27 Maßnahmen für die Gleichheit

In Frankreich will man die problematischen Vorstädte zu Wohnvierteln machen, die so sind wie die anderen auch

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit dem Militäreinsatz in Mali kann François Hollande auf Umfragewerte blicken und lächeln. Er steht gut da, besser als in den Wochen nach seiner Wahl. Die Öffentlichkeit vergibt ihre Gunst nach alten Regeln, der erfolgreiche Feldherr gewinnt sie, selbst wenn die tieferliegenden Probleme - wie in Mali - von solchen Aktionen kaum berührt werden, was der Mehrheit der Franzosen vermutlich nicht unbekannt ist. Aber das gute Gefühl in Zeiten, die den öffentlichen Erfolg zum Kompass haben, hat den Vorzug, zumal in der Krise. Liegt es an der politischen PR, dass Hollande sich von persönlichen Äußerungen fernhält, diskret schweigt, bereits im Wahlkampf (Hysterie oder autistisches Schweigen) und fortdauernd, wenn es um die französischen Banlieues geht?

Die Banlieues sind, außer zum Ausweis von Härte und Durchsetzungswillen rechtsgewichteter Politiker, vornehmlich Innenministern vom Schlage Sarkozys, ein undankbares Terrain, weil sie die Unzulänglichkeiten der Politik bloßstellen. Selbst wenn Soziologen Arbeiten von einiger analytischer Tiefe vorlegen, die auf konkrete wunde Punkte hinweisen (Gilles Kepels "Banlieue de la République"), die Politik kann dies offensichtlich nicht umsetzen.

Sie bemüht seit mehreren Jahrzehnten Programme zur Verbesserung der Verhältnisse, wobei nicht ganz deutlich ist, ob dies geschieht, damit man der jeweiligen Regierung keinen mangelnden politischen Willen vorwerfen kann oder ob sie es, die Sicherheitsdispositive ausgenommen, wirklich ernst meint. Dass das Problem der schlechten Nahverkehrsverbindungen von den sensiblen Zonen zu den urbanen Zentren, vor allem Paris, sehr lange Zeit bestand, deutet an, dass es die Politik mehr mit Programmen hielt als mit Lösungen.

So ist die Skepsis angesichts des aktuell verkündeten Programmpakets für die Problemzonen durch die neue Regierung eher groß und die Erwartung klein. Die Bilanz nach mehreren Jahrzehnten solcher Plan-Politik ist nicht gut: Die Arbeitslosenquote in den problematischen Vorstädten ist zweieinhalb mal so hoch wie im Rest des Landes. Ein Drittel der Bewohner leben unter der Armutsschwelle, die Zahl der Schulabrecher sei zum Verzweifeln, so Le Monde und, ach ja, die öffentliche Dienstleistungen, zum beispiel öffentliche Transportmittel, sind "schwer zugänglich":

Das Gefühl, im Stich gelassen zu werden, verbreitetet sich weiter unter der Bevölkerung.

Nun sind solche Sätze für Journalisten leichter hinzuschreiben, als politische Maßnahmen zu treffen, die für bessere Verhältnisse sorgen. Was die Sätze aber nicht weniger zutreffend macht. Beinahe allen Kommentaren der größeren französischen Publikationen ist Hoffung und viel guter Wille gegenüber der neuesten Regierungsinitiative deutlich abzulesen, das zeigt auch, wie groß der Konsens darüber ist, dass die Lage miserabel ist.

Mit 27 Maßnahmen wollen Premierminister Jean-Marc Ayrault und sein beigeordneter Minister für Städte, François Lamy, nun einen stetigen Umkehrschub in Gang setzen. Das Problem ist allerdings, dass die Staatsmittel in Frankreich knapp sind. So hängt man dieses Programm öffentlich erstmal an die ganz großen Werte auf: "Gleichheit" und "Gerechtigkeit". Der republikanische Staat sei zurück und kümmert sich um gleiche, gerechte Verhältnisse, so die Botschaft von Ayrault: "L’Etat républicain est de retour, celui de l'égalité." Zwanzig Minister hatte er für die Botschaft um sich herum versammelt, ein Großaufgebot, um ein großes Ziel anzukündigen, "aus den Banlieues Wohnviertel zu machen, die den anderen gleichen".

Konkret bleibt der Plan dagegen in seinen Mitteln begrenzt. Die Absichten klingen gut: Der Staat will dabei helfen, Arbeitsplätze mit zeitlich nicht terminierten Verträgen zu finden, indem man öffentliche Stellen vergibt und private Arbeitsplätze subventioniert. Zudem sollen Richtlinien vorgegeben werden, dass Arbeitssuchende aus den Banlieues bevorzugt übernommen werden. Man will Krippen und Schulen mit mehr Personal ausstatten und dafür sorgen, dass die Kinder früh gefördert werden, sie sollen schon im Alter unter drei Jahren betreut werden ("scolarisation des enfants de moins de trois ans").

Studenten aus den Problemvierteln sollen ebenfalls besser gefördert werden und leichter Zugang zu Sozialwohnungen bekommen, die Gesundheitsversorgung soll verbessert werden - und das Verhältnis zwischen Polizei und Bewohnern durch neue Mittelsmänner. Dem ganzen konzeptionell übergestülpt sind dazu verschiedene Maßnahmen, die die Zusammenarbeit zwischen mehreren Regierungsbehörden, vornehmlich der Arbeitsagentur, effektiver gestalten und verbessern.

Soweit die Absicht. Erste Kritik wurde schon laut, weil die Förderprogramme, allen voran diejenigen, die einen Arbeitsplatz mit Festanstellung ohne befristeten Vertrag versprechen, nur für einen Teil gelten sollen. Die Arbeitsplatzhilfe ist nur für 2.000 Ausgewählte geplant. Auch von anderen Projekten des großen Planes können aus Finanznot nur ausgesuchte Banlieues profitieren. 1.000 Zones sensibles haben einen gewissen Vorrang - die Gleichheit verhakt sich schon im Konzept in den üblichen Widersprüchen.