweisbarer Beleg", dass man in Karlsruhe "ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der neuen Regelsätze" haben muss. Der Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12) und ein Teil der juristischen Fachliteratur liefern ihm Anhaltspunkte dafür, dass der Klage eine "hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden" kann.

Nomos-Video mit Ludwig Zimmermann

Darüber hinaus machen Zimmermann und Aufrecht zur Untermauerung ihrer Sicht auf Berechnungen aufmerksam, die Rüdiger Böker, ein Mitglied im Deutschen Sozialgerichtstages, anhand des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu den Regelsätzen von 2010 anstellte: Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der Regelsatz auf Basis korrigierter Einkommens- und Verbrauchsdaten auf 631 Euro angehoben werden müsste.

Weitere Argumente finden der Rechtsanwalt und der Verein in der von der Verteilungsforscherin Irene Becker für die Hans-Böckler-Stiftung erstellten Expertise zu den Neuregelungen des SGB II, in einer verfassungsrechtlichen Bewertung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII durch den Berliner Juraprofessor Johannes Münder sowie in Lutz Haussteins empirischer Preisdatenanalyse Was der Mensch braucht.

Dass auch Richter "ernste Bedenken an der Festsetzung der neuen Regelsätze haben" zeigt Zimmermanns Wahrnehmung nach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Fällen reiner Regelsatzklagen an Landessozialgerichten. Er empfiehlt deshalb Hartz-IV-Betroffenen, zur Vermeidung finanzieller Nachteile "unbedingt […] gegen jeden einzelnen Bescheid das Rechtsmittel des Widerspruchs einzulegen".

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