Staatlich geförderte 30-Stunden-Woche für Eltern junger Kinder

Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles macht familienpolitischen Wahlkampf

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Familienpolitik war einst Stärke der SPD; zuletzt machte aber vor allem die Union Schlagzeilen mit familienpolitischen Förderungsprojekten wie dem Elterngeld, dem Krippen-und Kindergartenausbau oder dem umstrittenen Betreuungsgeld. Nun, zum Fest der Familientreffen, Weihnachten, lässt die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles die Wahlkampfglöckchen mit einem interessanten Vorschlag klingeln: Der Staat soll eine 30-Stunden-Woche für Eltern im Alter zwischen 25 und 40 Jahren fördern.

Nahles will Eltern zu einer "partnerschaftliche Arbeitszeitverteilung" ermuntern, um die "Rush-Hour des Lebens zwischen 25 und 40 Jahren (zu) entzerren", so die Idee hinter dem Vorschlag, den die SPD-Generalsekretärin als klares Gegenmodell zum Betreuungsgeld deklariert. Väter und Mütter sollen beide arbeiten gehen können und trotzdem soll ihnen Zeit für die Familie bleiben. Der Mann muss nach Geburt eines Kindes nicht unbedingt mehr arbeiten und die Frau aus dem Berufsleben aussteigen oder mit einem Minijob Geld hinzuverdienen - Nahles plädiert für ein Modell, in dem beide ihre Arbeitszeit auf eine 30-Stunden-Woche begrenzen.

Wir könnten uns vorstellen, dass man das auf eine bestimmte Jahresanzahl befristet und der Staat in dieser Zeit einen Teil der Einbußen, die das bedeutet, mit auffängt.

Als Orientierung dient nach ihren Aussagen die Wiedereingliederung von Arbeitnehmern, wie sie nach einer längeren Abwesenheit wegen Krankheit bereits praktiziert wird. Dies gilt ihr als Beispiel dafür, wie man mit reduzierten Arbeitzszeiten arbeiten könne. Familien sollten ihrem Vorschlag nach zwei oder drei Jahre mehr Zeit für ihre Kinder haben.

Nahles knüpft mit ihrem Vorschlag an das Ergebnis von Untersuchungen und Befragungen an, in denen Eltern, besonders Väter, bemängelten, dass sie zu wenig Zeit für ihre Kinder hätten. Zu hören waren mitunter auch Aussagen, wonach manche lieber weniger verdienen wollen, wenn sie dafür mehr Zeit für die Familie haben. Väter würden eine 30-Stunden-Woche favorisieren, heißt es in Plädoyers für "neue Rollenmodelle".

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist seit Jahren eins der großen Themen der Familienpolitik. Mitte Dezember hatte eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, wonach Deutschland mit 1,39 Kindern pro Frau zu den "Niedrig-Fertilitäts-Ländern" gehört (Die "Fertilitätssituation" in Deutschland ist nicht gut), die öffentliche Diskussion über die Vereinbarkeit von Ansprüchen des Berufslebens und der Familie neu belebt.

Da wurde auch die Auffassung geäußert, dass Familie mit dem Kapitalismus unserer Tage prinzipiell im Konflikt liege und familienpolitische Versöhnungen nicht weit führen können. Davon abgesehen dürfte der Vorschlag Nahles auch auf andere, praktische Widerstände treffen. Angefangen bei den kinderlosen Arbeitskollegen der Eltern und den Arbeitgebern.

Defensiv-Haltung der Väter

So gibt es Hinweise darauf, dass Männer Scheu haben, Elternzeit zu nehmen, weil sie glauben, dass dies bei Vorgesetzten und Kollegen wenig geschätzt wird. "Nahezu jeder zweite Arbeitnehmer in der Rush-Hour erwartet eine negative Bewertung durch Kollegen und Vorgesetzte, wenn Männer eine längere berufliche Pause zur Kinderbetreuung einlegen", ist im Väter-Blog von Hans-Georg Nelles zu lesen.

Ob diese Defensiv-Haltung auch auf eine solche staatlich unterstützte 30-Stunden-Woche zu übertragen ist, ist freilich ungewiss; aber ausgemacht ist nicht, ob die staatliche Unterstützung für die Eltern von Kollegen und Steuerzahlern hingenommen wird. Die mittelbare Unterstützung von Familien durch Steuern und Nachteile am Arbeitsplatz - möglicherweise Mehrarbeit - ist nicht jedermann einsichtig.

Wie der staatliche Zuschuss konkret aussehen soll, in welcher Form wieviel bezahlt würde, dazu hat Nahles noch keine Details bekannt gemacht. Der bürokratische Aufwand der Umsetzung dürfte beträchtlich sein und ebenfalls einige Gelegenheit zur Kritik geben. Für viele Eltern von Kindern im Vorschulalter könnte der Vorschlag attraktiv sein - falls es tatsächlich genügend Arbeitgeber gibt, die solche Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

Dem steht entgegen, dass die dem zeitgenössischen Arbeitsleben inhärente Forderung nach einer möglichst starken, flexiblen und zeitunabhängigen Präsenz des Arbeitnehmers sich in der Praxis durch Arbeitsverträge schlecht gängeln lässt. Man darf gespannt sein, wie der Nahles-Vorschlag angenommen wird. Er soll die Unterstützung des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück haben.