To: You. From: You

Angeblich beschenken sich die Menschen auch beim Weihnachtsshopping immer öfter selber

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Manche gehen schon in kein Geschäft mehr und kaufen alle Weihnachtsgeschenken ohne jeden Stress online, Stress haben nur die Verpacker und vor allem die Auslieferer. In Großbritannien werden nach einer Umfrage 3,4 Millionen Briten keinen Laden mehr betreten, das sind immerhin schon 7 Prozent der Erwachsenen. Selbst wer noch Shoppen wie in früheren Zeiten geht oder gegangen ist, wendet sich teilweise dem Internet zu und flaniert lieber einsam durch die Online-Shops, als sich in der Masse durch die Geschäfte zu quetschen und an Kassen anzustehen.

Allerdings scheint sich überhaupt das Kaufverhalten allmählich zu ändern. Man sollte meinen, wenn man noch aus der alten Zeit stammt, dass im Weihnachtsgeschäft vorwiegend Geschenke für andere gekauft werden. Das muss aber nicht unbedingt stimmen. Hört man sich um, so wird schon gerne mal zugegeben, dass man auch mehr und mehr Geschenke für sich selbst kauft - zu Weihnachten, aber auch sonst zu jeder Zeit. Also etwas, was man nicht alltäglich braucht, sondern etwas, womit man sich verwöhnen will, vielleicht auch, weil man so wenig bekommt, was man auch schätzt. Oder weil man als Single auch weniger in eine Familie eingebunden oder eingezwängt ist.

Da gerät man wohl in keinen verausgabenden Potlatch, wenn man nicht kaufsüchtig ist, was gelegentlich im sich aufschaukelnden Geschenkezwang schon mal passieren kann, aber das Theater des Schenkens und Nehmens, der Zirkel der Verschuldung oder die Ankunft eines überraschenden Präsents verschwindet ebenso wie die Mühen, sich für andere Geschenke auszudenken. Weil man aber selbst oft genug nur einfallsloses oder unpassendes Zeug erhält, das man bestenfalls umtauscht, weiter verschenkt oder gleich wegwirft, kann es auch zu einem Geschenk werden, den anderen gleich nichts mehr oder nur anonymes und abstraktes Geld oder Gutscheine zu schenken, so dass sie sich wenigstens das Richtige kaufen können.

Andererseits haben viele Menschen eigentlich schon alles, weitere Geschenke sind überflüssig oder es wird zunehmend schwer, etwas Individuelles zu finden. Der Überdruss herrscht, das Einzelne ist schon entwertet, wie das bei den Tausenden von MP3-Dateien oder Hunderten von Filmen oder eBooks in den Speichern unserer Geräte oder in den Clouds der Fall ist.

Auf das Thema stieß ich durch einen Artikel in der Washington Post, in dem behauptet wird, dass Amerikaner seit Jahren zunehmend dazu neigen, sich selbst zu beschenken, obgleich sie eigentlich losgezogen waren, ein Geschenk für einen anderen zu suchen. Die Menschen seien gieriger auf Geschenke als früher, sie hätten eher das Gefühl, solche öfter auch mal verdient zu haben - und kaufen sich daher eher etwas als Geschenk für sich selbst. Für Familienmitglieder wird zwar weiterhin ähnlich viel wie vor zehn Jahren ausgegeben, nicht aber für Freunde oder Arbeitskollegen. Die Bereitschaft fiel nach einer Umfrage zwischen 2004 und jetzt von 80-71 Prozent auf 38-31 Prozent. Über 79 Prozent der 18-24-Jährigen wollen etwas für sich selbst kaufen, bei den älteren Menschen sind es zwar weniger, aber immer noch gute die Hälfte hat dies vor. Die Werbung hat schon längst reagiert. Letztes Jahr zu Weihnachten hat J. Crew den Slogan ausgegeben: "To: You, From: You" oder Starbucks: "One for you, one for me".

Dramatisch wird gefragt, ob das alte Konzept des Geschenks in Gefahr sei. Die Neigung, sich selbst etwas zu schenken, sei eine Folge der wirtschaftlichen Probleme, der immer härteren Konkurrenz im Dezember, die auf die Preise drückt. Die Menschen würden nun für ihre eigenen Einkäufe auf die Preisnachlässe warten. Zudem würden die Geschenke nicht mehr selbst eingepackt, sondern in fertige Geschenkbeutel mit Geschenkkarten aus dem Supermarkt gesteckt. Wenn man Geschenke online bestellt und verschicken lässt, hat man weiter gar nichts mehr damit zu tun.