Liberale Modernisierungsverweigerer

Trotz Dauertief in den Umfragen hält die FDP stur an ihrem Kurs fest

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Die FDP hat es derzeit nicht leicht. Mit Umfragewerten unter fünf Prozent sinkt sie auch langsam unter die Wahrnehmungsschwelle der großen Medien. Eine Liveübertragung des traditionellen Landesparteitags am 5. Januar aus Stuttgart? Fehlanzeige.

Und auch für eine Liveübertragung der kompletten Dreikönigskundgebung findet sich kaum ein Sender - entgegen der Hoffnung der Liberalen möchte Phoenix sein Programm nicht für den Jahresauftakt der FDP umstellen. Und einen eigenen Livestream zu bauen, ist kompliziert - im Stuttgarter Staatstheater gibt es kein DSL, und auch das LTE ist noch nicht auf die Liberalen vorbereitet. Lediglich das ZDF stellt, ganz versteckt, einen Livestream zur Verfügung - zu sehen gibt es eine marode Partei, die noch immer nicht erkannt hat, dass sie selbst für ihre Lage verantwortlich ist.

Für eine Partei, die den Ruf nach Eigenverantortung wie eine Monstranz vor sich her trägt, ist dies ein Armutszeugnis. Stattdessen eröffnet die Landesvorsitzende der Baden-Württemberger FDP, Birgit Homburger, die Kundgebung wie gewohnt mit einem Jubelgesang auf ihre Partei. Deutschland sei zu einer der größten Wirtschaftsmächte der Welt aufgestiegen, erklärt sie - eine Stärke, die von Schwarzen, Roten und Grünen bedroht werde. Diese betrieben mit der Übersubventionierung der Erneuerbaren Energien Planwirtschaft und eine Klientelpolitik auf dem Rücken der Verbraucher.

Ähnliches war schon auf den letzten beiden Dreikönigskundgebungen zu hören und hat nicht gerade zur Stärkung der FDP beigetragen. Im Gegenteil: 2011 wehrte sich der damalige Parteivorsitzende Guido Westwerwelle noch verbissen gegen Rücktrittsforderungen, nur wenige Monate später musste er gehen. Und im vergangenen Jahr versuchte Philipp Rösler, seine Partei mit einer Rede wider den linken Absolutismus und Feudalismus wiederzubeleben, während gleichzeitig die Jamaikakoalition im Saarland an der FDP scheiterte, und anschließend die FDP mit einem Wahlergebnis von nur 1,2 Prozent und wenigen Stimmen Vorsprung vor der NPD krachend aus dem Landtag flog.

Ganz so schlimm wie im Saarland sieht es für die Liberalen bei der kommenden Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar zwar nicht aus. Aber mit einem Ergebnis von vier Prozent wäre die FDP immer noch raus aus dem Landtag, und die Umfragewerte im Bund sind kein bisschen besser.

Bild: Fdp nds. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Dass Parteichef Rösler da zum Auftakt seiner Rede die Frage stellt, wozu Deutschland eigentlich noch die FDP brauche, ist jedoch nicht als Frage nach einer inhaltlichen Neuausrichtung zu verstehen. Denn Röslers einfache Antwort lautet: Die FDP wird gebraucht für Regierungsmehrheiten, denn nur sie garantiere die Fortsetzung einer erfolgreichen Regierungskoalition. Angesichts der nur schleppenden Arbeit der Koalition in Berlin, die sich immer wieder gegenseitig lahmlegt und bisweilen gegenseitig rüde als Wildsau oder Gurkentruppe beschimpft, haben die äußerst stockend und langatmig vorgetragenen Ausführungen des Parteivorsitzenden eher den Charakter einer Realsatire.

"Alles gut"

Ganz so, wie sich Rösler auch als Wirtschaftsminister vor allem zum Ziel macht, die Realität zu schönen, wie zuletzt beim Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung geschehen, versucht er auch an Dreikönig die Probleme wegzureden. Deutschland gehe es gut, den Menschen gehe es auch gut, und die FDP wolle, dass das so bleibt.

Weder Rösler noch ein anderer Redner findet auch nur einen Satz zu den immer zahlreicher werdenden Menschen in prekären Beschäftigungen. Welches Klientel er stattdessen bedienen möchte, sagt der Vorsitzende zwar nicht offen, es blitzt jedoch immer wieder durch. Wer sich für 2013 den beruflichen Aufstieg oder auch "nur" ein neues Auto oder ein Haus vorgenommen habe, dem wolle die FDP die Hindernisse aus dem Weg räumen, um sich frei entfalten zu können, so Rösler.

Wie lange sich Rösler noch als Vorsitzender der FDP frei entfalten kann, steht freilich in den Sternen. Er selbst hat zumindest im Falle eines Wiedereinzugs in den niedersächsischen Landtag nicht vor, zurückzutreten. Doch ob die Liberalen in zwei Wochen die Fünf-Prozent-Hürde nehmen, ist ungewiss, ein Scheitern wäre womöglich auch Röslers Ende.

Die Rufe nach einem vorgezogenen Bundesparteitag, auf dem die Personalien für die kommende Bundestagswahl geklärt werden sollen, erschallten auf der Kundgebung sogar direkt von der Bühne des Stuttgarter Staatstheaters. Entwicklungsminister Dirk Niebel äußerte laut seinen Unmut:

Es zerreißt mich innerlich, wenn ich den Zustand der FDP sehe.

