Erfolg kommt ungelegen

Niederschlag im 3. Quartal 2012, dargestellt in Prozent des jeweiligen örtlichen Durchschnitts. Der gesamte Osten und große Teile des Südens leiden unter extremen Mangel an Regen. Bild: Australischer Wetterdienst

Die Energie- und Klimawochenschau: Während sich hierzulande Journalisten und Regierung über umweltfreundliche Energieversorgung ärgern, bricht in Australien schon wieder eine Hitzewelle alle Rekorde

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Das Jahr fängt mit einer guten Nachricht an: Rund 7,6 Gigawatt an neuer Solarleistung sind 2012 hinzu gekommen, heißt es, wenn auch noch bisher nur inoffiziell. Damit wären innerhalb von drei Jahren Solaranlagen mit einer Leistung von gut 22 Gigawatt installiert worden, womit rein rechnerisch fünf Millionen durchschnittliche Vier-Personen-Haushalte versorgt werden können.

Eigentlich sollte das Anlass zur Freude sein. Immerhin gibt es, wie alle Meinungsumfragen zeigen, in der Bevölkerung einen breiten Konsens, der die Atomkraftwerke stillgelegt sehen will. Spätestens seit dem Dreifach-GAU im japanischen Fukushima ist die hiesige Gemeinde der Atom-Fans zu einer gesellschaftlichen Randgruppe zusammengeschmolzen.

Außerdem hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die fossilen Brennstoffe, auch die Kohle, nicht in beliebiger Menge und nicht auf ewig zur Verfügung stehen. In den Preisen für Importkohle spiegelt sich das seit einigen Jahren bereits wieder. Und schließlich ist ja nun seit mindestens 25 Jahren hinlänglich bekannt, dass die Treibhausgase, die bei der Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Energieträgern entstehen, das Klima in gefährlicher Weise verändern werden, wenn die Emissionen nicht bald zurück gehen. Nachlesen ließ sich das zum Beispiel schon 1992 in aller Ausführlichkeit in den Berichten einer Enquete-Kommission des Bundestages.

Doch offensichtlich grassiert in den Redaktionsstuben die große Amnesie. Die Zeit beklagt daher gar den raschen Ausbau und moniert, dass eine noch stärkere Kürzung der Vergütungssätze nicht durchsetzbar gewesen sei. Der Solarboom sei schuld, dass die Strompreise weiter steigen. Eine Erzählung, die in den letzten Monaten so oft wiederholt wurde, dass keiner mehr meint, sie überprüfen zu müssen.

Nachgerechnet

Aber ist es tatsächlich so? Kommt uns der Bau neuer Solaranlagen wirklich so teuer, wie Land auf, Land ab immer wieder behauptet wird? Rechnen wir einmal nach: 7,6 Gigawatt ergibt bei 900 Volllaststunden im Jahr, mit denen im Allgemeinen gerechnet wird, 6,84 Milliarden Kilowattstunden, die die neuen, meist sehr kleinen Solarkraftwerke jährlich liefern.

Der Strom der in den ersten drei Monaten 2012 errichteten Anlagen wird je nach deren Größe mit 18,76 bis 24,3 Cent pro Kilowattstunde vergütet. In dieser Zeit wurden zwei Gigawatt neu installiert. Zum 1. April sank die Vergütung drastisch auf 13,5 bis 19,5 Cent pro Kilowattstunde. Danach ging es in Monatsschritten weiter abwärts, bis im Dezember für den Strom aus den dann neu installierten Anlagen rund 0,4 Gigawatt 12,08 bis 17,02 garantiert wurde.

Da es etwas arg mühsam wäre, die jeweiligen Anlagengrößen aus den Meldungen der Bundesnetzagentur herauszusuchen, gehen wir für eine Überschlagrechnung von durchschnittlich 18 Cent pro Kilowattstunde aus, die die Betreiber der 2012 errichteten Solaranlagen für ihren Strom an Vergütung bekommen.

Den größten Teil verkaufen die Netzgesellschaften an der Strombörse. Setzen wir dafür einen Preis von 4,5 Cent pro Kilowattstunde an, was eher niedrig geschätzt sein dürfte, verbleibt eine Differenz von 13,5 Cent. Diese bekommen die Gesellschaften über die EEG-Umlage erstattet, die die Privathaushalte und Gewerbebetriebe, nicht aber die großen industriellen Verbraucher, mit ihrer Stromrechnung bezahlen müssen.

Multipliziert man die oben errechneten 6,84 Milliarden Kilowattstunden mit den 13,5 Cent, so ergeben sich 923,4 Millionen Euro, die über die Umlage eingetrieben werden. Private Haushalte und Gewerbe verbrauchen zusammen im Jahr rund 225 Milliarden Kilowattstunden. Summa summarum bedeutet also der Zubau 2012 für sie zusätzliche Belastungen von etwa 0,4 Cent pro Kilowattstunde, oder auch weniger, denn die Annahmen dieser Überschlagrechnung sind eher konservativ.

