Die Stunde der Xenoarchäologen

Das vermeintliche "Marsgesicht", die durch eine Kombination aus HRSC-Stereobilddaten mit darübergelegten hochauflösenden Bilddaten der Mars Observer Camera auf der NASA-Sonde Mars Global Surveyor erzeugt wurde. Die Blickrichtung ist von Süden nach Norden. Bild: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

SETA - Spurensuche nach dem extrasolaren Monolithen - Teil 6 (Letzter Teil)

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Bereits 1938 erzählte der englische Schriftsteller John Wyndham in seiner Science-Fiction-Novelle "The Last Lunarians" in Form eines fiktionalen Reports von einer archäologischen Mission zum Mond. In seiner legendären Kurzgeschichte "The Sentinel" machte Arthur C. Clarke den Sprung auf die nächste Ebene und legte den literarischen Grundstein für eine in der SETI-Forschung bislang unbekannte Teildisziplin, die sich inoffiziell Mars SETA oder Lunar SETA nennt. Ihre Anhänger glauben, dass technologisch hochstehende extraterrestrische Kulturen zur Kontaktaufnahme materiell-stoffliche Artefakte auf dem Mars und im grauweißen Mondsand platziert oder vergraben haben könnten. Um dies zu beweisen, haben Wissenschaftler Fotos vom Mars und Mond, aufgenommen von Forschungssonden, dokumentiert und ausgewertet - und dabei sogar verdächtige Strukturen ausgemacht, die Artefakte sein könnten. Mit Teleskopen observieren sie derweil das größte Objekt ihrer Begierde kontinuierlich: den Mond. Doch mit Blick auf den Erdtrabanten müssen sie den größten Datenberg noch abtragen. Dabei könnten sie Überraschendes zutage fördern …

Teil 5: Weltraumkolonien, Kunstplaneten und Astro-Magier im Fokus

Bild: NASA

Mythos Marsgesicht

Die Taktik unserer grünen planetaren Nachbarn von der roten Welt war stets undurchsichtig. Erst machten sie mit dem Bau eines breiten Kanalsystems auf sich aufmerksam, deren linienartige Struktur der US-Astronomen Percival Lowell (1855-1916) vor knapp 110 Jahren explizit als marsiane Artefakte, 437 an der Zahl, interpretierte. Kurz darauf überfielen sie die Erde in einer ausgesprochen schlampig organisierten Nacht-und-Nebel-Aktion, bei der der Mikroben-Faktor auf dilettantische Art und Weise völlig außer Acht gelassen wurde. Und anschließend meißelten sie ein zorniges Gesicht in den Marsboden und hinterließen zu guter Letzt sogar angeblich eine riesige Pyramide in der Wüstenlandschaft der irdischen Nachbarwelt.

Percival Lowell - gewissermaßen der erste SETA-Astronom

Heute jedoch wissen wir es besser: Die linienartigen Strukturen, die Giovanni Schiaparelli (1835-1910) bereits 1877 während einer intensiven Beobachtungskampagne als künstlich angelegte, wasserführende Kanäle (canali) bezeichnete (womit er jedoch nur natürlich gewachsene angelegte Flussbetten auf dem Mars meinte), was kurz darauf einen gewissen Herbert George Wells (1866-1946) literarisch inspirierte, beruhen entweder auf optischen Täuschungen - oder sind nichts anderes als zufällige exogeologische Erscheinungen, auch wenn dies viele Anhänger der Paläoastronautik trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA und der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA immer noch nicht wahrhaben wollen.

Cydonia-Region mit "Face on Mars" und pyramidenähnlichen Strukturen Bild: NASA

Bei der berühmtesten nicht-irdischen Felsformation kam dies besonders zum Tragen. Als sich bei der Analyse eines bizarren Bildes, das der Marsorbiter Viking-1 am 25. Juli 1976 aufnahm, eine Struktur offenbarte, die von oben betrachtet wie ein Gesicht aussah, charakterisierte die NASA fragliche Formation eine Woche später in einer Pressemitteilung als "einem menschlichen Kopf ähnlich".

Diese Äußerung und das Bild selbst beflügelten die Phantasien vieler Menschen. Auch die Medien beteiligten sich rege an den Spekulationen, die ihren Ausdruck in zahlreichen mehr oder weniger ernsthaften Zeitungsartikeln, in Werken der populärwissenschaftlichen und Science-Fiction-Literatur, in TV-Beiträgen und später auf vielen esoterisch gefärbten Paläo-SETI-Webseiten fanden.

Ein Mythos war geboren. Und der Mythos lebt weiter - trotz aller entlarvenden Fotos der Cydonia-Region, aufgenommen von den NASA-Marsorbitern Mars Global Surveyor (1998 und 2001) und Mars-Odyssey (2002). Er lebt weiter - ungeachtet der hochauflösenden 3D-Bilder, die der ESA-Forschungsroboter Mars Express im Juni 2006 mit einer bis dahin noch nicht da gewesenen Genauigkeit - 13,7 Meter pro Bildpunkt - zur Erde funkte.