Zwar spricht auch er davon, wie unverzichtbar die FDP doch sei. Jedoch äußert er als einziger offen die Erkenntnis, so wie jetzt könne es mit der FDP nicht weitergehen. Ein Bundesparteitag im Mai sei zu spät, um sich für den Wahlkampf aufzustellen. Stattdessen brauche es schnelle Entscheidungen, die nicht vom Ausgang der Landtagswahlen abhängig gemacht werden sollten. Zwar lobt Niebel ausdrücklich die Kompetenz jedes einzelnen FDP-Vorstandsmitglieds, doch stellt er klar: die FDP spiele in der falschen Aufstellung. Ginge es nach Niebel, wäre also ein neuer Führungswechsel in der FDP-Spitze angesagt, und auch Rösler müsste seinen Platz räumen.

Neue Hoffnung Brüderle

Schon vor zwei Jahren hatte die FDP versucht, mit Hilfe von Ämterrotation wieder aus ihrer Krise herauszukommen, geholfen hat das freilich nichts, denn die inhaltliche Ausrichtung wurde kaum verändert. Neue inhaltliche Akzente sind jedoch auch von Niebel nicht zu erwarten. Stattdessen warnt auch er, genau wie Brüderle, Rösler oder auch Homburger vor der angeblichen Sozialdemokratisierung aller Parteien und "roten Risiken", die bereits drohten.

Als neue Hoffnung der FDP gilt indes der noch vor zwei Jahren als Problembär verspottete Rainer Brüderle, der die Anhänger der Freien Demokraten mit einer platten, dafür aber umso lauteren Rede mitreißt. Die FDP würde sowohl Grün-Rot in Stuttgart als auch Rot-Grün in Mainz überstehen - und Rot-Grün im Bund verhindern, kündigt der Vorsitzende der Bundestagsfraktion an, der einst zugunsten von Rösler seinen Posten als Wirtschaftsminister räumen musste.

Drei Jahre lang habe sich die FDP demütig Asche aufs Haupt gestreut, versucht er das Versagen seiner Partei umzudeuten. Jetzt müsse man wieder an sich selbst glauben. Die Welt beneide uns, so gut sei Deutschland und so gut sei die christlich-liberale Koalition. Diese Sicht der Dinge grenzt freilich bereits an Schizophrenie, immerhin zieht sich die Behauptung, selbst der große Koalitionspartner sei bereits sozialistisch unterwandert durch die gesamte Kundgebung.

Brüderles Rede strotzt nur so von Absurditäten, doch die Anhänger der Liberalen stört das nicht. Hauptsache, es kommt Stimmung in den Saal, egal wie. Daniel Bahr würde in die sozialpolitischen Geschichtsbücher der BRD eingehen, verkündet Brüderle beispielsweise. Sein Verdienst: der Pflege-Bahr, eine private Pflegezusatzversicherung, die staatlich gefördert wird und vor allem eine weitere Schwächung der Sozialversicherung und eine Förderung der Versicherungsindustrie darstellt. Rösler sei ein Wachstums- und Entlastungsminister, der die Probleme mit der Energiewende löse, die Rot-Grün geschaffen hätten.

Wunschlösungen

Den Grünen wirft Brüderle gleichzeitig vor, nichts gegen die zum Jahreswechsel gestiegenen Energiepreise unternommen zu haben. Das ist doppelt scheinheilig: Einmal, weil die Grünen seit 2005 nicht mehr an der Regierung sind. Vor allem aber hat die derzeitige Regierung mit den weit reichenden Ermäßigungen bei Netzentgelten und EEG-Umlage für Industrie und Unternehmen maßgeblich zum Strompreisschwung beigetragen.

Brüderles Wunschlösung hingegen ist einfach: Er fordert ein Moratorium beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, um Verarmung und Deindustrialisierung in Deutschland zu verhindern. Zudem fordert Brüderle, der bereits eine unheilige Allianz zwischen Wall Street und der europäischen Linken ausgemacht haben will, die Geldwertstabilität ins Grundgesetz aufzunehmen.

Und auch der Noch-Parteivorsitzende Rösler hat eine Idee für eine Grundgesetzänderung parat. Zusätzlich zur Schuldenbremse soll dort auch eine Steuerschranke aufgenommen werden. Diese solle verhindern, dass sich der Staat saniert, indem er den Menschen in die Tasche greift. Dies sei nötig, weil Rot und Grün einen anderen Weg gehen wollten. Oder um es in den Worten von Niebel zu sagen: Die FDP setze auf die Großzügigkeit aller, die von ihrem Erfolg etwas abgeben wollen. Statt über Steuern sollen Gutverdiener oder Vermögende also über freiwillige Spenden an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden. Schließlich wolle nicht jeder Russe werden, merkt Niebel mit Blick auf einen berühmten französischen Steuerflüchtling an.

Immerhin, an einem rosaroten Blick auf die Welt mangelt es den Liberalen noch nicht. "Wir sind klug, und unsere Wähler sind es auch", befindet Niebel abschließend. Dann kann die nächste Landtagswahl ja kommen.