Staatliche Zuschüsse für unprofitable Medien

Und mehr Medienaufsicht und Bußgelder zur Qualitätssicherung: Vorschläge einer EU-Beratergruppe

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Mehr Pressefreiheit und Meinungsvielfalt durch stärkere Kontrolle, durch Sanktionen und Subventionen? Eine EU-Beratergruppe, im Englischen als „High Level Group on Media Freedom und Pluralism“ ausgewiesen, hat sich von möglichen Widersprüchen einer solchen Vorgehensweise nicht aus ihrem Konzept bringen lassen und stellt in ihrem Bericht 30 Empfehlungen vor, die, wenn sie denn als verbindlichere Forderungen formuliert werden, in diese Richtung gehen - mehr Überwachung und Geldzuschüsse für ausgewählte Veröffentlichungen, die am Markt nicht profitabel sind.

Die erste konkrete Idee der vierköpfige Beratergruppe unter Leitung der früheren lettischen Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga - aus Deutschland ist die SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin mit von der Partie ist die Gründung einer europäischen Grundrechteagentur. Diese sollte regelmäßig Berichte über Risiken der Pressefreit und des Pluralismus der Medien in jedem EU-Land abgeben und zur Diskussion an das EU-Parlament weiterreichen.

Das Parlament würde daraufhin möglicherweise Resolutionen verabschieden oder Empfehlungen für geeignete Maßnahmen aussprechen. Soweit so harmlos. Auch das als Alternative empfohlene „Unabhängige Medienüberwachungszentrum“ hat einen tönenden Namen, Sanktionsmöglichkeiten bleiben allerdings unausgesprochen.

Konkreter wird die Beratergruppe allerdings in ihrer Empfehlung Nummer 4. Dort wird zur Schaffung von „unabhängigen Medienräten“ geraten, für jedes EU-Land. Diese Gremien sollten Kompetenzen dafür haben, Medien genauer auf die Finger zu sehen und ggf. Ermittlungen einzuleiten - und sie sollen mit echter Strafverfolgungsmacht ausgestattet werden: Bußgelder verhängen, Gegendarstellungen bzw. öffentliche Entschuldigungen erzwingen oder in gravierneden Fällen die Zulassung von Medien entziehen.

Dem Aufsichtsapparat wird nach den Vorschlägen der Beratergruppe ein Belohnungsapparat beigesellt, mit den üblichen Häppchen - Preisen und Fördergeldern für unabhängigen, qualtitativ guten Journalismus, sowie Geld für Bewertungsgremien, die die Preisträger auswählen - und einem interessanten Brocken:

Es sollte einen Staatszuschuss für Medien geben, die essentiell wichtig sind für den Pluralismus (eingeschlossen geographischer, sprachlicher, kultureller und politischer Pluralismus), aber nicht kommerziell lebensfähig. Der Staats sollte eingreifen, wann immer es ein Marktversagen gibt, das zu einer Unterversorgung im Sinne der Vielfalt führt, die als wichtiges öffentliches Gut betrachtet werden sollte.

Angesichts der großen Spielräume, welche die offenen Begriffe wie Pluralismus und Qualität bieten, und angesichts der Lobbyarbeit im Interesse der großen Verlage, für die sich Brüssel in der Vergangenheit zugänglich zeigte, ist Skepsis darüber angebracht, wer von solchen Staatszuschüssen profitiert. Wie auch gegenüber dem generellen Konzept, das dem Staat größere Möglichkeiten einräumt, mit Strafen und Geldzuwendungen auf Publikationen zu reagieren.

Bislang sind die Vorschläge der Beratergruppe jedoch nur beschränkt spruchreif; die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, Neelie Kroes, hat sich noch nicht eindeutig zu den Empfehlungen positioniert. Man wolle damit zunächst nur eine Debatte bei den Staats- und Regierungschefs eröffnen.