Da verliert der Mars sein Gesicht, da erleidet der Rote Planet einen marsianen Gesichtsverlust, und dennoch versuchen die Anhänger der Paläoastronautik ihr Gesicht zu wahren und rücken keinen Deut von ihrem Glauben ab. Für sie lassen einige Bildausschnitte der von den US-Orbitern geschossenen Fotos nur einen Schluss zu: Was auf dem Mars in der Cydonia-Region (und nicht nur dort) zu sehen ist, sprich Pyramiden, verlassene Siedlungen und verfallene Städte, sind architektonische Relikte einer längst vergangenen hochstehenden Zivilisation. Es sind Artefakte einer intelligenten Kultur, die entweder auf dem Mars für längere Zeit gelebt oder den Roten Planeten einst als Basis genutzt hat.

Wissenschaftliche Bestätigung

Obgleich bizarre Strukturen auf dem Mars nichts Ungewöhnliches, sondern meist das Ergebnis exogeologischer Umwälzungen sind und auch neueste Fotos der Marsoberfläche zeigen, dass die Geologie des jungen Mars wesentlich dynamischer gewesen war, als bisher angenommen, sympathisieren bisweilen offensichtlich selbst gestandene Wissenschaftler mit der marsianen Artefakt-These - wie etwa Mark J. Carlotto und Michael C. Stein. Nach der Analyse der Viking-Daten nahm die beiden Satellitendaten- und Bildbearbeitungsexperten vor 23 Jahren das Gesicht vom Mars und die nähere Umgebung mittels einer von ihnen weiter entwickelten Methode nochmals genauer unter die Lupe. Hierbei wandten sie die Fraktal-Methode an. Sie baut auf der Erfahrung auf, dass auf Satellitenaufnahmen der Erde natürlich gewachsene größere Strukturen wie Landschaften, Wüsten, Dünen oder Berge stets aus den gleichen Details bestehen, die nur in puncto Größe und Ausdehnung variieren. Diese gleichen auch jenen auf anderen Steinplaneten im Sonnensystem. So ähneln beispielsweise bestimmte Landschaftszüge auf dem Mars denen der Erde.

Viking 1. Bild: NASA

Gleichwohl sind auf der Erdoberfläche überall Muster von Intelligenz zu finden, Spuren technologischer Schaffenskraft - wie Straßen, Städte, Fahrzeuge oder archäologische Ruinen. Von Weltraum aus sind solche Muster leicht zu erkennen, weisen sie doch Merkmale und Größen auf, die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Größe ihrer Konstrukteure stehen. Mit speziellen Computerprogrammen lassen sich sodann die künstlich gearteten Muster und Anomalien von natürlichen gezielt abgrenzen. Und durch den Einsatz von Falschfarbenaufnahmen gewinnen ungeahnte Details an Schärfe. Wie dem auch sei - nach dem Scan der Viking-Bilder zogen die Forscher 1990 jedenfalls ein überraschendes Fazit:

Nachdem wir die Technik angewandt und die Bilder des Viking-Orbiters untersucht haben, deuten die vorläufigen Resultate darauf hin, dass bestimmte Objekte auf der Oberfläche des Mars, die zurzeit unter Beobachtung stehen, nicht natürlichen Ursprungs sind.

Ihrer Ansicht nach verdienen in der Cydonia-Region mehrere Objekte wissenschaftliche Aufmerksamkeit: zum Beispiel ein pyramidenartiges Gebilde und einige scharfeckige Formationen, die so aussehen, als seien sie in die Landschaft eingeätzt worden. Da auf dem Mars offensichtlich eine bestimmte Anzahl artifizieller Gebilde existiere, seien weitere Untersuchungen unerlässlich. In einem 17 Jahre später publizierten Fachaufsatz geht Carlotto - ungeachtet des marsianen Gesichtsverlustes - sogar noch weiter:

Die vorliegenden Resultate zeigen, dass im Vergleich zu irdischen Mustern bestimmte Bereiche auf unserem Mond und auf dem Mars wie künstlich gemacht wirken.

Man müsse diese Gebilde weiterhin observieren. Immerhin könne man jetzt, wie Auswertungsübungen von Satellitenbildern der Erde gezeigt haben, mit 85-prozentiger Genauigkeit natürliche Muster von artifiziellen unterscheiden, erläutert Carlotto. Er bezeichnet das Abscannen von Planetenoberfläche als pSETI (Planetary SETI), ein Terminus technicus, der sich in der SETI Community gleichwohl noch nicht etabliert hat.

Mars mitsamt Polarregion. Auf ihm vermuteten noch im letzten Jahrhundert einige Wissenschaftler intelligente Lebensformen. Bild: NASA

Sein Optimismus teilt kein Geringerer als der weltbekannte Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke, aus dessen Feder das legendäre Opus "2001: A Space Odyssey" stammt. Im Februar 2001 ließ er nicht den Hauch eines Zweifels daran aufkommen, dass für ihn der geheimnisvolle Rote Planet in ferner Vergangenheit einmal die Heimat einer intelligenten Kultur gewesen war.

Ich bin davon überzeugt, dass wir auf dem Mars tatsächlich Leben gefunden haben. Es gibt einige unglaubliche Fotografien vom Jet Propulsion Laboratory [der NASA], die für mich ein ziemlich klarer Beweis für die Existenz fortgeschrittener Lebensformen auf dem Mars sind. Schauen Sie sich die Bilder an. Ich sehe hierfür keine andere Erklärung.