Die Angst vor der Hyperinflation

Geldauflieferungsstelle der Reichsbank in Berlin. Bild: Deutsches Bundesarchiv ( Bild 183-R1215-506). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Während aktuell niemand weiß, wie die Notenbanken die gewaltige Geldschwemme der letzten Jahre jemals wieder abbauen wollen, zeigt das Beispiel der deutschen Inflationszeit der frühen 1920er Jahre, dass es für eine realistische Chance auf eine Hyperinflation bislang noch an entscheidenden Voraussetzungen mangelt

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Auch wenn bald wohl niemand mehr am Leben sein wird, der sich noch an die deutsche Inflationszeit von 1920 bis 1924 erinnert, bleibt diese Finanzepisode anscheinend doch so fest in die kollektive Erinnerung eingebrannt, dass kein Regierungspolitiker sich traut, in geldpolitischen Angelegenheiten unschöne Sachverhalte einzugestehen. Mit der groben Kelle werden gleichzeitig Ängste geschürt, und kaum ein Populist sieht davon ab, hysterisch geifernd darzulegen, dass die aktuelle Politik der EZB zwangsläufig zu einer vergleichbaren Eskalation der monetären Verhältnisse führen müsse. Indes genügt ein Blick in die Geschichte, um zu sehen, dass die damaligen Verhältnisse kaum mit der aktuellen Lage vergleichbar sind und die Stabilität des Geldwertes damals unter entschlossener politischer Führung auch rasch wieder hergestellt werden konnte.

Die deutsche Inflationszeit von 1920 bis 1924

Aber kurz einen Blick auf die monetäre Situation Anfang der 1920er Jahre. Die in Deutschland umlaufende Mark hatte während des Kriegs rund die Hälfte ihres Werts verloren, was bedeutet, dass man 1918 für zwei solche "Papiermark" eine "Goldmark" erhielt, die im internationalen Verkehr verwendet wurde und für die die Deutsche Reichsbank bis zum Kriegsausbruch die Einlösung in Gold garantiert hatte. Im November 1923 erhielt man für eine Goldmark bereits eine satte Billion Papiermark, die freilich niemand mehr freiwillig eingetauscht hätte, weil wenig später noch viel mehr Papier bekommen hätte, für das Papier aber keine realen Güter.

So war mit dem Krieg die Zeit des legendären britischen Goldstandards beendet worden, zu dem im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts der gesamte Welthandel übergegangen war - und das mit großem Erfolg. Mit Kriegsausbruch waren aber bereits auch die Exporte zusammengebrochen, weshalb das kriegsbegeisterte Deutschland zuerst weite Teile der privaten Goldvorräte zur Verfügung stellte, damit gegen Gold, das nun fast allein als internationales Zahlungsmittel fungierte, aus dem Ausland dringend benötigte Rohstoffe beschafft werden konnten.

Anders als Großbritannien, das der Bevölkerung zur Kriegsfinanzierung hohe Steuern auferlegte und dabei besonders diejenigen heranzog, die vom Krieg profitierten, begab das Deutsche Reich stattdessen Kriegsanleihen. Die Bevölkerung konnte sich so der Illusion hingeben, nach dem Sieg in unverändertem Wohlstand leben zu können, allerdings konnte Deutschland die Kriegsanleihen nicht begleichen und noch viel weniger die gewaltigen Reparationszahlungen, die Deutschland von den Siegern auferlegt wurden und die in Gold bzw. Devisen zu bezahlen waren.

In immer wachsendem Maße musste das Reich auf die Reichsbank zurückgreifen, um seine Existenz zu fristen.

Notenbanker Geheimrat von Grimm (1926)

Dennoch war es unmittelbar nach Kriegsende zu einem kurzen Boom gekommen, in dem offenbar die letzten Ersparnisse für Nachholbedarf und Umrüstungsversuche der Wirtschaft mobilisiert wurden. Da die Papiermark aber nur in Deutschland Kaufkraft hatte, verfügte die Industrie nicht über die Mittel, im Ausland dringend benötigte Rohstoffe zu beschaffen, weshalb Exporte auch dann wohl völlig unmöglich gewesen wären, wenn Nachfrage bestanden hätte.

