Sag mir, wo die Blumen sind

The Naked Prey

Das Kino des Cornel Wilde, Teil 2

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Teil 1: Reise in das Herz der Finsternis

Where have all the flowers gone
Long time passing?
Where have all the flowers gone
Long time ago?

1955, als Pete Seeger "Where have all the flowers gone?" schrieb, gründete Cornel Wilde - eine zeitliche Koinzidenz, kein ursächlicher Zusammenhang - seine Produktionsfirma, um endlich die Filme drehen zu können, die er wirklich machen wollte. Seegers Lied, 1962 von Marlene Dietrich auch auf Deutsch gesungen, wurde eine Hymne der Friedensbewegung. Wilde, der Blumenliebhaber, lieferte die filmischen Äquivalente dazu, kompromisslose Studien über Krieg und Gewalt. Den Zug der Blumenkinder in eine schöne neue Hippiewelt sollte man von ihm allerdings genauso wenig erwarten wie die genormten Hochglanzprodukte einer Beruhigungspillen verabreichenden Traumfabrik. Vielleicht ist das der Grund dafür, warum er heute als Verfertiger kruder Brutalo-Epen mit ungelenk inszenierten Gewaltexzessen gilt - so man sich überhaupt noch an den Regisseur Cornel Wilde erinnert.

Kurz vor dem Ende von The Naked Prey gönnt Wilde sich (und uns) einen Augenblick der Utopie. Der von ihm gespielte Mann setzt seinen Weg an der Seite des kleinen Mädchens fort, das er vor den Sklavenhändlern gerettet hat. Zwischen den beiden gibt es echte Momente der Empathie und der Gemeinsamkeit, als sie ihr Essen teilen und sich Lieder aus ihrer jeweiligen Kultur vorsingen. Das wird nie kitschig, weil Wilde keine vorab kalkulierten Gefühle anstrebt. Statt die Laiendarsteller Dialoge auswendig lernen zu lassen, beschrieb er ihnen, worum es in einer Szene gehen sollte und gab ihnen einige Anhaltspunkte. Der Rest wurde improvisiert. Die dadurch erreichte Unmittelbarkeit und Authentizität war die beste Versicherung gegen industriell hergestellten Gefühlskitsch. Für die Botschaft des Films sind die utopischen Momente wichtig, weil wir bisher eine grausame Welt gesehen haben, in der der Stärkere den Schwächeren frisst und Menschen Jagd auf andere Menschen machen. Wilde will das nicht so verstanden wissen, dass er einer sozialdarwinistischen Weltanschauung das Wort redet. Darum baut er kurz vor Schluss einige Szenen ein, in denen das harmonische Miteinander der Kulturen als ein positiver Wert beschrieben wird. Weil der Weiße nun aber in eine rassistische Sklavenhaltergesellschaft zurückkehren wird, trennt sich seine schwarze Begleiterin von ihm, als die Grenze ihres Stammesgebiets erreicht ist. Alles andere wäre eine Lüge. Die Einstellung, in der Wilde dem Mädchen hinterher schaut, wie es zurück zum zerstörten Dorf geht, ist die vielleicht emotionalste des Films.

Nach der Wildnis in Spielfilmlänge (genau 90 Minuten) gibt es auch noch die Pastorale. Sie dauert eine Einstellung lang. Zwei nackte schwarze Kinder stehen in einer grünen Landschaft, im Hintergrund weiden friedlich Tiere. Wilde geht an den Kindern vorbei, tätschelt ihnen den Kopf, verschwindet aus dem Bild. Das ist das große Rätsel, mit dem er uns aus dem Kino schickt. Was, soll sich das Publikum fragen, hat das zu bedeuten? Hat Wilde sich aus einem Film voller Blut und Gewalt in einen anderen verirrt, in dem die Welt so ist, wie sie sein sollte, in dem der Mensch, sei er auch nackt und schutzlos, keine Beute ist wie im Titel The Naked Prey? Sehen wir Afrika als Wiege der Menschheit, mit einer Generation, die weiß ist und einer anderen, die schwarz ist, ohne dass sich daraus eine Rangordnung ergibt? Am wichtigsten ist wahrscheinlich, was es nicht bedeuten kann. Der weiße Mann steht auf der evolutionären Leiter nicht über den schwarzen Kindern. Diese Interpretation lassen die vorangegangenen 90 Minuten nicht zu.

