Fall Mollath: Augsburger Staatsanwaltschaft lehnt Ermittlungen ab

Anwältin zeigt sich empört und fragt, "wann endlich nach Gesetz und Recht entschieden" wird

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Die Staatsanwaltschaft in Augsburg hat entschieden, dass sie keine Ermittlungen gegen Dr. Klaus Leipziger und Amtsrichter E. einleiten wird. Gegen Leipziger und Amtsrichter E. hatte Rechtsanwalt Gerhard Strate, der Mollath vertritt, am 4. Januar eine Strafanzeige wegen des Verdachts der schweren Freiheitsberaubung gestellt.

Strate, der für das Wiederaufnahmeverfahren zuständig ist, ist der Überzeugung, dass die Anordnungen zur Unterbringung von Gustl Mollath eindeutig den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts widersprachen und damit verfassungswidrig seien.

Im Februar 2005 war Gustl Mollath von Polizisten noch vor dem Gerichtsurteil in die forensische Psychiatrie in Bayreuth gebracht worden - und das gegen seinen Willen. Dabei soll es zu einer Beobachtung von Mollath rund um die Uhr gekommen sein. Die Augsburger Staatsanwalts will nun nach "Prüfung" der Strafanzeige zu dem Ergebnis gekommen sein, dass keine "keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten der angezeigten Personen" gefunden wurde.

Zum einen hat der Strafrichter nicht gegen die Verfassung verstoßen. Insbesondere hatte er weder eine, die Menschenwürde verletzende sogenannte Totalbeobachtung des Anzeigeerstatters angeordnet, noch hatte sich der Anzeigeerstatter, abweichend von dem, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Fall, generell gegenüber dem Amtsgericht geweigert, an einer Exploration mitzuwirken.

Zum anderen ist für einen Richter nicht jede unrichtige Rechtsanwendung, sondern nur ein offensichtlicher Willkürakt und zugleich elementarer Rechtsverstoß strafbar. Ein solcher liegt nicht vor. Insbesondere hat der Strafrichter bei seinen Entscheidungen auch nicht die Anforderungen an die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme missachtet.

Presseerklärung der Staatsanwaltschaft

Dabei beruft sich die Staatsanwaltschaft auf eine Begründung, die es in sich hat. Laut Augsburger Staatsanwaltschaft habe Mollath es zwar abgelehnt, sich von dem zuständigen Sachverständigen begutachten zu lassen, aber Mollath habe nie explizit in seinen Beschwerden zu den Beschlussfassungen erklärt, sich generell einer Untersuchung zu verweigern. Aufgrund der angeblichen nicht expliziten Weigerung Mollaths, sich beobachten zu lassen, habe der zuständige Richter keinen Anlass gesehen, sich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Frage einer Totalbeobachtung, "die im Übrigen in keinen der beiden Beschlüsse angeordnet war...zu befassen", heißt es in der Begründung der Staatsanwaltschaft.

Doch die Staatsanwaltschaft geht mit ihrer Begründung noch ein Stück weiter. Der im Raum stehende Vorwurf der Rechtsbeugung sieht die Behörde als nicht gegeben an. "Da die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand die Schwere des Unwerturteils indiziert und eine Verurteilung kraft Gesetzes zur Beendigung des Richterverhältnisses führt, ist es mit dieser gesetzlichen Zweckbestimmung nicht zu vereinbaren, jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessenfehler in den Schutzbereich dieser Norm einzubeziehen. Rechtsbeugung begeht deshalb nur der Amtsträger, der sich bewusst in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz, an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet", schreibt die Augsburger Staatsanwaltschaft in ihrer Begründung.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft handele es sich bei der Behauptung, Amtsrichter E. habe bei seinen Beschlussfassungen bewusst das Bundesverfassungsgericht missachtet, um Spekulation.

Auch in Bezug auf Leipziger argumentiert die Staatsanwaltschaft, dass der Klinkchef sich nichts hat zuschulde kommen lassen, da Mollath ihm gegenüber, genauso wie gegenüber anderen Mitarbeitern der Klink, Angaben gemacht und sich eben nicht völlig der Beobachtung entzogen habe. So sei es zwar zutreffend, dass Mollath von Beginn der Unterbringung an geweigert habe, sich explorieren zu lassen, aber Mollath habe sich gegenüber dem Klinikpersonal zu den Umständen der Festnahme und zu seinen Essensgewohnheiten geäußert. Diese "Einlassungen" von Mollath wertet die Staatsanwaltschaft offensichtlich trotz der grundsätzlichen Weigerungs Mollaths an der Exploration als "freiwilliges Mitwirken" an eben dieser.

Des Weiteren habe sich Mollath auch gegenüber Leipziger über die Unterbringung beschwert, außerdem habe er dem Klinikchef gegenüber ausgeführt, dass es ihm während der Festnahme durch die Polizei nicht ermöglicht worden sei, Gegenstände zur Körperpflege mitzunehmen. Auch diese Äußerungen Mollaths wertet die Staatsanwaltschaft als eine "Mitwirkung".

Strate kündigt Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft an

Mollaths Anwältin Erika Lorenz-Löblein sagte gegenüber Telepolis, sie habe sich mit mehreren Medizinern über die Sachlage unterhalten und alle hätten ihr bestätigt, dass "sie die ärztliche Pflicht sehen, sobald ein Explorationsgespräch verweigert wird, den Patienten sofort zu entlassen". Sie sagte außerdem: "Kein einziger Arzt, mit dem ich gesprochen habe, hat mir bestätigt, dass das Verhalten von Dr. Leipziger in Ordnung gewesen sei."

Im Hinblick auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft warf Lorenz-Löblein die Frage auf, wann im Fall Mollath nach Recht und Gesetz entschieden werde.

Gerhard Strate hat sich zwischenzeitlich auch zu Wort gemeldet. In einer Pressemitteilung sagt Strate, dass die Entscheidung der Augsburger Staatsanwaltschaft weiterhin die Vorgaben des Bundesverfassungsgrichts missachte:

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Augsburg bedeutet, dass in Bayern auch künftig Beschuldigte, die sich einer psychiatrischen Untersuchung entziehen wollen, für die Dauer von sechs Wochen in psychiatrischen Krankenhäusern eingesperrt werden dürfen, selbst wenn der Beobachtung kein konkretes fallbezogenes Untersuchungskonzept zugrunde liegt, die zwangsweise Unterbringung deshalb auf die Erlaubnis einer vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich untersagten Totalbeobachtung hinausläuft.

Desweiteren heißt es in der Zusammenfassung seiner Antwort auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft:

Diese auf Bayern generell bezogene Aussage rechtfertigt sich damit, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg ihren Ermittlungsauftrag vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz erhalten hat. Auch die jetzt ergangene Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg wird mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz abgestimmt und von ihr gebilligt worden sein.

Strate gab in der Pressemitteilung außerdem bekannt, dass er heute Beschwerde gegen die Entscheidung der Augsburger Staatsanwaltschaft eingelegt habe. Die Einstellungsverfügung genauso wie seine Beschwerden sollen ab heute Abend unter www.strate.net einsehbar sein.