Frankreichs Uran-Interessen bringen Mali auf Kriegskurs

Die Vereinten Nationen haben den Weg für einen Kriegseinsatz im Norden des Landes und das Chaos im ganzen Land freigemacht

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Die Lage in Mali ist verworren, doch nun haben sich die Vereinten Nationen (UN) dazu entschlossen, eine sogenannte "Friedenstruppe" in die afrikanische Republik zu entsenden. Der Norden des Landes, der Azawad genannt wird, soll damit angeblich von Islamisten befreit werden. Im April hatten - nach einem Militärputsch in Bamako und dem dadurch entstandenen Machtvakuum - Tuareg-Rebellen den Azawad für unabhängig erklärt.

Frankreich macht sich besonders für einen Krieg gegen die Rebellen und ihre ehemaligen Verbündeten der islamistischen "Ansar Dine" (Verteidiger des Glaubens) stark (Neoprimitive zerstören Timbuktu). Dabei geht es Paris aber nicht um Menschenrechte und nur am Rand um die Bekämpfung der Islamisten. Wie bei Nachbar Niger mischt sich Paris vor allem ein, um dem Atom-Land den Uran-Nachschub zu sichern und Ansprüche auf Öl, Gold, Gas und Phosphat anzumelden.

Frankreich treibt eine militärische Intervention im afrikanischen Mali voran. Man fühlt sich in aller Hinsicht an den Krieg gegen Afghanistan erinnert. Statt die "Sicherheit Deutschlands am Hindukusch" soll nun die "Sicherheit Frankreichs in Mali auf Spiel" stehen. Ist für ersten Satz der kürzlich verstorbene Sozialdemokrat und ehemaliger Verteidigungsminister Peter Struck verantwortlich, ist für den zweiten der sozialistische französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian verantwortlich.

Als hätte es keinen Machtwechsel vom konservativen Sarkozy zum Sozialisten Hollande gegeben, drängt nun auch der sozialistische Verteidigungsminister auf ein schnelles Eingreifen in Mali. Sonst entstehe mit Azawad "Schritt für Schritt ein terroristischer Staat." Er ging am Sonntag sogar noch weiter und erklärte, die "Integrität Malis ist entscheidend für die Sicherheit Europas".

Waren einst Anschläge wie in New York und Washington und die angeblichen Verwicklungen der Taliban darin oder angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak die Begründung dafür, dass sich Europa in fernen Ländern in Kriegen mitmischt, reicht nun scheinbar eine herbeifabulierte Bedrohung für Frankreich offenbar schon für einen Kriegseinsatz aus, nur weil Islamisten an der Abspaltung von Azawad von Mali beteiligt waren. Einstimmig hat der UN-Sicherheitsrat die Militäroperation genehmigt und die Entsendung von "Friedenstruppen" zunächst auf ein Jahr begrenzt. Krieg sollen zunächst die Afrikaner stellvertretend für Europa führen, die Regierung in der Hauptstadt Bamako soll zunächst nur "mit allen notwendigen Mitteln" dafür ausgestattet werden, um gegen angebliche Al-Qaida Kämpfer und Tuareg-Rebellen vorzugehen.

So wird ein umstrittener Militäreinsatz in einem Land vorangetrieben, das von Militärputsch zu Militärputsch taumelt. Es waren Militärs in Mali, die im März putschten und Amadou Toumani Touré stürzten. Der Putsch wurde maßgeblich von Hauptmann Amadou Haya Sanogo angeführt. Das Militär putschte schließlich unter seiner Führung kürzlich erneut, um nun die von ihm eingesetzt Marionette wieder zu beseitigen. Auch Cheick Modibo Diarra wurde gestürzt und nun von Sanogo durch Diango Sissoko ersetzt, der nun der neue Ministerpräsident der Militärs ist.

Sanogo, der starke Mann im Hintergrund, erklärte in einem Interview, es störe ihn, dass Diarra als "Bremser" auftrete und "keine Achtung für das Volk" habe. Man darf gespannt sein, wie die Militärs auf die internationale Einmischung reagieren werden, schließlich wurde Diarra auch weggeputscht, weil er sich immer wieder für den internationalen Militäreinsatz in Azawad aussprach. Offenbar sorgt sich Sanogo um einen Machtverlust und will deshalb keine ausländischen Truppen im Land haben.

Die Militärs haben schon vor Monaten damit begonnen, freiwillige junge Männer zu einer "Front für die Befreiung des Nordens" auszubilden. Miserabel ausgerüstet wollen die Milizen "Verbrecher, Drogenhändler und Terroristen" aus dem Norden vertreiben. Sie halten sich für Patrioten und sind bereit ihr Leben für die Befreiung des Nordens in die Waagschale zu werfen. Damit ziehen die Militärs die ethnische Karte, schließlich werden Norden und Süden von sehr unterschiedlichen Bevölkerungen bewohnt. Ethnische und religiöse Zusammenstößen werden programmiert.