Menschenmenge vor einer Bäckerei in Berlin. Bild: Deutsches Bundesarchiv (Bild 146-1970-051-11). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Da die Wirtschaft bald völlig am Boden lag und die Franzosen noch dazu das Ruhrgebiet besetzt hatten, reichten die Steuereinnahmen bald nicht mehr aus, die staatlichen Minimalfunktionen zu finanzieren, so dass die deutschen Regierungen, die nun in kurzen Abständen an die Macht kamen, nur über ein Mittel verfügten, ihre Ausgaben im Inland zu bestreiten: die Reichsbank. Das zu dieser Zeit amtierende Direktoriumsmitglied Geheimrat von Grimm 1926 erklärte in seiner Festrede zum fünfzigjährigen Bestehen der Reichsbank die Motivlage der Notenbanker:

In immer wachsendem Maße musste das Reich auf die Reichsbank zurückgreifen, um seine Existenz zu fristen. Und weil es sich um die Existenz des Reiches handelte, glaubte die Reichsbank sich auch dann nicht versagen zu können, als ihr durch die Gesetzgebung von 1922 die formelle Autonomie zuteil geworden war.

Folglich wurde der Staatshaushalt dann tatsächlich zunehmend über die Notenpresse finanziert, wozu am Ende vier Papierfabriken rund um die Uhr produzierten, um den Bedarf der Reichsbank zu decken. Zum Geldumlauf der Notenbank kam zudem noch einmal rund dieselbe Mange an "Notgeld", das von Industriebetrieben und lokalen Körperschaften ausgegeben wurde, denen die Notenbank dazu eine Bewilligung erteilt hatte.

1922 wurden bereits fast die gesamten Staatsausgaben in den besetzten westrheinischen Gebieten von der Notenpresse finanziert, der natürlich bekannt war, dass die aktuellen monetären Verhältnisse nur in die Katastrophe führen konnten. So ist es seit Bestehen von Notenbanken so etwas wie ein Naturgesetz, dass die Aufgabe einer Notenbank darin besteht, als legales Zahlungsmittel eine stabile Währung bereitzustellen. Zwar wurden schon von Anfang an auch alle Arten von Missbrauch betrieben, nur hatte Deutschland zu diesem Zeitpunkt zusätzlich auch das Interesse, die Unmöglichkeit einer Zahlung der Reparationen zu beweisen, was mit einer Finanzkrise durchaus hätte untermauert werden können. Vermutlich wurde die Krise von etlichen Politikern auch herbeigesehnt, und tatsächlich sollten derartige Fragen in einer parlamentarischen Demokratie im Parlament entschieden werden und nicht von einer demokratisch nicht legitimierten Notenbank, was auch geschah.

Der Kampf um Bereicherung und um Vermögenserhaltung führte zu einer moralischen Vergiftung des gesamten Geschäftslebens.

Hjalmar Schacht

Die Entscheidungen des weitgehend handlungsunfähigen Parlaments, das immer wieder auch Versuche unternahm, die Währung zu stabilisieren, reichten jedenfalls nicht aus, um das Schlimmste zu verhindern. Der Banker Hjalmar Schacht, der 1924 innerhalb eines Jahres die Reichsmark stabilisierte und auch unter Hitler noch für die Notenbank verantwortlich war, schildert die Zustände so:

Wie in allen Wirtschaftsfragen ist es auch in Geldsachen so, dass die unterrichteten Kreise Wertveränderungen schneller begreifen als die uninformierte breite Masse. Wer die Inflation frühzeitig erkannte, konnte sich dadurch schützen, das er so rasch wie möglich irgendwelche Güter kaufte, die im Gegensatz zum absinkenden Papiergeld ihren Wert behielten, also Häuser, Grund und Boden, Fabrikate, Rohstoffe und andere Güter. Die Flucht in die Sachwerte ermöglichte es nicht nur wohlhabenden Leuten, sondern insbesondere auch allen gewissenlosen Schiebern, ihr Vermögen zu retten und zu vermehren.

Wer Schulden machen konnte, wurde reich. Der Kampf um Bereicherung und um Vermögenserhaltung führte zu einer moralischen Vergiftung des gesamten Geschäftslebens. Jede Spartätigkeit hörte auf. Wer keine Sachwerte zu kaufen fand, suchte sein Geld so rasch wie möglich für alle möglichen Genussgüter auszugeben. Je weiter die Geldentwertung fortschritt, umso schneller wurde ihr Tempo. Ungeheure Unruhe und steigende Erbitterung bemächtigten sich der handarbeitenden Schichten, der freien Berufe, der Beamten, Angestellten und Rentner, die oft genug nicht einmal ihre tägliche Lebenshaltung aus ihrem Geldeingang bestreiten konnten.

