Mali-Intervention hat die Franzosen bislang 30 Millionen Euro gekostet

Der bislang erfolgreiche Krieg könnte aber schnell im Desaster enden, da es immer mehr Flüchtlinge gibt und der malischen Armee schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden

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Mittlerweile sind in Mali 2.300 französische Soldaten im Einsatz. Seit Beginn der militärischen Intervention am 11. Januar unter dem Namen Serval haben die Truppen, zusammen mit der malischen Armee, die Islamisten bereits aus einigen Städten im Norden des Landes vertrieben. Die teils gut ausgerüsteten Islamisten haben gegen die bislang angewandte Strategie keine Chance.

Am 21. Februar wurde die Stadt Diabali von französischen und malischen Truppen eingenommen. Bild: EMA/französisches Verteidigungsministerium

Zuerst werden die Stellungen und mutmaßliche Aufenthaltsorte der Islamisten wie jetzt in Timbuktu aus der Luft bombardiert, bis die Islamisten sich zurückziehen oder sich unters Volk mischen. Dann rücken die Bodentruppen vor und versuchen, die Städte zu sichern. Der relativ schnelle und erfolgreiche Vormarsch überrascht nicht, das Problem wartet wohl erst in der Zukunft, weil die Islamisten sich in dem riesigen Gebiet von Nordmali verstecken und ihre Strategie wechseln können, wie dies auch im Irak und in Afghanistan der Fall. Wenn sie aufgeben, Städte kontrollieren zu wollen, solange sie sich in einem asymmetrischen Krieg mit einer weit überlegenen Armee befinden, und sich Guerilla-Taktiken und Anschlägen zuwenden, können sie den schnellen Erfolg in einen für die Franzosen, die schwache malische Armee und die Truppen der UN-Mission MISMA zermürbenden Krieg verwandeln. Wie schon die Massengeiselnahme auf dem algerischen Gasfeld demonstriert, werden die Islamisten nach dem Vorbild von Irak und Afghanistan diesen Weg einschlagen.

Noch freilich ist die militärische Intervention für Frankreich glimpflich abgelaufen, obgleich andere Länder wie Deutschland im Wesentlichen logistische Hilfe, aber keine direkte militärische Unterstützung leisten. Die bislang zwölftägige Intervention hat nach dem französischen Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian um die 30 Millionen Euro gekostet. Am teuersten sei dabei bislang der Transport gewesen. Jährlich seien für das Ministerium 630 Millionen Euro für Auslandseinsätze (opex: opérations extérieures) vorgesehen. Man habe also, nachdem das Jahr gerade begonnen hat, noch keine finanziellen Probleme, versicherte Le Drian. In den letzten Jahren wurden für Auslandseinsätze jährlich durchschnittlich eine Milliarde ausgegeben.

Nachdem Frankreich bereits Ende des Jahres - vorausschauend? - alle Kampftruppen aus Afghanistan zurückgezogen hat und die verbleibenden 1500 Soldaten bis Sommer auf 500 reduzieren will, ließe sich Mali-Einsatz stattdessen finanzieren. Der Verteidigungsminister verbreitet die Überzeugung, dass der französische Einsatz sowieso nur kurzfristig sein wird. Es gehe lediglich darum, die Bedingungen zu schaffen, dass die UN-Mission MISMA mit afrikanischen Truppen die ihr von den Vereinten Nationen gestellten Aufgaben realisieren könne. Auch der Regierungschef Jean-Marc Ayrault wiederholte, dass man zwar die Operation fortsetzen, aber nicht in Nordmali bleiben wolle.