The Naked Prey

Dann geht die Jagd auch schon weiter. Das Fort ist bereits in Sicht, als es scheint, als würden die vier verbliebenen Krieger ihr Wild doch noch einholen und erlegen können. Der Jäger, der seine Trauer über den Verlust der Kameraden am lautesten hinausgeschrien hat, hebt den Speer zum tödlichen Stoß, als er von den Soldaten des Forts erschossen wird. Wilde wird nun gleich in die weiße Festung zurückkehren, die er am Anfang verlassen hat. Vorher trifft sich sein Blick mit dem von Ken Gampu, dem Anführer der Krieger. Die beiden schauen sich an und heben dann den Arm, um sich gegenseitig ihren Respekt zu zollen, ehe Gampu im Busch verschwindet. Das ist einer der absurdesten Filmmomente, die ich kenne, und zugleich einer der tröstlichsten, weil ganz am Schluss so etwas wie ein gegenseitiges Einverständnis zweier Kulturen erzielt wird. Allerdings mussten zuvor viele Menschen dafür sterben. Darum ist dieser Film - einer der originellsten und interessantesten der 1960er - so traurig.

Höhlenmalerei

Absolut originell ist auch Wildes nächstes Werk, der Kriegsfilm Beach Red. Die vielen Kritiker, die 1998 Steven Spielbergs Saving Private Ryan hochjubelten, weil er den Krieg mit einem nie dagewesenen Realismus und ohne Hurrah-Patriotismus zeige, hatten entweder Beach Red nicht gesehen oder längst vergessen (zusammen mit der alten Regel, dass man Production Values und das Glattbügeln schrecklicher Ereignisse durch technische Virtuosität nicht mit künstlerischer Qualität verwechseln darf). Spielberg, da bin ich mir sicher, kannte Beach Red sehr wohl, als er die Landung der Alliierten in der Normandie drehte, und Terrence Malick hatte Beach Red auch gesehen, als er sein Epos über den Krieg im Pazifik in Angriff nahm. Wer Malicks The Thin Red Line grundsätzlich mag, sich aber an den prätentiösen inneren Monologen stört, sollte es mit Beach Red versuchen. Und wer ein Fan von Clint Eastwoods Letters from Iwo Jima (2006) ist, weil da der Krieg auch mal aus Sicht des Feindes der Amerikaner gezeigt wird: Cornel Wilde war vorher da. Die Geschichte des "neuen", durch Regisseure wie Oliver Stone, Spielberg, Malick und Eastwood repräsentierten Kriegsfilms beginnt eigentlich mit ihm (und Sam Fuller). Das ging nur etwas unter, weil Beach Red schon 1967 in die Kinos kam und Wilde bis heute darauf wartet, als ernstzunehmender Filmemacher anerkannt zu werden.

Es sei bemerkenswert, schreibt David Thomson in seinem Biographical Dictionary of Film, wie wenig kindähnliche Regisseure ein Kino hervorgebracht habe, das so sehr für ein kindliches Publikum produziere. Die "naive Darstellung der Welt" finde sich nur bei Cornel Wilde und bei keinem anderen. Seine Filme vergleicht Thomson mit Höhlenmalereien. In The Naked Prey und Beach Red gebe es Momente, "wo man die Illusion hat, die ersten Filme zu sehen, die je gedreht wurden". Falls das ein Kompliment sein sollte, ist es ein vergiftetes. Wilde wurde, so man ihn als Regisseur überhaupt zur Kenntnis nahm, das Etikett des "Primitiven" angeklebt (als Synonym für blutbespritzte Plumpheit). Dabei wurde übersehen, dass Wilde eine Reihe von intelligenten Filmen drehte, die erst nach langer Planung und mit großem logistischen Aufwand entstanden, nicht als spontaner Gefühlsausbruch eines seinen Instinkten folgenden Barbaren.

