"Tödliche Mittel" statt Schusswaffen

Wie die US-Forschung unter den politischen Korrektheitszwängen der Republikaner leidet

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Nach dem Grundschulmassaker von Newtown ist in den USA die Debatte um eine Verschärfung der Waffengesetze neu entbrannt. Die Wissenschaft liefert zu der Frage, inwieweit bürokratische Hindernisse beim Waffenkauf und beim Waffenbesitz tatsächlich dazu beitragen, Tote und Verletzte zu verhindern, bislang keine eindeutigen Hinweise.

Während Studien aus Australien und Österreich darauf hindeuten, dass man mit den dortigen Verschärfungen positive Ergebnisse erzielte, konnte eine sechs Jahre nach dem Erlass des 1994 in den USA inkraftgetretenen Brady Handgun Violence Prevention Act abgeschlossene Untersuchung lediglich einen Rückgang der Selbstmorde in der Altersgruppe über 55 feststellen. Eine 2003 in Florida durchgeführte Erhebung kam sogar zu dem Ergebnis, dass das Gesetz gar keine Auswirkungen hatte.

Dass die Menge an US-Studien mit kritischem Ergebnis begrenzt ist, liegt auch an einer Klausel, die die Republikanische Partei 1996 durchsetzte. Bis dahin finanzierten die Centers for Disease Control (CDC), die sich mit Todesursachenforschung beschäftigen, solche Studien. Immerhin sind Schussverletzungen bei Amerikanern im Alter von 10 bis 19 die zweithäufigste Todesursache - nach den Verkehrsunfällen. Nachdem es der Republikanischen Partei Mitte der 1990er Jahre nicht gelang, das zu den CDCs gehörige National Center for Injury Prevention and Control (NCIPC), das solche Untersuchungen in erster Linie finanzierte, schließen zu lassen, setzte Jay Dickey, ein Abgeordneter aus Arkansas, der heute als Lobbyist arbeitet, über einen Budgetdeal mit dem damaligen Präsidenten Bill Clinton ein Verbot der Finanzierung oder Bezuschussung von Studien durch, die dazu eingesetzt werden könnten, schärfere Waffengesetze zu "empfehlen".

Jay Dickey. Foto: United States Congress.

Seitdem werden alle Forschungsvorhaben zu Schusswaffen von den CDCs aus Angst vor Budgetkürzungen nur noch mit extremer Vorsicht angefasst. Die Angst vor der Klausel geht Stephen Teret vom Johns Hopkins Center for Gun Policy and Research zufolge sogar so weit, dass sich eine besondere Form der politischen Korrektheit entwickelt hat und man sogar in den allgemeinen Studien über Morde und Selbstmorde das Wort "Schusswaffen" wenn möglich durch unscharfe Ersatzbegriffe wie "tödliche Mittel" ersetzt.

Dennis Rehberg. Foto: United States Congress.

Weil sich der Dickey-Knebel als sehr effektiv erwies, passten ihn republikanische Politiker im Laufe der Zeit auch auf andere Behörden an: 2003 setzte Todd Tiahrt, ein Republikaner aus Kansas, durch, dass das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF) keine Daten zu Schusswaffen mehr an die Öffentlichkeit herausgegeben darf. Und im letzten Jahr ergänzte Dennis Rehberg, ein GOP-Abgeordneter aus Montana, das Haushaltsgesetz für 2012 um einen Zusatz, der den National Institutes of Health (NIH) dieselbe Schusswaffenstudien-Finanzierungsschranke auferlegt wie den CDCs.

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