Exekutionen, Folter, Verschleppungen, Rassismus …

Die Perspektive ist allerdings optimistisch. Die schwache malische Armee wird selbst mit der Unterstützung durch die ostafrikanischen Truppen, vorgesehen sind 3.300 Soldaten, nach Abzug der Franzosen das Land kaum sichern können. Auch die 500 Ausbilder für die malische Armee, die die EU schicken will, werden die Situation nicht verändern. Möglicherweise könnten Probleme, die jetzt schon bestehen, durch eine bessere Ausbildung der malischen Armee verringert werden. Die UN-Mission hat nach der Resolution 2085 den Auftrag, die Sicherheit wiederherzustellen, um einen landesweiten politischen Dialog einzuleiten und einen demokratischen Prozess in Gang zu bringen, an dessen Ende eine gewählte Regierung steht. Das ist im Augenblick zumindest eher utopisch. Zudem aber sollen die ostafrikanischen Truppen die Zivilisten schützen und für Einhaltung der Menschenrechte sorgen.

Das Problem ist aber, dass nicht nur den Islamisten Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, sondern auch den malischen Soldaten. So warf die Fédération internationale des ligues des droits de l'Homme (FIDH) am Mittwoch der malischen Armee vor, willkürliche Exekutionen und andere Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, und verlangt die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission. Mindestens 30 Exekutionen von Menschen, die verdächtigt werden, Islamisten zu sein, oder die bestimmten Ethnien wie den Tuareg angehören, seien nach verlässlichen Informationen begangen worden. Es ist die Rede auch von Verschleppungen, Einschüchterungen und willkürlichen Hausdurchsuchungen.

Auch William Spindler, UNHCR-Sprecher, bezichtigte nicht nur die Islamisten, sondern auch die malische Armee, Menschenrechtsverletzungen zu begehen, und wies überdies auf das wachsende Problem der Flüchtlinge hin. Zudem ist die Versorgung der Menschen in Nordmali gefährdet, da die algerische Grenze geschlossen wurde und die Hilfsorganisationen nicht in die Kampfgebiete gelangen können. Von den 1,8 Millionen Menschen, die in Nordmali leben, seien mehr als 1,2 Millionen durch Lebensmittelunsicherheit, also Hunger, bedroht. Und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat einen offenen Brief an die französische Regierung geschrieben, in dem sie ebenfalls auf willkürliche Exekutionen, Folter und Verschleppungen seitens der malischen Armee hinwies. Besonders die unter dem Kommando des Putschisten Amadou Sanago stehenden Soldaten würden schwere Menschenrechtsverletzungen begehen.

Seitens des Dachverbands von Menschenrechtsorganisationen werden schwere Vorwürfe gemacht, die die Legitimation der französischen Intervention und die Kooperation der französischen und malischen Armee untergraben könnten, zudem wird die Sorge geäußert, dass durch die Menschenrechtsverletzungen in dem multiethnischen Land die bislang profranzösische Stimmung kippen könnte:

Diese schweren Menschenrechtsverletzungen bestätigen die Sorgen, die wir schon mehrer Wochen lang geäußert haben. Diese Racheakte stellen zusammen mit den extremen Spannungen, die zwischen den Bevölkerungsgruppen existieren, einen explosiven Cocktail das, der uns fürchten lässt, dass das Schlimmste, insbesondere im Hinblick auf die Aussichten, den Norden wieder zu erobern, geschehen könnte.

FIDH-Präsidentin Souhayr Belhassan

Die französische Regierung weiß, dass diese Entwicklungen für ihr Ansehen und die Akzeptanz der Intervention gefährlich werden könnten. Allerdings belässt man es bei Aufforderungen, die wenig bewirken werden. Le Drian bat die malische Armee, "extrem achtsam" auf Risiken zu sein, dass Menschenrechtsverletzungen begangen werden, da "ihre Ehre auf dem Spiel" stünde. Präsident Francois Hollande verlasse sich "auf den Verantwortungssinn der Führung der malischen Armee, jede Menschenrechtsverletzung zu vermeiden". Aber so leicht kann man sich nicht distanzieren, sondern man wird man als Befreier auch zum Komplizen von Rassismus, der sich nun gegen die "peaux blanches", die Araber und Tuareg in Nordmali, richtet. Der Kommandeur der malischen Armee hatte am Dienstag versprochen, dass jeder Soldat, der in Verdacht steht, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, aus dem Einsatz genommen und vor ein Militärgericht gestellt wird.