Das hört sich nicht gerade nach einer Summe an, wegen der sich viel Geschrei lohnt. Wenn aber die Koalitionspolitiker tatsächlich der Ansicht sind, der Verbraucher werde zu stark zur Kasse gebeten, wie sie lauthals verkünden, dann könnten sie ja die Stromsteuer abschaffen. Die kostet private Haushalte immerhin 2,05 Cent pro Kilowattstunde und dient unter anderem der Subvention des Steinkohlebergbaus an Saar und Ruhr.

Umlage neu berechnen

Und das wäre nur eine von einer ganzen Reihe von Maßnahmen, mit denen sich der Strompreis für die privaten Verbraucher senken ließe. Die EEG-Umlage ist zum Beispiel auch deshalb so hoch, weil der Solarstrom die Börsenpreise erheblich drückt. Würden die Energieversorger, die Strom an der Börse günstig ankaufen, aber teuer an die Verbraucher abgeben, gezwungen, ihren Preisvorteil an die Endabnehmer weiterzureichen, dann wäre die Kilowattstunde noch einmal rund zwei Cent billiger. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion erstellte Studie.

Das Amüsante an den beeindruckenden Zubauzahlen ist die Erkenntnis, dass 2012 der Aktionismus der Anti-Solarfraktion zum wiederholten Male nach hinten los ging. Eigentlich hatte man sich von der drastischen Absenkung der Vergütungssätze erhofft, den Ausbau abzubremsen. Erreicht wurde jedoch das Gegenteil. Solar-Interessierte beeilten sich mit ihren Anschaffungen, um noch möglichst hohe Vergütungen zu bekommen.

Dafür kann sich die schwarz-gelbe Koalition einen anderen Erfolg auf die Fahne schreiben: In Verbindung mit einem erheblichen Überangebot an Solarmodulen auf dem Weltmarkt führten die erneuten Einschnitte dazu, dass die Preise für Solaranlagen ihre rasche Talfahrt fortsetzten. 2012 verbilligten sie sich noch einmal um knapp 15 bis 30 Prozent. Vermutlich haben Union und FDP der Technologie damit ungewollt auf dem Weltmarkt zum endgültigen Durchbruch verholfen.

Tödliche Hitze

Derweil bekommt einer der größten Kohleproduzenten gerade am eigenen Leibe zu spüren, was der Klimawandel bedeuten kann. Ganz konkret. Wenn Wissenschaftler mit trockener Statistik erläutern, dass sich in einem wärmeren Klima die Glockenkurve der Verteilung der Temperaturen verschiebt, dann hört sich das ziemlich abstrakt an. Den Australiern erleben gerade was, diese bedeutet: Wenn es im Durchschnitt wärmer wird, wird es eben auch manchmal ganz besonders heiß.

Am 7. Januar betrug der Landesdurchschnitt der Tageshöchsttemperaturen nach einem Bericht des australischen Wetterdienstes 40,3 Grad Celsius, was ein neuer Rekord war. In den Tagen zuvor hatte der Wert einige wenige Zehntelgrad darunter gelegen. Das war, wie gesagt, ein Durchschnittswert für einen ganzen Kontinent, und kein lokales Ereignis. Entsprechend waren an vielen Stationen die Temperaturen noch deutlich höher, zum Teil bis über 48 Grad Celsius. Derartige Hitze wird lebensgefährlich, wenn man sie über mehrere Stunden ohne Gelegenheit zur Abkühlung ertragen muss.

Bereits seit September 2012 erlebt das ganze Land deutlich überdurchschnittliche Temperaturen. In einem Teil des Landes, insbesondere in einigen wichtigen Agrarregionen, fiel zudem im letzten Quartal viel zu wenig Regen, das heißt es herrscht starke Dürre, die insbesondere auf Tasmanien auch bereits zu dramatischen Buschbränden geführt hat. In einigen Regionen ist von der schlimmsten je erlebten Feuergefahr die Rede.

Für Australien heißt das ziemlich viel, denn das Land hat in den letzten Jahren bereits eine ganze Reihe verheerender Hitzewellen und Buschbrände durchlitten (Ein Blick in die Zukunft, Australien kocht, Rekordsommer). Dennoch gab es dort vor nicht allzu langer Zeit noch eine regelrechte Kampagne gegen Klimawissenschaftler, die mit wüsten Drohungen überhäuft wurden (Rabiate Wissenschaftsfeinde).

Der Wetterdienst geht davon aus, dass die Hitzewelle weiter anhalten und noch zahlreiche neue Rekorde aufstellen wird. Für die nächsten Tage werden für einige Regionen im Landesinneren Höchsttemperaturen von bis zu 54 Grad Celsius vorhergesagt. In sechs Bundesstaaten gibt es inzwischen Buschbrände, aber gefährlicher als das Feuer ist die Hitze selbst. Das Magazin New Scientist zitiert die australische Umweltmedizinerin Liz Hanna, nach deren Angaben in Australien wesentlich mehr Menschen durch Hitze als durch Feuer oder Überschwemmungen getötet werden. Ab Temperaturen von 35 Grad Celsius haben insbesondere Kleinkinder und Alte Schwierigkeiten.