Die 4,76 Billionen Dollar Excel

Der teuerste Businessplan der Welt

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Dass Vorlagen der amerikanischen Regierung in die Mailboxen von selbst nach Ansicht ihrer Leser eher mangelhaft qualifizierten Telepolis-Ökonomen gelangen, geschieht eher selten. Allerdings kann der Autor sein Interpretationsrisiko mit den Lesern teilen, wenn er die Excel-Datei einfach online stellt und für die Ausführung der Formel SUMME=(D119:D124) empfiehlt. Das Ergebnis ist nicht nur für Excel-Freaks ein besonderes Vergnügen.

Stellen wir uns vor, der deutsche oder französische Finanzminister würde seine Bilanzplanung bis 2017 vorstellen und darin die Gesamtfinanzen beider Länder seit 1789 auflisten. Wir würden vermutlich ein erhöhtes Interesse haben, denn Bilanzen über derartige Zeiträume haben eine geschichtsphilosophische Qualität. In ihnen reitet sozusagen der Weltgeist einen Controlling-Parcours.

Ich hielt den ersten Bilanzzeitraum der Excel zunächst für einen Scherz. Es war aber keiner: Stolze 70 Millionen Dollar Überschuss füllten die Kassen der Vereinigten Staaten zwischen 1789 und 1845. Einen eigenen Schuldenhaushalt, so lernen wir, gab es erst ab 1938. Im Jahre 1936 konnten unsere amerikanischen Freunde ein jährliches Haushaltsdefizit von 100 Prozent verbuchen - vermutlich ein Rekord, den selbst die Griechen und das Deutsche Reich nicht einstellen dürften.

Teurer Kampf gegen Deutschland

Dass der Kriegseintritt der Amerikaner am 1. Januar 1942 teuer war, ist bekannt. Die Formel SUMME=(D48:D51) allerdings präzisiert diese Kosten. Vergleicht man das Ergebnis der Operation mit SUMME=(C48:C51), bleiben zwei ganze Staatshaushalte in vier Jahren Krieg in den Schuldbüchern stehen.

Ein gewisser ROI ist zwischen 1947 und 1951 zu vermelden - allerdings ist er meilenweit von SUMME=(D48:D51) entfernt. Da auch im Folgenden kein Ausgleich in dieser Höhe erfolgt, können wir davon ausgehen, dass die USA ihre Kriegsschulden aus dem II. Weltkrieg bis heute nicht bezahlt haben, während sich Deutschland bekanntlich 1953 bei der Londoner Schuldenkonferenz ganz entschulden konnte. Dort verzichteten die USA als Hauptgläubiger auf damals sehr beachtliche 10 Milliarden Mark. Dieser Verzicht haute bei den Amis 1954 und 1955 rein, die mit Verlusten abgeschlossen wurden.

Vietnam, Goldstandard und Reagonomics

Der von 1965 bis 1973 dauernde Vietnamkrieg (D73:D82) wurde erst zum Ende hin richtig teuer. Da die USA aber in diesem Zeitraum ihre Steuereinnahmen mehr als verdoppelten, blieb nur ein jährlicher Staatshaushalt als Defizit. Dass trotz fast exponentiell steigender Steuereinnahmen dennoch jedes Jahr bis 1998 erheblich mehr ausgegeben als eingenommen wurde, erstaunt doch. Immerhin regierte von 1981-1989 Ronald Reagan, dessen "Reagonomics" durch den weisen Rat von Nobelpreisträger Milton Friedman inspiriert waren.

Schadenfroh können wir feststellen (D88:D96) , dass die Operation Neoliberalismus gut das Achtfache des Vietnamkrieg kostete. Selbstverständlich wurde auch von diesen neuen Schulden nie ein Dime getilgt.

Dass übrigens die Aufhebung der Bindung des Dollarkurses an den Goldstandard unter Präsident Nixon 1971 keine bemerkenswerte Delle in den Staatsfinanzen hervorrief, zeigt, dass das beliebte Goldthema so überbewertet ist, wie das Edelmetall selbst.

Krugmans Münze ist zu klein geraten

Vier Jahre, von 1998 bis 2001, erwirtschafteten die USA hohe Haushaltsüberschüsse. Diese fielen in die Regierungszeit von Bill Clinton. Allerdings sind sie nicht auf dessen restriktive Haushaltspolitik zurückzuführen, denn laut SUMME=(B97:B107) verdoppelten die USA ihre Steuereinnahmen in nur zehn Jahren.

Der ab 2001 folgende Rückgang der Einnahmen war Folge der Steuerpolitik von Georg W. Bush. Mit der Operation (D108:D115) kann man Bush, seine Steuererleichterungen und seine Kriege bilanzieren. Wie zu erwarten, gelang es Bush, den bisherigen Schuldenrekord von Reagan zu brechen.

Ob man allerdings die Ergebnisse ab 2009 überhaupt noch mit einer Präsidentschaft, also mit einer Form von planender Regierung in Verbindung bringen kann, ist beim Blick auf D116:D118 fraglich. Die von Paul Krugman befürwortete Eine-Billion-Dollar-Münze reicht jedenfalls bei der unseren Lesern anempfohlenen Rechenoperation SUMME=(D119:D124) im Businessplan bis 2017 nicht mehr aus. Fünf solche Münzen sollten es schon sein. Dafür brauchen die USA sowohl das iranische und das venezolanische Öl, als auch den Bankrott der Eurozone. Dessen Verhinderung kostet aber auch fünf Billionen-Münzen, nur eben in Euro.

Disclaimer: Ich akzeptiere, dass dieser Artikel bestimmte Fakten zeigt, andere dagegen nicht.

Dr. Alexander Dill ist Gründer des auf die Erforschung von Sozialkapital spezialisierten Basel Institute of Commons and Economics.