Apokalypse Germany

Die Welt geht doch nicht unter? Mag ja sein. Deutschland allerdings schon - hier die 12 wichtigsten Gründe warum

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wir haben es vernommen: Die für morgen, Freitag, den 21.12.2012, im Mayakalender verzeichnete und allerorten eigentlich schon sicher angenommene Apokalypse wurde wieder abgesagt. Lesefehler. Der Weltuntergang findet also vorläufig nicht statt - mag schon sein. In Deutschland allerdings mehren sich die Anzeichen, dass das Land seine Zukunftsfähigkeit längst verloren hat und der Untergang unmittelbar bevorsteht.

Die Zukunft liegt nicht mehr im Zweck, nicht mehr im Plan. Sie wird vielmehr wie einst das Jüngste Gericht als Überraschung kommen

Niklas Luhmann, Soziologe

Suhrkamp zerbricht, "Wetten daß...?" verschwindet, der Berliner Flughafen wird nie fertig - genausowenig wie die Elbphilharmonie und Stuttgart 21. Die Bahn wird nicht nur immer teurer, sondern auch immer unpünklicher und Siemens schafft es nicht, ICEs zu liefern. Aber auch sonst klappt nichts mehr: Die Deutsche Bank weiß nicht, wie man anständig Steuern hinterzieht, die deutsche Industrie will nicht mehr bestechen. Wie soll das bloß weitergehen? 12 Gründe, warum es eben so nicht weitergeht.

1. Die Deutschen werden immer weniger

Nein, nein, nein, um demografische Katastrophen, wonach "die Deutschen" angeblich aussterben, oder um jene Meldung, die gerade erst durch die Nachrichtensendungen geisterte, dass in Deutschland die Frauen, vor allem die klugen und reichen, immer weniger Kinder bekommen (wollen), geht es hier wirklich nicht.

Dieses Problem könnte man schnell durch kinderfreundliche Gesetze, einen Ausbau von Kinderbetreuungsmaßnahmen wie sie in Frankreich und Skandinavien längst die Regel sind, in den Griff kriegen. Vor allem natürlich durch eine vernünftige Einwanderungspolitik.

Spätestens seit der Völkerwanderung hat Deutschland seine Fähigkeit zur Integration neuer Bevölkerungsgruppen bewiesen: Die Polen, die Türken, sogar zuletzt die Ostdeutschen. Zu einer zeitgemäßen Integrationspolitik ist man hierzulande allerdings unfähig. Deutschland ist ein Einwanderungsland.

Diesen schlichten Hauptsatz aus vier Worten bringen Politiker der CDUSPDFDP mehrheitlich nicht über die Lippen, geschweige denn in Gesetzesform. Obwohl dies in seltener Einigkeit von Industrieverbänden und Gewerkschaften, Kirchen und Sozialverbänden gefordert wird. Aus Angst vor ein paar Neonazis, Arbeitslosen und CSU-Stammwählern.

2. Die Deutschen werden immer dümmer

Da sind wir beim nächsten Punkt: Die Bildungsmisere. Die Kanzlerin möchte zwar Gesundheitsunterricht an den Schulen einführen, die Stunden für Deutsch und Mathe, Geschichte und Englisch, Biologie und Kunst werden aber gekürzt, der Unterricht wird schlechter, die Kinder blöder. Sie sollten mehr wissen für eine immer kompliziertere Welt, wissen aber immer weniger. Universitäten und Ausbilder schlagen Alarm.

Dabei sieht es gerade an den Universitäten nicht besser aus. Wir sagen hier nur: "Bologna". Das Studium wird verschult und zur Verwertbarkeit degradiert. Kurzfristiges Wegwerfwissen nimmt zu, das wichtigste Ausbildungsziel - Selbstbewusstsein - wird immer weniger erreicht. Wird ja eigentlich auch immer weniger gewollt.

Aber wie sollen die Kinder auch klug sein, wenn es ihre Eltern nicht sind. Jedenfalls nicht mehrheitlich. Ein Indiz: Die abnehmende Qualität des Fernsehens und die zunehmende Quantität des Fernsehkonsums. Solange sich Programmmacher auf erfolgreiche Quoten berufen können, muss sich am Programm auch nichts ändern. Eine klare Minderheit guckt arte oder schafft die Glotze ab, lässt die Kinder Chinesisch lernen und Klavierunterricht nehmen. Die Folge: eine neue Bildungsklassengesellschaft.

3. Der deutsche Kulturinfakt

Auch hier erstmal Vorsicht: Der Kulturinfarkt ist nur zum geringen Teil das, was irgendwann im Frühjahr unter diesem Schlagwort durch die Gazetten geisterte. Klar ist zwar, dass viel Geld für die Kultur an falscher Stelle ausgegeben wird. Klar ist aber auch, dass man am besten noch viel mehr Geld für die Kultur ausgeben müsste.

Nur halt an den richtigen Stellen: für kompromisslose Kunst, also sperrige, elitäre Personen und ihre Werke, nicht für verkapptes Standortmarketing, nicht für Wellness-Kultur, jenen plumpen Kitsch, der "das Herz erwärmt" und allen ein gutes, wichtiges Gefühl gibt, also für ein weichgespültes, moralingetränktes, pseudoprovokatives, pseudoanregendes Potenzmittel für den müden Geist und das kalte Herz des Bildungsbürgertums.