Hjalmar Schacht

In der Folge gingen die Großunternehmen zum Tauschhandel über, auf dessen Basis nun die letzten verbliebenen industriellen Tätigkeiten organisiert wurden, wobei sie ihre Mitarbeiter teilweise mit Lebensmitteln bezahlten, die sie gegen Anspruchsrechte auf ihre Produktion eingetauscht hatten. Während sich die großen Industriebetriebe als stabilisierende Kräfte erwiesen hatten, war die breite Masse am Ende ihrer Ersparnisse und Einkommensmöglichkeiten beraubt, was offenbar so traumatisch war, wie kaum eine andere Episode in der oft durchaus unschönen deutschen Geschichte.

Tapezieren einer Wand mit Ein-Markscheinen, die zum Zeitpunkt der Hyperinflation in der Weimarer Republik deutlich billiger waren als eine Tapete. Bild: Georg Pahl, Deutsches Bundesarchiv (Bild 102-00104). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Wer nun von der Möglichkeit von vergleichbaren Entwicklungen in der Eurozone spricht, sollte wohl bedenken, das Deutschland einen Weltkrieg verlieren musste und mehrere Jahre keine handlungsfähige Regierung hatte, um zu diesen Folgen zu gelangen. Noch dazu bestand ein starkes Interesse, dem Ausland zu demonstrieren, dass Deutschland finanziell nicht lebensfähig sei. Zudem zeigte sich auch, dass die Hyperinflation relativ einfach in den Griff zu bekommen war, als die Politik endlich imstande war, drastische Maßnahmen zu ergreifen und auch der Spekulation Einhalt zu gebieten.

Deflation - Voraussetzung für Hyperinflation

Was freilich nicht heißt, dass die monetären Verhältnisse aktuell nicht bedrohlich wären. Allerdings dürften vor einer allfälligen Hyperinflation eher noch Deflationsszenarien bevorstehen, wo nicht starke Preissteigerungen, sondern Preiseinbrüche das Problem sind.

Im Gegensatz zur Inflation, die offenbar ein monetär-politisches Phänomen ist, ist Deflation ein ökonomisches Problem, das daraus resultiert, dass dem Angebot zuwenig Nachfrage gegenübersteht, was dann auch die Notenbank nicht mehr ändern kann, weil während einer hartnäckigen, auf allgemeiner Überschuldung basierender Depression die normalen geldpolitischen Übertragungsmechanismen mangels Kreditnachfrage nicht mehr funktionieren.

Geldtransport mit Taschen vor der Berliner Reichsbank. Bild: Deutsches Bundesarchiv (Bild 102-00131). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

In der traditionellen Ökonomik wird zum monetären Aspekt gerne die schon 1912 von Irving Fisher vorgestellten Quantitätstheorie des Geldes angeführt, die besagt, dass das Preisniveau vom Verhältnis von Geldmenge und Güterangebot abhängt. Steigt bei gleich bleibendem Güterangebot die Geldmenge, steigen proportional dazu die Güterpreise und umgekehrt. Angesichts der enormen Geldmengenausweitungen durch FED, Bank of England und EZB sollte man also entsprechend hohe Preissteigerungen erwarten, die bislang freilich ausgeblieben sind. Das jedenfalls, wenn man nur die real gehandelten Güter und Dienstleistungen betrachtet, die zwar laufend spürbar teurer werden, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, in dem die Zentralbankgeldmenge zugenommen hat. Die ökonomische Erklärung für das Ausbleiben starker Güterpreissteigerungen liegt nun darin, dass die Notenbank nur die absolute Menge festlegen kann, nicht aber die Umlaufgeschwindigkeit, also wie schnell das Geld von Hand zu Hand geht.

Rückseite eines Million-Markscheines als Rechnungsblock - ein neuer Block würde Milliarden kosten. Bild: Deutsches Bundesarchiv (Bild 102-00193). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Nun bremsen hier offenbar der private Konsum und die Investitionen der Unternehmen, während es bei den Vermögenspreisen freilich ganz anders aussieht. Denn die wurden und werden laut BIZ (Anzeichen für den nächsten Börsencrash) in weiten Teilen der Welt von einem jahrzehntelangen Finanzzyklus in lichte Höhen getrieben und befinden sich folglich in permanenter Absturzgefahr. Das kann von Immobilien, Akten und Anleihen über Gold und Rohstoffe letztlich alle belehnbaren Sachwerte betreffen, deren weltweit kräftig überzogenen Preise zwar sicherlich massiv zur herrschenden Unsicherheit beitragen. Jedoch scheinen die Banken aktuell eher bereit zu sein, Finanzinvestitionen zu finanzieren als realwirtschaftliche Ausgaben.

