Starker Anstieg der Verfolgung von Blasphemie auf Facebook und Twitter

Die IHEU hat ihren Gedankenfreiheitsbericht 2012 veröffentlicht

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Die Internationale Humanistische und Ethische Union (IHEU) ist der Dachverband von mehr als 100 Freidenkerorganisationen weltweit. Am Montag, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, veröffentlichte sie einen Gedankenfreiheitsbericht, der aus 60 Ländern Diskriminierungen von Menschen sammelt, die keiner traditionellen Religion anhängen.

Darin werden nicht nur Gesetze aufgeführt, die Atheisten Meinungsäußerungen, Ehen, den Universitätsbesuch, die Übernahme öffentlicher Ämter, den Staatsdienst oder den amtlichen Abfall vom Glauben ihrer Väter verbieten und ihnen die Staatsbürgerschaft oder sogar das Recht auf Existenz entziehen, sondern auch zahlreiche konkrete Fälle von Verfolgung. Dabei nehmen Soziale Medien wie Facebook und Twitter eine immer wichtige Rolle ein: Während es in den Jahren 2009 bis 2011 zusammengerechnet nur drei spektakuläre Fälle der Verfolgung von Meinungsäußerungen auf diesen Portalen gab, machten 2012 mehr als ein Dutzend Schlagzeilen.

So wurde beispielsweise in Indonesien der 31-jährige Alexander Aan wegen Blasphemie zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er auf der von ihm gegründeten Facebook-Seite Ateis Minang (Minang-Atheist) die seit Ludwig Feuerbach eigentlich nicht weiter bemerkenswerte Meldung "Gott existiert nicht" gepostet hatte. Zehntausend Kilometer weiter westlich, in der Türkei, droht dem international renommierte Pianisten Fazil Say das Gefängnis, weil er sich auf Twitter angeblich fragte, warum die islamische Paradiesvorstellung ausgerechnet mit Wein und willigen Weibern lockt – wie auf Erden die Wirtshäuser und die Bordelle. Ein anderer seiner (mittlerweile gelöschten) Tweets soll sich darüber gewundert haben, warum "Narren oder Diebe" an Gott glauben – und ob dies ein religiöser Widerspruch ist. Und ein dritter drehte sich türkischen Medienberichten zufolge um scheinheilige Gebetsrufer, die ihren vorgegebenen Text vielleicht deshalb so hastig absolvieren, weil geistige Getränke auf sie warten könnten.

In Ägypten, wo 2012 der autoritäre Staatspräsident Mubarak stürzte und durch den ebenfalls autoritären Islamisten Mohammed Mursi ersetzt wurde, landeten gleich eine ganze Reihe von Fällen auf der Liste der IHEU: Alber Saber Ayyad, dem Gründer einer atheistischen Gruppe auf Facebook, wird am heutigen 12. Dezember der Prozess wegen eines bloßen Links auf den YouTube-Clip Innocence of Muslims gemacht. Ihm droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe, zu der zwei junge Ägypter bereits wegen des Einstellens bloßer Karikaturen verurteilt wurden: Der 17-jährige Gamal Abdou Massoud muss dafür drei Jahre in Haft, der Schullehrer Bishoy Kamel sogar für sechs.

Gérontas Pastítsios

Eine ähnliche Entwicklung wie in Ägypten gab es in Tunesien, wo nun statt des Langzeitpräsidenten Ben Ali die islamistische Ennahda-Partei herrscht. Unter ihrer Rechtsordnung statuierte man an den beiden jungen Atheisten Jabeur Mejri und Ghazi Beji Exempel und verurteilte sie wegen Mohammed-Nacktzeichnungen auf Facebook zu siebeneinhalb Jahre Gefängnis. Beji konnte sicht rechtzeitig nach Europa absetzen, aber Mejri sitzt trotz Intervention von Amnesty International in Haft.

Doch auch in Europa scheint es für die Meinungsfreiheit nicht sonderlich viel Beinfreiheit zu geben: Nachdem ein 27-jähriger Grieche auf Facebook seit 2011 Cartoons über den von ihm erfundenen Pastafari-Mönch Gérontas Pastítsios und den Wunderglauben seiner Landsleute einstellte, wurde er im September 2012 in Untersuchungshaft genommen und wegen Bekenntnisbeleidigung angeklagt.

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