Indiz für den Kulturinfarkt des deutschen Kinos sind die Milliongräber der Förderung: Schlechte oder zumindest vollkommen überschätzte Filme wie "Zettl", "Die Vermessung der Welt", "Cloud Atlas" und zuletzt "Ludwig II." gelten als "großes Kino", Kunsthandwerk wie Andreas Dresens "Halt auf freier Strecke" als Kunst, während die echte Kunst jenseits der Wahrnehmungsschwelle bleibt.

Nicht besser geht es den Qualitätszeitungen: Die Frankfurter Rundschau ist insolvent, die Financial Times eingestellt, bei Gruner und Jahr übernimmt die Anzeigenabteilung die Redaktionsleitung. Aber über Qualitätsjournalismus muss man in Deutschland sowieso gar nicht mehr reden, solange es bei den zuständigen Verlagen zugelassen wird, dass der Verleger der BILD-Zeitung die Meinungsführerschaft in dieser Debatte übernimmt.

Im Verlagswesen schließlich zerschreddert sich gerade Suhrkamp selbst, nachdem sich der Verlag an eine lustige Witwe und eine überhaupt nicht lustige Heuschrecke ausgeliefert hat.

4. Die Macht der Witwen

Ist schon mal aufgefallen, mit welcher Chuzpe viele Witwen gerade im Kulturbetrieb das Vermächtnis ihre verstorbenen Gatten in die Hand nehmen und sich zur Monopolistin der Nachlassverwaltung aufschwingen? Als Ainu Laberenz, Christoph Schlingensiefs Witwe, den Nachlass ihres Mannes der Akademie der Künste übergab, bestimmte sie die Bühnenshow, und keine andere Frau durfte auftreten.

Auch Juliane Lorenz, die "Witwe" - whatever that means - Rainer Werner Fassbinders, hat nicht nur Freunde: Die Sängerin und Schauspielerin Ingrid Caven, 1970-1972 tatsächlich zwei Jahre mit Fassbinder verheiratet, und 25 ehemalige enge Weggefährten des Regisseurs machten ihr öffentlich schwere Vorwürfe: Sie sei moralisch ungeeignet und habe die Heirat mit Fassbinder erfunden. Elfriede Jelinek schrieb, die von Lorenz nicht gerade demokratisch geführte Fassbinder-Foundation habe engste Mitarbeiter des Regisseurs aus der Fassbinder-Geschichte verdrängt.

5. Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen

Während die Talkshows und Laberrunden, das öffentlich zelebrierte Gerede um Nichts, aus dem auch Nichts folgt und Nichts folgen soll, eine unvergleichliche Inflation erlebt, wurden im ZDF die zwei einzigen Relikte einer Gesprächskultur abgeschafft: Man konnte gegen das "Nachtstudio" des Volker Panzer und das "Philosophische Quartett" natürlich im Einzelnen manches sagen.

Aber Sloterdijk ist immerhin noch ein Philosoph. Bei ihm wie bei Panzer kam es immer wieder zu seriösen Gesprächen, in denen wirklich einmal für kurze Momente miteinander kommuniziert und nicht nur Meinungen aufgesagt wurden. Man kann sich das ja auf YouTube oder den entsprechenden Mediatheken noch mal anschauen. Mein Tip: Volker Panzers große drei Sendungen über Fernsehen - im Fernsehen. Was schon allein Größe hatte. Mit Rainald Goetz, von dem die Idee stammte, und dessen Kumpels im Herbst 2001. Da kam dann halt der 11.September dazwischen und so erlebte das Nachtstudio eine Sternstunde.

Man muss sich, um den Abstieg des öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor Augen zu führen - ja: nicht zuletzt vor Augen! - dann nur mal die Auftaktsendung der Nachfolgeshow von Richard David Precht antun. Es ging um Bildung und es war ein Exempel der Bildungskatastrophe: Fernsehen als Sendung gewordenes Aufmerksamkeitsdefizit und Denkschwäche und Argumentationsunfähigkeit und Kommunikationsverweigerung. Man muss, um Precht nicht Unrecht zu tun, zugeben, dass seine Sendung mit Robert Spaemann neulich viel besser war. Nicht nur wegen Spaemann.

Die besten Talksendungen sind paradoxerweise die, von denen man es am wenigsten erwartet: "Beckmann" und "Markus Lanz". Warum? Weil hier die Gastgeber zumindest zuhören und dann auch mal nachfragen, weil sie Interesse nicht nur heucheln. "Beckmanns" beste Sendung war die zu den Medien nach der Wulff-Affaire, Lanz' Sternstunde von den EM-Talks mal abgesehen, die außer Konkurrenz laufen, jene Sendung um Politikberatung, in der Edmund Stoiber Gertrud Höhler in die Mangel nahm - "Wen ham Sie denn beraten? Die CSU haben Sie nie beraten!!" - und die selbsternannte Politikberaterin am Ende ganz nackt dastand.

