Wir dürfen töten, wen wir für gefährlich halten

Ein Dokument des US-Justizministeriums offenbart, wie die gezielten Tötungen mit Drohnen von Rechtsexperten, die sich als Rechtsverdreher erweisen, gerechtfertigt werden sollen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Nominierung von John Brennen, bisher Antiterrorberater des Weißen Hauses, zum Direktor der CIA bringt den von US-Präsident Barrack Obama in den letzten Jahren massiv ausgebauten Drohnenkrieg wieder einmal in die Öffentlichkeit und in die Kritik. Brennan gilt als der Mann, der für die Ausweitung der gezielten Tötungen durch Drohnen weitgehend verantwortlich ist.

Den Drohnenkrieg haben zwar bislang die Politiker und Menschen in den USA, aber auch die Regierungen der Alliierten weitgehend geduldet. Mittlerweile dienen die Mordanschläge auf Verdächtige, auf mutmaßliche Terroristen oder Extremisten, als Vorbild für andere Staaten, die ebenfalls bewaffnete Drohnen haben und einsetzen wollen, auch sich hier rechtlich noch alles in einer Grauzone befindet.

Auch der deutsche Verteidigungsminister meint, nicht ohne Kampfdrohnen mehr auskommen zu können. Dabei werden diese vor allem gegen Personen eingesetzt, die entweder als Aufständische bekannt sind oder als solche verdächtigt werden, die aber keine unmittelbare Bedrohung für US-Soldaten oder die Alliierten der USA darstellen. Man tötet gewissermaßen präventiv, vermeidet eine Anklage und deren Begründung, nimmt die Tötung und Verletzung von Unschuldigen in Kauf, entzieht sich jeder Verantwortung. Es handelt sich um klammheimliche Exekutionen, die willkürlich vorgenommen werden, also um eine Fortsetzung der willkürlichen Verschleppung und Inhaftierung von "feindlichen Kämpfern", die man aber nun nicht mehr einsperrt, sondern gleich einmal tötet, weil dies weniger Probleme macht.

Noch hat die US-Regierung es vermieden, ihre Richtlinien offenzulegen, wann eine Person und deren Begleitung durch eine ferngesteuerte Drohne nach ihrem Gutdünken exekutiert werden darf. Drohnen haben die Lizenz zum Töten aus dem Kalten Krieg in besonderem Maße wieder aufleben lassen. Das Pentagon und die CIA setzen gezielte Tötungen mit Drohnen, die vor dem 11.9. eigentlich nur Israel praktiziert hatte, auch in Ländern wie Pakistan, Jemen oder Somalia ein, mit denen sich die USA in keinem Krieg befinden.

Dass diese Politik der gezielten Tötung, die man durchaus auch oft als Staatsterrorismus bezeichnen könnte, nicht im ganzen amerikanischen Sicherheitsapparat geteilt wird, weiß man aus vereinzelten Äußerungen von ehemaligen Pentagon- und Geheimdienstangehörigen. Deutlich wird es aber, dass just vor der heutigen Anhörung Brennans vor dem Kongress Informationen den Medien zugespielt wurden. So räumten Medien ein, dass sie bislang auf Wunsch der Regierung nicht darüber berichtet hatten, dass die CIA auch in Saudi-Arabien einen Drohnenstützpunkt betreiben, um mit diesen in Jemen gegen die Islamisten vorzugehen. Die Al-Qaida-Islamisten bedrohen auch die saudische Monarchie, die extrem islamistisch ist, sich gegen den arabischen Frühling wendet und alles andere als ein demokratischer Rechtsstaat ist.

Zudem wurde den Medien ein Dokument des Justizministeriums zugespielt, in dem die vom Weißen Haus veranlasste juristische Rechtfertigung ausgeführt wird. Dabei geht es vornehmlich um den Fall einer gezielten Tötung eines US-Bürgers im Ausland, der verdächtigt wird, Aktionen gegen die USA zu planen. Es geht also um den al-Qaida-Imam Anwar al-Maliki, der 2011 in Jemen getötet wurde - kurz danach auch sein Sohn. Im März 2012 hatte Justizminister Holden, der sein Amt auch nicht fortsetzen wird, erklärt, der Kongress habe den Präsidenten autorisiert, zur Bekämpfung von al-Qaida, den Taliban und mit diesen zusammenhängenden Gruppen alle "notwendigen und angemessenen Mittel" zu ergreifen (Die USA haben "das Recht und die Pflicht", Terrorverdächtige weltweit zu jagen und zu töten). Die können eben nicht sonderlich legal sein, man befindet sich ja im Kriegszustand. Im Januar erst musste ein Gericht widerstrebend einräumen, dass die Legitimierung von wahrscheinlich auch verfassungswidrigen gezielten Tötungen aufgrund massiver Geheimhaltungsvorschriften nicht möglich ist (Die rechtliche Begründung für gezielte Tötungen von US-Bürgern bleibt Staatsgeheimnis).

Nach dem Weißpapier des US-Justizministeriums verhalten sich "Rechtsexperten" weiterhin so wie kurz nach dem 11.9., als sie Folter und eine Willkürjustiz rechtfertigten (Die intellektuellen Wegbereiter von Folter und Willkürjustiz). Für eine gezielte Tötung, so das Justizministerium, seien drei Bedingungen notwendig. Dabei ist allerdings immer die Rede von höheren al-Qaida-Führern oder mit damit verbundenen Gruppen. Exekutiert werden darf eine Person aus diesem Umfeld, wenn ein höherer Regierungsvertreter erklärt, dass er eine unmittelbare Bedrohung für einen Angriff auf die USA darstelle, es sich also um Selbstverteidigung handelt. Die Person müsse zudem nicht festnehmbar sein. Und die Exekution müsse mit dem Kriegsrecht übereinstimmen.

Grundlage für alles ist, dass sich die USA in einem Kriegszustand mit al-Qaida und Co. befinde. Das soll auch rechtfertigen, dass gezielte Tötungen auch dort stattfinden können, wo die USA sich in keinem Krieg mit einem anderen Staat befinden. Man kann also weltweit Todesstrafen exekutieren. Die Regierung des betroffenen Staats kann zustimmen, aber es soll auch das Recht der USA geben, die Tötung auszuführen, wenn der Staat unfähig oder unwillig ist, gegen den Bedroher der USA vorzugehen.

Die Schwammigkeit all dieser Rechtfertigungen macht deutlich, dass eigentlich keine "unmittelbare Bedrohung" der USA gegeben sein müsse. Nicht einmal ein Beweis für die Bedrohung sei erforderlich, wenn man von einer "kontinuierlichen Planung" von Angriffen ausgehen könne. "Unmittelbarkeit" der Bedrohung, eine Voraussetzung der Kriegsrechts für die Selbstverteidigung, müsse mithin präventiv gelten, um mögliche "Kollateralschäden von Zivilisten" und "künftige verheerende Angriffe auf Amerikaner" zu verhindern. Besonders perfide erscheint für die Rechtsverdreher im Dienste des Weißen Hauses, wenn sie anführen, dass eine gezielte Tötung - auch eines US-Bürgers im Ausland! - rechtens sein soll, wenn es kein Kriegsgefangener ist. Daraus ergibt sich die Devise, lieber nicht festzunehmen und die rechtlichen Prozeduren durchlaufen zu müssen, sondern lieber erst töten. Keine wirklich humanistische oder rechtstaatliche Position.