Schavan oder die Selbstdestruktion einer Person

Ohne jede Spur einer Selbstkritik will die Wissenschaftsministerin und ihre Partei das Plagiatsverfahren überstehen, was ein bezeichnendes Licht auf die politischen Rituale der Selbstbehauptung wirft

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Die Bildungs- und Wissenschaftsministerin Annette Schavan hat zwar über Person und Gewissen ihre Doktorarbeit geschrieben, aber sie gibt sich weiterhin kämpferisch, d.h. Selbstkritik kommt ihr nicht unter.

Die Universität Düsseldorf hat nun das Verfahren zur Überprüfung ihrer Doktorarbeit trotz erheblichen Drucks seitens der großen, vom Bundesministerium finanzierten Wissenschaftsorganisationen gestartet. Das Erstgutachten wirft der Ministerin eine "leitende Täuschungsabsicht" vor. Schavan hat, wie jeder im Schavanplag selbst prüfen kann, reichlich geschummelt. Sie hat abgeschrieben, ohne dies als Zitat auszuweisen, und sie hat, teilweise fehlerhaft, vorgegeben, Primärliteratur zu behandeln, während sie Sekundärliteratur ohne Anführungszeichen wiedergegeben hat.

Der jungen und ambitionierten Sozialwissenschaftlerin, die sich vor mehr als 30 Jahren an Denkern wie Heidegger, Freud oder Luhmann abgearbeitet hat, ohne diese womöglich im Original gelesen, geschweige denn verstanden zu haben, ist vielleicht nicht anzulasten, bequemere Wege zur direkten Promotion gesucht zu haben. Das Gesellenstück einer vorhergehenden Magisterarbeit musste sie noch nicht ablegen. Problematischer ist schon eher, dass ihr die Doktorarbeit von der Universität abgenommen wurde.

Zwar hat sie die Verfehlungen begangen - und man kann unterstellen, dass sie auch damals wusste, was der Unterschied zwischen Zitieren und Kopieren ist -, aber die Laxheit der betreuenden Professoren ist mindestens ebenso schlimm. Die aber steht nicht zur Debatte, sie kann aber auch nicht entschuldigen, sich nicht an die auch 1980 geltenden Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens gehalten zu haben. Schließlich hatte sie versichern müssen, dass sie "keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt hat". Schavan gab die Hilfsmittel zwar häufig an, tat dann aber so, als würde sie eigenständig formulieren. Würde es sich um eine einfache Promovierte handeln, die überfordert oder zu faul war, sich eigenständige Gedanken zu machen, wäre all das nach 30 Jahren mit Nachsicht zu behandeln. Würde Schavan eingestehen, nicht ganz korrekt gehandelt zu haben, wäre ihre Demonstration geisteswissenschaftlicher Leistungen auch im Unterschied von Guttenberg, vielleicht entschuldbar. Aber sie ist nun Wissenschaftsministerin, stellt sich weiter hin und behauptet, völlig korrekt gehandelt zu haben: "Ich habe nicht abgeschrieben und schon gar nicht getäuscht", sagte sie auch jetzt noch, bevor sie vom CDU-Kreisverband Alb-Donau/Ulm wieder zur Direktkandidatin für die Bundestagswahl aufgestellt wurde. Die Delegierten sollen ihr lange Zustimmung geklatscht haben, die 57-Jährige stellte sich auf einen Stuhl und jubelte ihren trotzigen Anhängern in der Partei zu. 96 Prozent haben denn auch ihre Stimme für sie ab - Doktorarbeit hin oder her, vor vier Jahren waren es erst 57 Prozent.

Wahrscheinlich meint es ja Wagner in Bild ernst, aber es wirkt doch wie eine durchtriebene Perfidie, was er über die biedere Schavan schreibt:

"Liebe Annette Schavan, Sie haben ein wunderbares, unverheiratetes Lehrerinnen-Gesicht. Ihre Frisur ist bubihaft. So kämmten sich Frauen vor 30 Jahren. Sie sind wie eine Cousine, die keinen Mann bekommen hat. Wahrscheinlich essen Sie gerne Ziegenkäse. Ich glaube nicht, dass Sie eine Betrügerin sind. Wissenschaftler müssten untersuchen, ob ein Doktortitel ein Ersatz für Liebe ist."

Wird sich Schavan über die Beihilfe freuen, als alterndes Fräulein bezeichnet zu werden, die ihre Promotion als Ersatz für Liebe erwirkt hat - und die jetzt so von Merkel geliebt wird, dass sie einfach nicht vor der nächsten Wahl verschwinden darf, obgleich dies deutlich weniger Kritik wie bei Guttenbergs Abgang hervorrufen dürfte.

Das von ihr bearbeitete persönliche Gewissen scheint ihr abhanden gekommen zu sein, dafür ist der Wille zur Selbstbehauptung umso stärker. Sie sagt, es gehe dabei nicht nur um ihren Doktortitel, sondern um ihre Integrität. Das stimmt zwar, aber es geht in erster Linie um ihren Doktortitel und die Weise, wie sie ihn erworben hat. Es wäre von Anfang am besten gewesen, das dafür zuständige Gremium seine Arbeit tun zu lassen - und persönlich schon vor dem Ergebnis eine Konsequenz zu ziehen. Dazu aber scheint die Ministerin, gestärkt durch die promovierte Bundeskanzlerin aber nicht in der Lage zu sein, schließlich wird ihr, selbst wenn ihr der Doktortitel nicht aberkannt wird, nicht ganz koscheres Vorgehen bescheinigt werden.

Das für Politiker obzwar typische Hinausgeziehe schädigt aber das Ansehen der wissenschaftlichen Abschlüsse. Um der deutschen Wissenschaft willen - und nicht aus persönlichen oder politischen Interessen - sollte sie selbst jetzt vor dem Ausgang des Verfahrens endlich gerade stehen für das, was sie vor 30 Jahren sicherlich unter ganz anderen persönlichen Voraussetzungen gemacht hat. Schon jetzt nimmt die Wissenschaftsministerin niemand mehr ernst. Sie macht aber nicht nur sich selbst, sondern auch die Wissenschaft zum Kasper.