Aber egal, wo die Notenbankgelder letztlich landen, im heutigen Geldsystem kann das Zentralbankgeld das Bankensystem nur in der Form von Bargeld verlassen, das heute nur noch einen minimalen Anteil am umlaufenden Zentralbankgeld hat. Der Rest wird auf den für jede Geschäftsbank von der Zentralbank geführten Konten hin und her geschoben und kann in Summe nur reduziert werden, wenn die Notenbank Wertpapiere aus ihrem Bestand gegen Reserven verkauft. Dabei muss jede Bank entsprechend ihrem Geschäft auf ihren Notenbankkonten eine Mindestreserve führen, wobei das, was über das vorgeschriebene Maß hinaus geht, als "übermäßige Reserven" bezeichnet wird. Kauft bzw. verkauft jedoch eine Geschäftsbank Aktien oder finanziert sie einen Immobilienkauf, wandern die dafür nötigen Reserven schlicht auf das Konto der Bank, die die Konten des Verkäufers führt, bleiben aber als Guthaben im System.

Financial Compression statt Hyperinflation

Dort werden sie jedoch nur minimal verzinst und sind für die Banken somit kein Geschäft, woraus sich schließen lässt, dass europaweit derzeit ein großer Mangel an realwirtschaftlich orientierten Kreditnehmern besteht, denen die Banker auch Kredite geben würden. In großem Umfang geschieht dies anscheinend also nur für die Finanzierung von Vermögenswerten, was in Krisenzeiten seitens der Bank insofern verständlich ist, als hier die finanzierten Vermögenswert als Sicherheit zur Verfügung stehen.

So lange diese Reserven aber nicht als Kredite in der Realwirtschaft landen und dort über Konsum oder Investitionen zu steigender Nachfrage und steigenden Preisen führen, besteht aus Sicht der Notenbank also kein echtes Problem. Ist dies jedoch der Fall, dann müsste sie die übermäßigen Reserven aus dem System entfernen, indem sie ihr Wertpapierportfolio abverkauft, was bis auf weiteres aus Sicht der Finanzmarktstabilität aber undenkbar erscheint. Ebenso könnte die Notenbank die Reserveverpflichtungen erhöhen, was sich zwar gleichfalls als problematisch herausstellen dürfte, vermutlich aber nicht zu ähnlich schweren Verwerfungen führen würde wie allein schon die Ankündigung eines Abverkaufs.

Menschen stehen Schlange vor einem Geschäft. Bild: Deutsches Bundesarchiv (Bild 146-1971-090-14). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Der dafür verantwortliche ungesunde Zustand des Großbankensystems dürfte gleichzeitig aber auch eine Garantie dafür sein, dass nicht wieder übermäßig Kredite ausgereicht werden und stark steigende Inflationsraten verursachen, was jedoch politisch durchaus erwünscht sein könnte. Denn angesichts des enormen Niveaus der privaten wie öffentlichen Verschuldung dürfte das angestrebte Szenario in einer sanften Inflation liegen, während der die Langfristzinsen mehrere Jahre lang deutlich unter der Inflationsrate liegen, so dass sich zumindest die Staaten, denen die Billigzinsen eingeräumt werden, sich über diese Differenz entschulden können ohne ihren Bürgern direkte Steuern aufzubürden. Betroffen wären allerdings die Sparer, die bei ihrer Bank keine adäquate Verzinsung erhalten, sowie Einkommensbezieher denen die Inflationsabgeltung verweigert werden kann, weshalb diese als "Financial Repression" bezeichnete öffentliche Entschuldungspolitik durchaus als Massensteuer betrachten werden kann.

Nach dem 2. Weltkrieg war es der damals öffentlich hoch verschuldeten USA allerdings gelungen, diese Politik mit hohen Wirtschaftswachstumsraten zu verbinden, was die Angelegenheit für die Bevölkerung anscheinend durchaus erträglich gemacht hatte. Erwartungsgemäß wird dies in Europa zwar eher nicht gelingen, und in jedem Fall werden auf diese Weise diejenigen am meisten zur Entlastung des Staatshaushaltes beitragen, die sich am wenigsten dagegen wehren können. Ein Hyperinflationsszenario wäre das aber noch lange nicht.