Von Amts wegen überflüssig

Unsere Bundespräsidenten reden viel - und sagen nichts. Spätestens die Amtszeit von Joachim Gauck zeigt: Das Amt des Bundespräsidenten gehört ersatzlos abgeschafft

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Was macht Joachim Gauck eigentlich den lieben langen Tag? Er empfängt Sternsinger und Staatsgäste, verteilt allerlei Orden und guckt sich ein paar Ausstellungen in der Provinz an … das klassische Pflichtprogramm eines Bundespräsidenten eben.

Ansonsten redet Gauck viel – und sagt nichts. Auf die berechtigte Frage hin, wo er denn politisch stehe, nennt er sich einen "linken, liberalen Konservativen". Da hätte er auch sagen können, dass er ein veganer Vegetarier sei, der tagtäglich sein Schnitzel verputzt.

Gepriesen als großer Redner hat er als Bundespräsident seit seinem Amtsantritt im März 2012 noch keine große Rede geschwungen – und mehr als reden kann ein Bundespräsident eben auch nicht machen. Selbst der gesichtslose Bürokrat Christian Wulff war in dieser Hinsicht fähiger, als er ohne Umschweife erklärte: "Der Islam gehört zu Deutschland!"

Gauck könnte zumindest mit den Bürgern reden, auf die "Straße" gehen, wo sich das wahre Leben abspielt; stattdessen offenbart ein Blick in seinen Terminkalender, dass er fast ausnahmslos andere Staatspräsidenten und Vertreter der politischen Klasse trifft. Der Pastor aus Rostock tingelt zwischen Staatsempfängen, einem Besuch im Vatikan und einem "Mittagessen zu Ehren von Wolfgang Schäuble". Bürgernähe geht anders! Immerhin, am 12. Dezember 2012 besuchte er ein Übergangswohnheim von Asylbewerbern im brandenburgischen Bad Belzig. So etwas tat zuletzt 1991 Richard von Weizsäcker. Doch Gauck verlor kein einziges Wort über die katastrophalen Zustände in solchen Heimen.

Unser christlich-barmherziger Bundespräsident hat es noch nicht mal übers Herz gebracht, die 1700 Meter von seinem gutbeheizten Schloss Bellevue zum Brandenburger Tor zu spazieren, um dort den frierenden und hungerstreikenden Flüchtlingen des "Refugee Protest Camp" zu begegnen. Aber was will man auch von jemanden erwarten, der die Thesen des Rechtspopulisten Thilo Sarrazin als "mutig" bezeichnet und die Sozialstaatlichkeit dahingehend in Frage stellt, "ob Solidarität und Fürsorglichkeit nicht auch dazu beitragen, uns erschlaffen zu lassen."

Sein Lieblingswort "Freiheit" zaubert Gauck so oft hervor wie er zum Atmen Luft holt. Um was für eine Freiheit geht’s da eigentlich? Um eine knallharte neoliberale Freiheit, die im Kapitalismus dieser Tage das Paradies auf Erden sieht. Genau jetzt, in Zeiten der Dauerkrise, bräuchten wir einen Bundespräsidenten, der die Verursacher und Nutznießer der Wirtschaftskrise mit glasklaren Worten anprangert. Aber welch weisen Worte posaunte Gauck in die Welt und in die Gesichter der Verlierer jener Krise? "Die Antikapitalismusdebatte ist unsäglich albern", sagte der Pastor.

Und im gleichen Atemzug verurteilte er die Occupy-Bewegung wegen ihrer "romantischen Vorstellung von einer Welt, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne". Gauck ist nicht nur der Meister des Dauergrinsens, sondern auch ein Meister der Gleichgültigkeit gegenüber sozial Benachteiligten.

Nun, mit Amtsbezügen von jährlich 217.000 Euro plus 78.000 Euro sogenanntes "Aufwandsgeld" lässt sich hübsch von der Kanzel predigen. Die Ruhebezüge – also jener unehrenhafte Ehrensold – belaufen sich auf die Höhe der Amtsbezüge. Man möge bloß nicht auf die vermessene Idee kommen nachzurechnen, wie viele notleidende Menschen von einem solchen Traumgehalt leben könnten.

Man könnte die "Entlassungsproduktivität" unseres Landes deutlich steigern, wenn man Gauck – und überhaupt des Amt des Bundespräsidenten – für immer verabschiedet. Denn welcher der letzten Bundespräsidenten hat eigentlich seine Aufgabe auch nur halbwegs erfüllt, die das offizielle Protokoll vorsieht? Laut Internetseite des Bundespräsidialamts obliegt es ihm, "klärende Kraft zu sein, Vorurteile abzubauen, Bürgerinteressen zu artikulieren, die öffentliche Diskussion zu beeinflussen, Kritik zu üben, Anregungen und Vorschläge zu machen."

Tja, werte Herren Gauck, Wulff, Köhler und Co: Aufgabe verfehlt, durchgefallen! Das Amt des Bundespräsidenten ist so sinnvoll wie ein Dixi-Klo auf dem Mond. Es gehört ersatzlos abgeschafft, zumal der Bundespräsident das einzige Verfassungsorgan ist, das aus nur einer Person besteht: So etwas kennt man aus Monarchien, nicht aber aus modernen Demokratien.

Dasselbe gilt für den Vorgang der Majestätsbeleidigung, der in Deutschland noch immer unter Strafe steht: "Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Nein, dieses Gesetz stammt nicht aus den Geschichtsbüchern – es handelt sich um geltendes Recht unseres Strafgesetzbuchs und steht dort unter § 90, Absatz 1.

Patrick Spät, Jahrgang 1982, hat 2010 seine Promotion in Philosophie an der Universität Freiburg abgeschlossen. Seitdem arbeitet er als freier Journalist und Autor in Berlin.