Wilde der Primitive beherrschte durchaus den technischen Apparat seiner Kunst und hatte auch bei schwierigen Breitwand-Einstellungen ein gutes Auge für die richtige, seinem Anliegen entsprechende Bildkomposition. Die Kamera da hinzustellen, wo sie hingehört (besonders bei Aufnahmen an Originalschauplätzen), ist eine der schwierigsten Aufgaben, die ein Regisseur zu meistern hat. Wilde konnte das. Die künstlerische Freiheit, die Wilde der Produzent Wilde dem Regisseur gestattete, erkaufte er sich mit einer Einschränkung der finanziellen Mittel. Das dürfte ihm umso leichter gefallen sein, als er ohnehin eine gewisse Rohheit wollte, weil er nach einer ästhetischen Form suchte, die seine Themen adäquat transportierte, statt alles Widerständige durch auf Hochglanz polierte Bilder zu neutralisieren. Auch die Höhlenmalerei ist nur "primitiv", wenn man sie an Techniken und ästhetischen Normen zur Wiedergabe der Welt misst, die von den Künstlern nie angestrebt wurden. Wer Wilde also gerecht werden will, sollte ihn nach dem beurteilen, was er erreichen wollte und nicht nach dem, was Hollywood verlangte. Das fertige Produkt kann man dann ablehnen, zum Beispiel, weil man, was legitim ist, lieber die regelkonformen Filme sehen will, an die uns die Unterhaltungsindustrie gewöhnt hat. Der künstlerischen Qualität tut das noch keinen Abbruch.

Auch die gemalten Bilder im Vorspann von Beach Red wirken irgendwie "primitiv". Tatsächlich orientieren sie sich an einer Art von "Realismus" (auch nur eine Sehgewohnheit), die oft viel direkter und ausdrucksstärker ist als die Film- und Photoaufnahmen vom Zweiten Weltkrieg, die wir alle kennen. Dabei ist gut zu wissen, dass Wilde selbst Maler war, seine Filme nach malerischen Gesichtspunkten gestaltete und erst nach intensiver Recherche und der Ausarbeitung eines visuellen Gesamtkonzepts mit dem Drehen begann, statt instinktgesteuert einfach anzufangen, sobald die Finanzierung geklärt war. Bei Beach Red ließ er sich von Werken der über hundert Künstler inspirieren, die im Zweiten Weltkrieg in der US-Armee dienten und im Auftrag des Militärs oder von Magazinen dokumentierten, was sie beim Abschied von der Familie, an der Front und in der Etappe erlebten.

Beach Red

Diese Künstler - Profis und talentierte Amateure, teils bereits Soldat und teils unter Zivilisten rekrutiert - schufen mehr als 12.000 Bilder, die nach 1945 in Militärarchiven verschwanden, was kein Wunder ist, weil schon bald für den Koreakrieg geworben wurde und man dabei keine farbigen Gemälde mit zerschossenen Körpern oder zu Zombies mutierten Veteranen brauchen konnte. Meine Informationen dazu entnehme ich der Dokumentation They Drew Fire von Brian Lankner, die 1999 vom Public Broadcasting Service (PBS) ausgestrahlt wurde und dem daraus hervorgegangenen Buch gleichen Titels (PBS ist die durch Spenden und staatliche Zuschüsse finanzierte Senderkette, der Mitt Romney gern den Garaus gemacht hätte, wenn er Präsident geworden wäre - es gab doch Gründe, den Drohnen- und Guantanamo-Obama zu wählen, auch wenn diese im Verlauf seiner ersten Amtszeit stark verblassten).

Beach Red

Während des Zweiten Weltkriegs waren die Bilder in Zeitschriften (von Life bis zu Yank, dem von Soldaten für Soldaten gemachten Magazin der Army), in Wochenschauen und in durch das Land reisenden Ausstellungen zu sehen. Patriotische Ladenbesitzer stellten Reproduktionen in ihre Schaufenster. Die Bilder erreichten Millionen von Amerikanern. Nicht alle waren schön anzuschauen. Ich würde vermuten, dass die dann stetig abnehmende Bereitschaft, dem Volk auch unangenehme und schockierende Aspekte solcher Auseinandersetzungen zu zeigen, damit zu tun hatte, dass das damals der letzte "gute" Krieg war, der sich ohne größere argumentative Verrenkungen rechtfertigen ließ, weil es zuvorderst gegen die diktatorischen und aggressiven Regime in Nazi-Deutschland und Japan ging, nicht darum, die Nordvietnamesen zurück in die Steinzeit zu bomben, alte Rechnungen mit Saddam Hussein zu begleichen oder sich den Zugriff auf die Öl- und Gasreserven eines fremden Landes zu sichern. Die beim Kampf gegen Hitlers Wehrmacht und die Soldaten des Tenno zu erbringenden Kosten, nicht zuletzt an Menschenleben, waren den Amerikanern leichter zu vermitteln, was auch die Toleranz von Militärführung und Regierung der Darstellung unerfreulicher Details gegenüber erhöht haben dürfte.

