Feudale Formulierung

US-Schulbehörde will "geistiges Eigentum" an Werken der Schüler

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Die Schulbehörde von Prince George’s County im US-Bundesstaat Maryland (PGCPS) befürwortet neue Richtlinien für "Gebrauch und Schöpfung", die nicht nur sämtliche von Lehrkräften geschaffene Werke, sondern auch die von Schülern zu ihrem "geistigem Eigentum" erklären. Wörtlich heißt es in dem mit nur einer Gegenstimme befürworteten Entwurf:

"Werke, die von Angestellten und/oder Schülern spezifisch für den Gebrauch durch sic eine öffentliche Schule im Prince George’s County oder eine bestimmte Schule oder Abteilung innerhalb der PGCPS geschaffen wurden, sind auch dann Eigentum der Schulbehörde, wenn die Herstellung während der Freizeit des Angestellten oder des Schülers und unter Benutzung ihres Materials erfolgte. […] Außerdem sind solche Werke Eigentum der Schulbehörde, die während Schulstunden oder während Arbeitsstunden unter Benutzung von Systemmaterial [sic] der Schule entstanden und die innerhalb des Aufgabenbereichs eines Angestellten oder der im Rahmen des Unterrichts zugewiesenen Aufgaben eines Schülers zustande kamen."

Diese Definition umfasst ihrem Wortlaut nach sowohl von Lehrern erstellte Unterrichtsmaterialien als auch Schülerzeichnungen und Aufsätze. Hätten beispielsweise die beiden damaligen Grundschülerinnen Adrienne und Abigail Ackermann ihren aus einem Schulaufsatz entstandenen 28-Seiten-Überraschungserfolg Our Mom Has Cancer unter der Geltung dieser Regel verfasst, dann wäre der Erlös daraus nicht ihnen oder der American Cancer Society zugeflossen, sondern ihrer Schulbehörde.

Der PGCPS-Sprecherin Verjeana Jacobs zufolge zielt man mit der Regel aber nicht auf die Kinder krebskranker Eltern, sondern auf einen "wachsenden Online-Markt" für Unterrichtsablaufpläne und Lehrmaterialien, die von Lehrern auf schuleigenen iPads erstellt werden. Darauf sei man durch eine Präsentation der Firma Apple aufmerksam geworden. Warum dann auch Schüler mit in die Richtlinie aufgenommen werden, konnte sie der Washington Post offenbar nur bedingt erklären. Stattdessen hieß es, die Richtlinie solle "sprachlich restrukturiert" werden, um Missverständnisse zu beseitigen.

Der Einschätzung des auf Immaterialgüterrecht spezialisierten Juraprofessors Peter Jaszi von der der American University in Washington zufolge könnte die Klausel dann wirksam werden, wenn Eltern oder volljährige Schüler ihr zustimmen - zum Beispiel im Kleingedruckten auf einem Formular. Solche Standardabtretungen sind im Immaterialgüterrecht nichts Ungewöhnliches: So müssen beispielsweise Programmierer das Recht an ihrem Code regelmäßig an ihre Arbeitgeber abtreten und an Universitäten gibt es "sharing agreements", die einen bestimmten Anteil an den Profiten fordern, die eine Lehrkraft oder ein Student mit der Verwertung seiner Forschungen erzielt. Allerdings richten sich diese Klauseln an Volljährige und beanspruchen nicht sämtliche "geistigen Eigentumsrechte", sodass den Unterzeichnern ein Kreativitätsanreiz bleibt, der in der PGCPS-Regelung vollständig fehlt.

Auch an deutschen Universitäten herrscht teilweise ein feudales Verständnis, das den Anspruch auf Monopolrechte weniger beim Schöpfer als beim Titelinhaber sieht. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für dieses Denken findet sich im Forum des Blogs für wissenschaftliche Redlichkeit, in dem ein Nutzer mit dem Nick "Beobachter" eine (vom Blogbetreiber Stefan Weber des unredlichen Abschreibens aus einer Proseminararbeit verdächtigte) Universitätsdozentin mit der Frage zu verteidigen versucht, ob man "bei einer für ein Proseminar erstellten Arbeit" überhaupt "von einer persönlichen geistigen Schöpfung sprechen [kann]".

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