A propos: Ein letztes Indiz, dass das Fernsehen auch den Kontakt zu den Zuschauern längst verloren hat, ist die bemerkenswerte Unfähigkeit des ZDF, einen Nachfolger für Gottschalk bei "Wetten das?" zu finden. Lanz ist es jedenfalls nicht, der hat andere Qualitäten.

6. Die Deutschen können keine Großprojekte mehr bauen

Man kann Stuttgart 21 ja für Blödsinn halten, die Elbphilharmonie für völlig überflüssig und einen Yuppie-Mist noch obendrein. Und dass der neue Berliner Flughafen unnötig und überteuert ist, und überdies an der falschen Stelle steht, und es sich dabei eigentlich auch nicht um einen Flughafen handelt, sondern wie schon beim Hauptbahnhof um eine große Shopping-Mall, bei der die Wege extra lang gemacht wurden, um die Leute im Einkaufsbereich zu halten, dass dies also eigentlich ein Verkehrshindernis ist statt eine Verkehrserleichterung, weiß jeder, der sich einmal damit beschäftigt hat.

Trotzdem kann es einen nur entsetzen, wie unfähig die jeweiligen Bauherren darin sind, solche Großprojekte auch nur halbwegs seriös fertig zu stellen. Wie unmöglich es offenbar ist, die Kosten vorab korrekt zu berechnen. Und wie miserabel das jeweilige Krisenmanagement. Erst heute hat der Brandenburgische Ministerpräsident Plazek den letzten angeblichen Fertigstellungstermin Ende 2013 wieder infrage gestellt. Zur Zeit scheint es gut möglich, dass der Berliner Großflughafen nie fertig wird - und das wäre "auch gut so", um Klaus Wowereit zu zitieren. Tegel forever wäre besser.

Auch Stuttgart 21 wird nie gebaut werden und die Elbphilharmonie allenfalls zu völlig überhöhten Kosten.

7. Die sogenannte Energiewende

Sie war wahrscheinlich sowieso ein Fehler, allemal in dem Öko- und Antiatom-Fundamentalismus, der ihr zugrundeliegt, diesem Gutmenschen- und Guttu-Fanatismus. Aber auch diese Energiewende bekommen sie dann natürlich nicht auf die Reihe.

8. Bahn, Siemens, Thyssen-Krupp, Deutsche Bank

Auch sonst steht es mit der deutschen Industrie nicht zum Besten. Es klappt einfach nichts mehr: Die Bahn wird nicht nur immer teurer, sondern auch immer unpünklicher. Siemens schafft es nicht, ICE's zu liefern. Deutsche wollen gut sein, darum sollen Deutsche Firmen auch gut sein und nicht mehr bestechen. Warum eigentlich? Wie soll man die Aufträge in Fernost, Russland und Indien denn bekommen?

Die Deutsche Bank gibt Kunden entweder schlechte Anlagetips oder lässt sich erwischen, wenn sie ihnen mal gute gibt. Und dann ruft der Vorstandschef auch noch beim Hessischen Ministerpräsidenten an! Wie Wulff beim Emir!! Und das alles sickert auch noch durch, obwohl in Wiesbaden auch noch die CDU regiert!!! Elitenversagen allerorten. Was soll nur aus uns werden?

9. Der sogenannte "Verfassungsschutz"

Der Verfassungsschutz, auch wenn das jetzt keine Elite ist, kann keine Neonazis fangen. Vielleicht lag das ja nur daran, dass es ihnen wegen der Anti-Korruptions-Policy verboten ist, andere Neonazis zu bestechen. Aber muss das sein? Und dann die Akten schreddern? Wo sind wir??

10. Merkel, Gauck, Ratzinger, Ferres, Neubauer

Angela Merkel ist immer noch deutsche Kanzlerin. Josef Ratzinger ist immer noch Papst. Gauck ist Bundespräsident. Veronika Ferres und Christine Neubauer sind weibliche Rolemodels - kein Wunder, dass gebildete Frauen keine Kinder kriegen wollen.

11. Die Bankenrettung

Glaubt noch jemand, dass die Griechenland-Rettúng wirklich eine Griechenland-Rettúng ist? Muss man noch jemanden erklären, dass es sich eigentlich um die Rettung der deutschen Banken, nicht zuletzt der deutschen Bank handelt? Denn wer würde, ginge Griechenland pleite, dann kein Geld zurückbezahlt bekommen? Genau!

12. Das Beschneidungsurteil

Und während man sich solchen mehr oder weniger wichtigen Fragen widmen müsste, diskutiert man sich im moralinsauren schwarzgrünen christlich-elitären Mehrheitsdeutschland nur über eine die Köpfe heiß: Wie man Juden und Moslems eine jahrtausendealte Tradition verbieten kann, und sie und ihre Kultur nebenbei noch indirekt als kinderschänderisch brandmarkt. Da fällt einem nur noch Brecht ein:

"Oh Deutschland, bleiche Mutter! / ... / Hörend die Reden die aus deinem Hause dringen, lacht man. /Aber wer dich sieht greift nach dem Messer."

Wie soll das bloß weitergehen?