Uran, Öl, Gas, Gold, Phosphat …

Die Lage in Mali enthält deshalb nun alle Ingredienzen zur Eskalation. Vielleicht ist es genau das, was Frankreich dazu gebracht hat, die Intervention voranzutreiben. Spitzt sich die Lage zu, kann im Notfall eine militärische Intervention unter französischer Führung folgen. Dabei fällt auf, dass bei der Betrachtung des vielschichtigen Konflikts in diesem Land – auch gerade in Telepolis geschehen (Der angekündigte Krieg) – das massive Interesse Frankreichs an seiner Versorgung mit Uran meist geflissentlich unter den Tisch fällt. Frankreich hängt aber als Atommacht und als Atomstromland von der Versorgung mit Uran ab. Die Abhängigkeit von dieser Region wird dabei immer größer.

"Es gibt im Norden des Landes bislang zwar noch keinen Bergbau, aber beachtliche Bodenschätze, vor allem Uran", stellt Afrikaexpertin Gaelle Aerson zum Azawad fest. Bisher bekannte Uranvorkommen fänden sich zwischen Gao und Kidal. Wundert man sich also noch, dass die Region um Gao und Kidal genauso befreit werden soll wie Timbuktu, um die Einheit des Landes zu sichern?

Interesse hat Frankreich aber auch an drei bislang noch nicht erforschten Erdölfeldern im Norden. Neben Öl und Uran findet sich hier auch Phosphat, das ebenfalls weltweit immer knapper wird. Ohne den Stoff geht bei Düngung zur industriellen Nahrungsmittelerzeugung nichts und längst wird schon von einer drohenden Phosphatkrise gesprochen. Doch im Azawad gibt es zudem noch Gas und Gold. Insgesamt liegt das arme Mali in der Spitzengruppe der Produzenten von Gold, in Afrika galt Mali als drittgrößter Gold-Produzent.

Frenkreich will weitere Destabilisierung im Niger verhindern

Allerdings ist Frankreich vor allem am Uran interessiert. Das Land erzeugt nicht nur einen Großteil seines Stroms mit zum Teil altersschwachen Atomkraftwerken. Zudem setzt das Land statt auf Erneuerbare Energien und Atomausstieg weiter auf Atomstrom, auch wenn die Kosten wie in Flamanville beim neuen EPR-Reaktor wie in Finnland aus dem Ruder laufen (Atomkraft: Kostenexplosion beim EPR-Bau). Für die Beschaffung des Urans ist der staatliche Atomkonzern Areva zuständig. Und etwa ein Drittel des Urans beschafft sich Frankreich schon heute im Niger, dem Nachbarland Malis.

Bis 2014 soll dort in der Region Agadez, nahe dem Dorf Imouraren, die zweitgrößte oberirdische Uranmine bereit zum Abbau sein. Die Verstrahlung der Region ist damit programmiert. Schon jetzt haben unabhängige französische Forscher nachgewiesen, dass die Jahrzehnte des Uranabbaus durch Areva dazu geführt haben, dass die Minenarbeiter, die Wasservorräte und der Boden um die Abbaugebiete radioaktiv verstrahlt sind (Schmutziges Uran). Areva hofft aber darauf, seine Erfahrungen im Niger auf Mali übertragen zu können. Denn die geologischen Formationen sind sich in beiden Ländern sehr ähnlich

Frankreich will schon deshalb in Mali intervenieren, um eine Destabilisierung seiner Uran-Quelle im Niger zu verhindern. Denn das Land ist längst zu einem Alptraum für Areva geworden (Und wieder mal ein höchst radio-aktiver Staatspräsident). Immer wieder werden Franzosen entführt. Verantwortlich dafür sind Tuareg-Rebellen, die mehr Geld für das nigrische Uran fordern. Aber auch Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQMI) entführt immer wieder Areva-Mitarbeiter. Insgesamt sind, mit der neuen Entführung des Ingenieurs Francis Colump in Nigeria, nun neun Franzosen weltweit in den Händen von Entführern. Alle in Afrika.

Sechs davon sind Areva-Mitarbeiter, die schon im September 2010 im Niger entführt wurden. Dazu kommt eine Entführung in Mali und eine im zerfallenden Somalia, wo Frankreich aber keine Intervention vorantreibt, obwohl die islamistische Al-Shabaab in Süd- und Zentralsomalia längst einen Gottesstaat aufbaut. Angeblich haben Islamisten im Niger noch keine eigene Basis und zögen sich deshalb nach ihren Aktionen wider über die Grenze nach Mali zurück. Das ist eine der Begründungen, mit der Frankreich aufwartet, um einen Militäreinsatz im Norden des Landes zu rechtfertigen.

Obwohl die Entscheidung zu Mali im Sicherheitsrat einstimmig gefallen ist, bedeutet das nicht, dass es keine Widersprüche gibt. Ausgerechnet die USA haben enorme Probleme damit gehabt, die Vorlage von Frankreich abzunicken. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Susan Rice soll die Pläne "eine Scheiße" genannt haben. Das berichtet Colum Lynch in ihrem Blog "Foreign Policy", der sich der UN-Politik widmet. Bisher wurden diese Worte nicht dementiert. Rice glaubt nicht, dass eine Truppe aus 3.300 Mann, die von Nigeria geführt wird, die Fähigkeit hat, es in der gnadenlosen Wüste mit den kampferprobten Rebellen aufzunehmen.