They Drew Fire

Schon daraus wird ersichtlich, welches subversive Potential Wilde für seinen Film nutzbar machen wollte, denn Beach Red wurde im selben Jahr gestartet, in dem John Wayne - je nachdem - seinen Ruf als amerikanischer Patriot oder faschistoider Chauvi-Imperialist dadurch festigte, dass er seinen Landsleuten den Vietnamkrieg im Format eines hausbackenen Altherren-Westerns präsentierte (The Green Berets), den John Ford so nie gedreht hätte und Cornel Wilde erst recht nicht. Auch Beach Red ist, obwohl ein Vierteljahrhundert früher spielend, in erster Linie ein Kommentar zum Krieg in Vietnam, umgesetzt mit ästhetischen Mitteln zur Darstellung von Gewalt, die im Zweiten Weltkrieg noch auf allgemeine Akzeptanz stießen (zumindest gemalt oder gezeichnet), in den 1960ern aber nicht mehr, weil man längst dabei war, über die Kraft der Bilder nachzudenken.

Hoher Preis

Es ist ein von TV-Journalisten verbreiteter Mythos, dass die schonungslose Berichterstattung des Fernsehens das Ende des US-Engagements in Indochina einleitete. Das kommerzielle Fernsehen wurde umso kritischer, je mehr die öffentliche Meinung umschwenkte, nicht umgekehrt. Beim Film, zumal im Mainstream-Kino, dauerte es noch länger (Platoon et al. kamen viel später). Wilde war 1967 ziemlich allein auf weiter Flur, bald gefolgt von Emile de Antonio, einem anderen unabhängigen Denker, dessen Kompilationsfilm In the Year of the Pig (1968) für einen Oscar nominiert wurde - und diesen nicht bekam, weil die Academy einen Dokumentarfilm über den Pianisten Arthur Rubinstein auszeichnete. Nach den Oscars für Peter Watsons The War Game (1966) und für Pierre Schoendoerffers The Anderson Platoon (La Section Anderson, 1967) hatte man vorerst genug vom Krieg, und in einem Spielfilm wollte man ihn sowieso nicht sehen, als immer mehr Amerikaner in Vietnam kämpfen und sterben mussten.

Im Zweiten Weltkrieg wurde eine unzensurierte Kunst zum Argument für die Demokratie und den Kampf gegen die Diktatoren in Deutschland und Japan. Sollte der Krieg nicht gewonnen werden, hieß es in Verlautbarungen der Regierung, würden die Künstler nie mehr in der Lage sein, solche Bilder zu malen. Das dürfte die aufrichtige Überzeugung der Politiker und Generäle gewesen sein, die dieses Kunstprogramm ins Leben riefen. Trotzdem würde ich annehmen, dass die Künstler in Uniform auch davon profitierten, dass Zeichnen und Malen als vergleichsweise alte Kulturtechniken galten. Damals wie heute konnten die Wirkungstheoretiker selten der Versuchung widerstehen, das jeweils neueste - und ihnen damit fremdeste - Medium zum gefährlichsten zu erklären (wer den Krieg filmte oder photographierte, war stärker von der Zensur betroffen). Die Maler und Zeichner waren fast völlig frei bei der Wahl der Motive und ihrer Darstellung, in einigen Bereichen stießen sie jedoch an Grenzen. Der nackte Männerkörper ließ bei einer homophoben Militärführung die Alarmglocken schrillen. Einiges scheint direkt ins Depot gebracht worden zu sein. Insgesamt aber wurde gezeigt, was die Künstler schufen. Den Krieg und seine Teilnehmer Glorifizierendes wie in den US-Propagandafilmen der Zeit gibt es auf den Bildern genauso wie die traumatisierten Soldaten mit dem leeren Blick (den Dokumentarfilm dazu, John Hustons Let There Be Light, hielt die Armee lange zurück) und die blutüberströmten, durch moderne Waffentechnik zerstörten Körper. Festgehalten ist das mit einer Art von Realismus, neben dem jener von Spielbergs Saving Private Ryan arg hollywoodmäßig wirkt.

