Wissen und Lernen und "Religionsmafia"

Kreationismus und Islam: Eine Konferenz, die sich mit dem Verhältnis von Muslimen zur Evolution beschäftigt, stößt auf Widerstände

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Die beiden Religionen, Christentum und Islam, haben viel gemeinsam. Nicht die geringste Gemeinsamkeit besteht darin, dass sich beide Weltregionen auf eine heilige Schrift stützen, deren buchstäbliche, von der menschlichen Entstehungsgeschichte der heiligen Bücher völlig absehende, Auslegung betonierte Auffassungen produziert, die mit wissenschaftlichen Erkenntnissen kollidieren, vornehmlich mit denen aus der Evolutionstheorie. So ist es keine Überraschung, dass es auch unter Angehörigen der islamischen Religion "Kreationisten" gibt, die sich gegen die Erkenntnisse aus der Evolutionstheorie verbarrikadieren.

Von Offenheit kann kaum die Rede sein, wenn man sich beispielsweise die Reaktionen vor Augen führt, auf die ein Diskussionsprojekt des Deen Instituts in Großbritannien jüngst gestoßen ist.

Das Institut hat sich „Wissen und Lernen“ zur Aufgabe gemacht - mit Fragestellungen, welche die moderne Gesellschaft mit islamischen Traditionen konfrontiert. Der Anspruich, den das Institut an sich stellt, heißt: „Muslime, die in einer modernen Welt leben, müssen sich mit einer großen Bandbreite an Ideen und Glaubenssystemen beschäftigen.“ Für Anfang nächsten Jahres hat man eine Konferenz zur Evolution anberaumt.

Die provokant formulierte Themenstellung "Haben Muslime die Evolution missverstanden?" führte schon im Vorfeld zu Konflikten. Die Veranstaltung musste den Ort wechseln, Studentenvereinigungen verweigerte ihre Unterstützung, die Veranstalter wurden bei den Vorbereitungen mit Beschwerden überschüttet, wird berichtet. Aber auch der Organisator, Adam Deen, ein Muslim, der sich selbst als „konservativ“ bezeichnet, spart nicht mit drastischen Worten:

Dies ist symptomatisch für ein größeres Problem in der muslimischen Welt, wo Personen, die praktizierende Muslime repräsentieren, sich stärker als Buchstabengetreue darzustellen haben. Es ist fast so, als ob es eine intellektuelle Mafia-Bewegung gäbe, die überhaupt keine Gedankenfreiheit erlaubt.

Die geladenen Teilnehmer decken unterschiedliche Positionen ab. So vertritt Oktar Babuna die Positionen von Harun Yaha (mit bürgerlichem Namen Adnan Oktar), der auch in Deutschland schon auf sich aufmerksam machte, als vor fünf Jahren den „Atlas der Schöpfung“ verschickte (Weil nicht sein kann, was nicht sein darf). In einem Interview mit dem Spiegel erklärte er in einer seltsam verschrägten Argumentation den Darwinismus als Ursache für den Terrorismus.

Der Darwinismus ist die Grundlage für Hitlers und Mussolinis Faschismus und Stalins Kommunismus. Und wenn wir uns die Gegenwart anschauen, dann sehen wir, dass alle Terroristen - auch diejenigen, die sich selbst als Muslime betrachten - in Wahrheit Darwinisten und Atheisten sind. Ein gläubiger Mensch, der regelmäßig betet, legt keine Bomben. Das machen nur Menschen, die vorgeben, Muslime zu sein - oder Darwinisten, die klar sagen, dass sie Terroristen oder Kommunisten sind. Folglich sind sie alle Darwinisten.

Der ebenfalls geladene Biologe und Gen-Forscher Ehab Abouheif hat dagegen mit solchen simplizistischen Sichtweisen nichts am Hut. Was auf dem Spiel stehe, gehe über den Evolutions/Kreationismus-Streit im engeren Sinn hinaus, wird er zitiert. Es gehe darum, wie man mit Beweisen allgemein, die von der Wissenschaft kommen, umgeht. Wer die Evolution als Wissenschaft ablehne, werde auch Beweise aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen ablehnen.

Geht es nach Einschätzung eines Autors der Giordano Bruno-Stiftung so ist, unbeschadet einer Zunahme des „old-earth“-Kreationismus unter Moslems, die stärkere Tendenz jene, die an den "unaufhaltsam steigenden Bildungsstand in aller Welt gekoppelt" ist.