Übergewicht als Problem der nationalen Sicherheit

Richtig gemütlich und körperlich entspannt kann man als Predator-Pilot seinen Einsatz machen. Bild: Pentagon

Die Zahl der fettleibigen US-Soldaten ist trotz Krieg in den letzten Jahren stark angestiegen, jetzt wird man bei den Rekruten kritischer, die aber auch immer dicker werden

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Auch das angeblich harte Soldatenleben schützt selbst in Zeiten des Kriegs nicht vor Übergewicht. Zumindest ist dies so bei der US Army. 2008 waren nach einem Bericht des Armed Forces Health Surveillance Center 60 Prozent der aktiven Soldaten und 40 Prozent der Soldatinnen übergewichtig. 13 Prozent waren sogar fettleibig, 1995 hatten nur 5 Prozent so viel Fett zugelegt.

US-Soldaten werden zu dick fürs Training. Bild: US-Army

Aber nicht nur die Soldaten sind zu dick, allmählich hat die Army auch Probleme, neue Rekruten zu finden, weil zunehmend mehr auch schon zu dick sind. Fettleibigkeit gilt gar schon als Bedrohung der nationalen Sicherheit, so etwa Ex-Generalleutnant Mark Hertling. Der Feind kommt aber nicht von außen, die tickenden Bomben kommen aus der eigenen Bevölkerung, die den Aufnahmebedingungen für das Militär nicht mehr genügen. Gesellschaft und Militär driften also schon im Hinblick auf den Umgang mit dem Körper auseinander.

Hertling war, als er das Ausbildungssystem der Army 2009 überprüfen sollte, auf den Umstand gestoßen, dass 75 Prozent der Zivilisten, die sich für den Militärdienst beworben hatten, nicht geeignet waren, vor allem wegen ihrer leiblichen Fülle. Und von den 25 Prozent, die dünn genug wären, hätten es 65 Prozent nicht geschafft, den Test zum körperlichen Training am ersten Tag zu bestehen: "Die jungen Menschen, die in die Streitkräfte eintreten, konnten nicht rennen, springen, fallen oder sich abrollen, also all das, was man von Soldaten erwarten würde, wenn sie kämpfen müssen."

Allerdings sorgt das Pentagon bereits kräftig dafür, dass immer weniger Soldaten auf dem Boden und gar gehend, laufend, kriechend oder kletternd tätig werden müssen, sondern ihrer Arbeit auch sitzend in Fahrzeugen oder vor Bildschirmen nachkommen können, beispielsweise wenn sie die technischen Ersatzkörper von Robotsystemen wie Drohnen mit dem Joystick steuern. Da kann man durchaus dick sein und neben der kriegerischen Arbeit am Bildschirm hin und wieder mal Chips futtern und eine Coke trinken. 2010 war Fettleibigkeit am meisten bei Frauen und dann bei Soldaten der Luftwaffe und der Marine verbreitet, deren körperlicher Einsatz wohl nicht so groß ist. Auch die älteren Soldaten neigen mehr zum Dicksein. Sie haben die bequemeren Jobs und teilen das Schicksal mit der allgemeinen Bevölkerung.

Aber beim Armed Forces Health Surveillance Center heißt es, dass die Epidemie der Fettleibigkeit kritisch für das Pentagon sei, weil der Militärdienst "inhärent körperlich fordernd" ist und "körperliche Kraft und Ausdauer" verlangt. Übergewicht ist militärisch ein Problem, so liest man im Bericht, weil es mit einer "reduzierten militärischen Leistungsfähigkeit", aber auch mit akuten und chronischen Erkrankungen einhergeht. Die Soldaten werden öfter krank, haben Gelenk- oder Rückgratprobleme und müssen medizinisch betreut werden. Da wird das überkommene Bild des Infanterie- oder Marinesoldaten an der Front heraufbeschworen, das auch dafür sorgt, dass das körperliche Training mitsamt Gehorsam bei der Ausbildung so wichtig bleibt.

Weil das so ist, habe man angenommen, dass Soldaten gegenüber der Epidemie der Fettleibigkeit weitgehend immun seien. Der Bericht will demonstrieren, dass dies eben nicht der Fall ist, was eben auch bedeutet, dass der soldatische Alltag ein anderer geworden ist. So wird denn auch gerügt, dass die Soldaten, wenn sie sich nicht im Einsatz befinden oder sie ausgebildet werden, in "zivilen Nachbarschaften" leben, dort einkaufen und ihre Freizeit verbringen. Das führt zu Nachlässigkeiten, da es hier überall Fastfood-Restaurants und "körperlich passive Freizeiteinrichtungen (z.B. Computerspiele, Fernsehen, Kinos) gibt. Das sei auch so in militärischen Siedlungen: "Ernährungsfitness" müsse daher auf allen Ebenen eine Priorität sein.

Seit längerem, besonders seit 2003, also dem Beginn des Irak-Kriegs, ist die Zahl der Übergewichtigen und Fettleibigen im Militär angestiegen. Zwischen 1998 und 2010 hat sich die Zahl der fettleibigen Soldaten verdreifacht. Das ist tatsächlich eine enorme Zunahme. Nach der Washington Post werden deswegen Kommandeure angehalten, wegen ihres Gewichts mutmaßlich kampfunfähige Soldaten auszusortieren. Die Pentagon-Sprecherin Leslie Hull-Ryde erklärt nach der Washington Post, was auch schon Mark Hertlinggesagt hat: "Eine gesunde und fitte Streitkraft ist für die nationale Sicherheit entscheidend. Unsere Soldaten müssen körperlich darauf vorbereitet sein, jeden Augenblick irgendwo auf der Welt unter extrem strengen und anstrengenden Bedingungen eingesetzt zu werden."

Körperliche Fitness, weil früher die Soldaten so sein mussten? Bild: US-Army

Weil das Pentagon sparen muss und Kriegseinsätze seltener werden, kann man wählerischer werden. In Kriegszeiten, als Auslandseinsätze drohten, waren die Bewerber rarer, weswegen man auch nicht so auf die körperliche Fitness achtete. Das war so vor allem 2003, als Präsident Bush in den Irak-Krieg zog. Seltsamerweise, aber praktisch nachvollziehbar, werden die Anforderungskriterien gesenkt, wenn es wirklich zum Krieg kommt. Das war auch schon so nach dem ersten Golfkrieg so. 2007 wurden mit 112 die wenigsten Soldaten wegen Übergewicht entlassen. Es war das Jahr, in dem die schwersten Kämpfe stattfanden.