They Drew Fire

Für die damals die Kinoleinwände bevölkernden Nazi-Monster und asiatischen Sadisten ist in den Bildern, die ich gesehen habe, kein Platz, weil die an den Kampfhandlungen unmittelbar beteiligten Künstler ihre Erlebnisse wiedergaben und dem Feind nicht als propagandistisch aufgeblähtem Popanz begegneten, sondern in Gestalt von Leichen, demoralisierten Gefangenen oder das eigene Leben direkt bedrohenden Gegnern und jedenfalls als Mensch aus Fleisch und Blut. Fleisch und Blut sind oft zu sehen. Das gefiel nicht jedem. Zeitschriften, die solche Bilder veröffentlichten, mussten mit bösen Leserbriefen rechnen und dem Vorwurf, sich aus niederen Beweggründen in Brutalitäten zu ergehen; andere spendeten Lob, weil der Krieg so dargestellt werde, wie er nun mal sei. Life druckte einen von Tom Lea gemalten US-Soldaten ab, dem eine feindliche Granate den Arm und eine Gesichtshälfte zerfetzt hat (Titel: "Der Preis"). Ähnliches widerfährt einem von Wildes Marines, die in Beach Red den gleichnamigen Strandabschnitt einer von den Japanern gehaltenen Pazifikinsel stürmen. Ihm wird der Arm komplett abgerissen, was ihm zunächst nicht bewusst ist, weil er sich im Schockzustand befindet.

Beach Red

Aus heutiger Sicht könnte man Cornel Wilde für einen frühen Vertreter des Splatterfilms halten, oder womöglich, so man ihm nicht wohlgesinnt ist, für einen Epigonen von Hershell Gordon Lewis (Blood Feast löste 1963 einen Skandal aus). Tatsächlich steht er in der Tradition der Künstler, denen die Army im Zweiten Weltkrieg einen Grad von Freiheit gestattete, von dem sie hinterher nichts mehr wissen wollte. Einem unbestätigten Gerücht zufolge lehnten die amerikanischen Streitkräfte Wildes Bitte um materielle Unterstützung übrigens mit dem Hinweis auf den Krieg in Vietnam ab, der keine freien Kapazitäten lasse. Er musste sich mit schlecht erhaltenem Dokumentarmaterial vom Krieg im Pazifik begnügen, dessen Restaurierung einen beachtlichen Teil seines Budgets verschlang. Hilfsbereiter war die Regierung der Philippinen, wo Beach Red entstand. Sie stellte Soldaten als Komparsen für die Massenszenen zur Verfügung.

Von früheren Produktionen - auch ein Gerücht - sollen noch US-Uniformen in ausreichender Zahl vorhanden gewesen sein, aber zu wenige für die Japaner. Dem sollen wir eines der Plot-Elemente verdanken: Die Japaner tarnen sich bei ihrer Gegenoffensive als Amerikaner, damit Wilde keine neuen Uniformen schneidern lassen musste. Allerdings ist das so ähnlich bereits in der 1945 erschienenen Romanvorlage von Peter Bowman enthalten. James Jones’ The Thin Red Line von 1962, 1964 von Andrew Marton erstmals verfilmt (und dann von Terrence Malick), erzählt dieselbe Geschichte, ist aber länger, mit mehr Personal und mehr Brutalitäten (Bowman konzentriert sich auf eine Stunde aus der Sicht eines Soldaten, der mit drei Kameraden auf Patrouille geht). Es könnte durchaus sein, dass Wilde sich auch von Jones inspirieren ließ (und dieser sich vielleicht von Bowman) und die Rechte an Bowmans Kurzroman erwarb, um sich juristisch abzusichern - bei der Filmproduktion kein ganz ungewöhnliches Verfahren. Wilde war ein Profi, der genau wusste, was er tat. Sonst hätte er - Primitivität hin oder her - die Filme, die er drehte, nie machen können. Der Rest ist Folklore, was nicht heißt, dass einer wie er, der am Rande etablierter Produktionsstrukturen operierte, nicht mit Widrigkeiten konfrontiert war, die industrienähere Regisseure so nicht kannten. Nicht alles in seinen Filmen ist gleichermaßen gelungen. Einiges hätte er bestimmt anders gemacht, wenn es das Budget erlaubt hätte.

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