Irische EU-Ratspräsidentschaft steht im Zeichen des Neoliberalismus

Obgleich auf EU-Hilfe angewiesen, preist sich das Land als Niedrigsteuerparadies an

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Seit dem 1. Januar hat das kleine Land, das aufgrund der Rettung seiner maroden Banken, die sich dank laxer Bankenaufsicht munter verzocken konnten, auf Hilfe von der EU angewiesen ist, die Präsidentschaft des Europäischen Rates inne. Das nutzt die irische Regierung aus – um für sich selbst als Niedrigsteuerparadies zu werben.

Der Steuersatz in Irland liegt bei konkurrenzlos niedrigen 12,5 Prozent. Zumindest für Unternehmen – auf diesen Standortvorteil weist das Land auf dem offiziellen Internetauftritt seiner Ratspräsidentschaft stolz hin. Trotz der Haushaltskrise und dem Druck der Europäischen Kommission, Einnahmen zu steigern und Ausgaben zu senken, hat sich die irische Regierung bis heute strikt geweigert, ihre Unternehmenssteuer auch nur minimal anzuheben. Erst im Dezember bekräftigte der irische Haushaltsminister Brendan Howlin, dass er die Dumpingsteuer für Unternehmen nicht aufgeben möchte, da sie notwendig sei, um Nachteile, die Irland als Standort am Rande Europas angeblich habe, auszugleichen.

Tatsächlich fühlen sich zahlreiche internationale Unternehmen in Irland, das als Steueroase Europas gilt, auf der Insel ziemlich wohl, darunter auch Apple und Facebook. Ein besonderer Leckerbissen ist dabei der "Double Irish With a Dutch Sandwich", ein legaler Steuervermeidungstrick, der dank eines speziellen Steuerabkommens mit den Niederlanden möglich ist. Unter der Überschrift "Warum in Irland investieren?" preist Irland dann auch gleich "ein umfangreiches und sich ständig erweiterndes Netzwerk an hochqualitativen Steuerabkommen" an, inklusive Link zu IDA, einer staatlichen Agentur, die unter Hinweis auf das irische Steuerdumping um ausländische Direktinvestitionen wirbt. Selbst internationale Finanzinvestoren kommen mittlerweile wieder in Scharen.

Arbeitnehmer dagegen haben in Irland seit Ausbruch der Krise nichts mehr zu lachen, sie müssen mittlerweile den sechsten Sparhaushalt in Folge erdulden und bleiben dabei auch nicht vor Steuererhöhungen verschont. So steigt unter anderem die Mehrwertsteuer in zwei Schritten ab 2013 von 21 auf 23 Prozent, Renten und Sozialleistungen werden gekürzt, der Mindestlohn wurde bereits gesenkt. Irland rettet seine Banken und sein Steuerparadies zu Lasten von Arbeitern, Rentnern und Arbeitslosen – und bejubelt sich selbst dafür, dass es "trotz der heimischen und weltweiten Rezession" einen blühenden Exportsektor habe.

Auf seinen Binnenmarkt kann sich Irland dank seiner harten Sparpolitik gegen die eigene Bevölkerung ohnehin nicht mehr verlassen: Die Arbeitslosigkeit erreichte im Juli 2012 mit 14,9 Prozent einen Rekordwert. Hätten nicht seit 2008 ca. 60-80.000 Iren ihr Land verlassen, sähen die Zahlen wohl noch dramatischer aus. Dass die Quote im November dann auf 14,6 Prozent fiel, galt da schon als ein Zeichen der Hoffnung. Doch selbst die sinkenden Einkommen und die hohe Arbeitslosigkeit im Land sehen wirtschaftsnahe Medien als vorteilhaft für ausländische Investoren. Die Wirtschaftswoche macht hieran gar eine gute Ausgangslage für die Eröffnung neuer McDonalds-Filialen, weil die Iren nun auf preiswerte Nahrungsmittel angewiesen seien – was immerhin neue Arbeitsplätze schaffe.

Irland beschreitet einen Weg, der Europa schwächer macht

Dass Irland seine EU-Ratspräsidentschaft unter das Motto "Für Stabilität, Arbeitsplätze und Wachstum" gestellt hat und sich für eine "Wiederbelebung der Wirtschaft" in der Europäischen Union einsetzen will, kann daher vor allem als weiterer Schritt zum Abbau des Sozialstaates und hin zu einem Unternehmerparadies mit niedrigen Steuern und einem großen und jederzeit abrufbereiten Arbeitskräftepotential mit niedriger Entlohnung gesehen werden. Die Politik ist ganz im Sinne der Kanzlerin, die mit Blick auf die erheblichen Opfer, die die Iren aufgrund der Sparpolitik bringen müssen vor allem Dankbarkeit empfindet: "Danke, dass Irland diesen Weg beschreitet, weil er uns alle stärker macht."

Tatsächlich jedoch wird der deutsch-irische Weg Europa weiter schwächen. Der ruinöse Wettlauf um die niedrigsten Steuern, die billigsten Sozialsysteme und die niedrigsten Löhne schwächt nicht nur die unteren und mittleren Einkommensschichten in Europa. Langfristig schadet er auch den Volkswirtschaften und den Unternehmen – über immer kleiner werdende Binnenmärkte, denen die Kaufkraft abhanden kommt und eine immer weiter steigende Abhängigkeit von weit entfernten Absatzmärkten wie auch durch sinkende Staatseinnahmen, die den Regierungen die Handlungsspielräume nehmen werden.

Einen Ausblick auf das, was dann kommen könnte, liefert die irische Ratspräsidentschaft gleich mit. Denn um die Ratspräsidentschaft "effizient, wirtschaftlich, nachhaltig" zu gestalten, lässt die irische Regierung sich den EU-Vorsitz von der Wirtschaft sponsern. Um immerhin 14 Millionen Euro sollen die Kosten durch das Sponsoring sinken. Verträge über 1,4 Millionen sind angeblich bereits unter Dach und Fach. Der bekannteste Sponsor ist derzeit Audi. Zwar ist es keine Neuigkeit, dass große Unternehmen einem Land den EU-Vorsitz sponsern. So durfte unter anderem Microsoft Zypern unterstützen, während 2011 Polen neben Microsoft unter anderem Peugeot, Scania und eine Coca-Cola-Tochter als Partner gewinnen konnte. Dänemark griff beispielsweise auf Unterstützung von Audi, DHL und SAS zurück.

Eine Politik, die sich nicht traut, auch von Unternehmen angemessene Steuern zu erheben und die Firmen stattdessen dazu einlädt, ihre normalen Amtsgeschäfte als Sponsoren zu unterstützen, begibt sich jedoch ohne Not in Abhängigkeiten. Und diese dürften es nicht gerade leichter machen, sich von dem gegenwärtigen Trend zu schlechteren Arbeitsbedingungen und höheren Lasten für einfache Arbeitnehmer zu verabschieden. Irland ist dafür wohl ein gutes Beispiel.