Obama: Der gute Mensch von Washington

In seiner zweiten Antrittsrede macht US-Präsident Obama erneut deutlich, dass man wenig von ihm erwarten kann

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Um die 800.000 Menschen - und viele Sicherheitskräfte - waren dabei, als Präsident Barack Obama gestern seinen zweiten und letzten Amtsantritt begann. Obama, der unter großen Erwartungen und ebenso groß gesteckten Zielen 2009 angetreten war ("Change has come to WhiteHouse.gov"), konnte seine Politik der Veränderung bislang nicht durchsetzen. Erwartet wird, dass er in den zwei Jahren, in denen er noch handeln kann, bevor er zu einer lame duck wird, seine Politik aggressiver vertreten wird. Schließlich will er nicht nur der erste schwarze Präsident im Amt sein, sondern auch wegen seiner Politik in die Annalen eingehen. Interessant war daher, welche Akzente er jenseits aller üblichen Beschwörungsformeln in seiner Antrittsrede setzen würde. Aber Obama enttäuschte, er ist eben wieder Präsident, weil es keine wirkliche Alternative gab.

US-Präsident Barack Obama bei seiner zweiten Amtsantrittsrede. Screenshot vom Video des Weißen Hauses

Zu Beginn stellte Obama heraus, dass die Gleichheit eine der zentralen Ideen der USA und ihrer Verfassung sei, um dann gleich wieder, wie schon 2009, die Einheit der Amerikaner zu beschwören, die gemeinsam ihren Weg gehen. Vorsichtig betonte er hinter der Wertschätzung des freien Marktes, der privaten Initiative und des Unternehmertums die Notwendig des sozialen Ausgleichs, der trotz aller Skepsis gegenüber dem Zentralstaat eben einen solchen verlangt, um Regeln zu setzen. Schnell aber ist er wieder dabei, die Notwendigkeit der Gemeinsamkeit zu betonen. Man müsse mehr als bisher "als eine Nation und als ein Volk" zusammenstehen, obgleich doch gerade ein Jahrzehnt des Kriegs zu Ende geht und die Amerikaner durch Krisen geprüft worden seien, "die unsere Entschlossenheit gestählt und unsere Ausdauer geprüft haben".

Das war aber auch schon alles, was Obama von der einst von Bush gebrauchten Rhetorik des Kampfs und Kriegs der Guten gegen die Bösen aufgriff. Obama führte seine Kriege lieber heimlich mit Spezialeinheiten, Drohnen, Hilfe und Diplomatie, er setzt darauf, dass nun eine andere Entscheidung ansteht, die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Wachstums. Und anstatt an die Menschen zum Krieg aufzurufen, um die Supermacht USA zu bewahren, versucht er natürlich auch wieder an den amerikanischen Traum anzuknüpfen und die USA als ein besonderes, herausgehobenes Land mit ganz einzigartigen Qualitäten herauszustellen, darunter scheint es nicht zu gehen:

Amerikas Möglichkeiten sind grenzenlos, da wir alle Eigenschaften besitzen, die diese Welt ohne Grenzen verlangt: Jugend und Antrieb, Diversität und Offenheit, eine endlose Risikokapazität und eine Gabe für die Neuerfindung. Meine amerikanischen Mitbürger, wir sind für diesen Augenblick gemacht und wir werden ihn ergreifen, so lange, wie wir ihn zusammen ergreifen.

Da ist natürlich Skepsis herauszuhören, schließlich hat Obama erfahren, dass Gemeinsamkeit in der Politik kaum mehr möglich ist, dass die Lager gespalten sind und damit auch die Nation. Ein klein wenig kritisiert er die wachsende Ungleichheit und will sich auf die "breiten Schultern der wachsenden Mittelklasse" stellen, die doch eher schrumpft. Im Land der immer begrenzteren Möglichkeit des sozialen Aufstiegs erinnert er an die Chancengleichheit, ohne zu benennen, wie er sie wirklich herstellen will, sieht man einmal von der Gesundheitsreform, der Steuererhöhung für die Reichen und einer sehr vagen Unterstützung der sozialen Sicherheitssysteme ab, weil jeder unverschuldet auf deren Hilfe angewiesen sein könne.

Ist die neue Frisur von Michelle Obama der verbliebene "Change"? Screenshot vom Video des Weißen Hauses

Immerhin streicht Obama auch die Bedrohung durch den Klimawandel und den Umweltschutz heraus. Für seine, wenn auch nur weitgehend angekündigte Klimapolitik war er besonders im Wahlkampf gegeißelt worden. Er verweist auf Brände, Dürren und Stürme, die mit dem Klimawandel zu tun hätten, weswegen der Umstieg auf erneuerbare Energien in den USA nicht nur stattfinden, sondern auch von den USA angeführt werden müsse. Sonst, so warnt er, würden andere Staaten die Techniken entwickeln. Auffällig ist, dass er nicht als Präsident spricht, sondern vorgibt, dass er nur die Stimme des Volkes sei: "We, the people …" Ein fragwürdiger rhetorischer Trick, der eher deutlich macht, dass sich Obama eher hinter der vermeintlichen Mehrheit versteckt, als aggressiv eigene Themen zu setzen.

Dass die USA die Demokratie auf der ganzen Welt unterstützen und eine "Quelle der Hoffnung für die Armen, die Kranken, die Marginalisierten, die Opfer des Vorurteils" sind, sind geschenkte Leerformeln. Immerhin aber fordert er, dass die Frauen den gleichen Lohn wie die Männer erhalten, die Homosexuellen die gleichen Rechte wie die Heterosexuellen haben und den Immigranten bessere Chancen gewährt werden müssen. Man wird sehen müssen, ob daraus irgendwas folgen wird. Am Ende muss dann doch wieder das Schicksal oder Gottes Auftrag herhalten, verkleidet als "Auftrag der Geschichte", was Bush auch gerne für sich und die USA reklamierte, um das "wertvolle Licht der Freiheit in eine ungewisse Zukunft zu tragen".

Achja, abgesehen von einige Akzenten bleibt Obama, wie er die letzten vier Jahre gewesen ist. In manchen Hinsichten voll des guten Willens, aber wenig kampfbereit, weil er doch so gerne der Präsident des amerikanischen Volkes wäre, was er einfach nicht sein wird. Was ist vom guten Mensch von Washington zu erwarten? "The same procedure as last year." Vielleicht war die Frisur von Michelle Obama schon die wichtigste Veränderung im Weißen Haus. Andererseits garantiert Obama ein wenig Stabilität, die aufs Spiel gesetzt worden wäre, wenn Mitt Romney oder andere Kandidaten der Republikaner oder der Tea Party ans Ruder gekommen wären. Und man kann gewiss sein, dass Obama die USA nicht in einen offenen Krieg führen wird. Ansonsten schweigt er über Außenpolitik, was auch ein Statement ist.