"Alkohol tötet!"

Britische Vereinigung schlägt Warnhinweise auf Wein-, Bier- und Spirituosenflaschen vor

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In der letzten Wochenendausgabe der Financial Times wurde die längst aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwundene Briefmarkensammlung als alternative Anlage gegenüber Investments in Immobilien neu in den Blick gerückt. Platz eins der hochkarätigen Sammlungen belegten "Classic Cars", mit einem return of investment von 395% in den vergangenen 10 Jahren. Gleich hinter der Kunst, englisch: "fine art", kam der feine Wein als Anlageform mit 166% Wertsteigerung. Ob sich in zwei Jahrzehnten schon das Leergut aus gesammelten Weinflaschen mit besonders schönen Etiketten rentiert?

Noch ist der Widerstand groß gegen den Vorschlag der britischen Alcohol Health Alliance. Der Verbund aus 70 ärztlichen und gesundheitspolitisch engagierten Organisationen, hat sich dem Kampf gegen den Alkoholmissbrauch in Großbritannien verschrieben. Und er tut dies auf eine Weise, die Aufmerksamkeit erzeugt. Über 600 Kommentare unter einem Artikel, der über die neue AHA-Strategie informiert, sprechen für sich.

Auf Platz zwei der Empfehlungen findet sich nämlich ein Vorschlag, der schon beim Kampf gegen das Rauchen Erregungswellen aufbaute. Künftig soll "mindestens ein Drittel des Etiketts eines jeden Alkoholprodukts" Warnhinweisen vorbehalten sein, welche die Konsumenten über Gesundheitsrisiken des Alkoholgenusses aufklären. "Alkohol macht blind"? Möglicherweise aber nicht nur Fuseltrinker, sondern auch diejenigen, die mit großen unbedingten Eifer alles über einen Kamm scheren, den moderaten Genießer wie den unmäßig Trinkenden und die Alkoholkranken?

Man kann davon ausgehen, dass sich die Initiatoren der Kampagne über die Reaktionen im Klaren waren. Über spöttische Bemerkungen - "Teetotalers don't live as long as moderate drinkers" - genauso wie über die Ablehnung durch Lobbyorganisationen, etwa die British Beer and Pub Association, oder auch des Gesundheitsministeriums. Warnhinweise wie bei Tabakprodukten seien nicht für Alkoholprodukte geeignet, heißt es aus dem Department of Health, weil das "Rauchen in unterschiedlichster Ausprägung immer gefährlich für die Gesundheit ist, das Gleiche gilt aber nicht für den Konsum von Alkohol." So werde auch die bisherige Etikettenpolitik der Hersteller als ausreichend betrachtet.

Das Ziel, ihrer Strategie möglichst große Reichweite zu geben, hat die Alcohol Health Alliance mit dieser Forderung sicher erreicht und über die Ablehnung der Strohpuppe "Warnhinweis" vielleicht sogar eine größere Zustimmung für ihre Empfehlung Nummer 1. Die spricht sich für eine deutliche Teuerung des Verkaufspreises für Alkoholica aus. Das fordert auch die Regierung unter Cameron, deren Pläne sehen einen Mindestpreis von 45 Pence pro Einheit (10 ml bzw. 8 Gramm reiner Alkohol) vor; AHA fordert einen Anstieg um 5 Pence mehr und kämpft realpolitisch wohl zunächst um Unterstützung bei diesem Punkt. Ein Gesetz dazu ist von der Regierung schon länger angekündigt.

Keine Werbung, kürzere Verkaufszeiten, weniger Lizenzen

Das Thema Binge-Drinking ist in Großbritannien seit mehreren Jahren schon in der öffentlichen Debatte; der Eindruck, den Meldungen in den letzten Jahre bestärkten, ist, dass Jugendliche früher und häufiger zu Alkohol greifen, dass immer häufiger Mädchen mit von der Partie sind, die die Grenzen bis zum Umfallen auskosten. Wie immer in solchen Debatten wird von unterschiedlichen Seiten mit verschiedenen Statistiken und Kriterien ("was ist Binge-Drinking?") operiert, die Kurven verraten oft mehr über den Standpunkt in der Debatte.

Laut AHA-Vorsitzendem Sir Ian Gilmore steht allerdings fest, dass britische Teenager mehr trinken als der europäische Durchschnitt. Großbritannien koste der Alkoholmissbrauch jährlich etwa 63,5 Milliarden Euro, weswegen schärfere Maßnahmen nötig seien. Allein die Preiserhöhung von 50 Pence pro Einheit sei ein wirksames Mittel, um die Zahl von 3.000 Tote in Folge von Alkoholmissbrauch und 40.000 krimineller Handlungen in Folge von Alkoholmissbrauch zu verringern, so der Ritter. Desweiteren empfiehlt man das Verbot von Alkoholwerbung, insbesondere in Sportstadien, eingeschränkte Zeiten, in den Alkohol verkauft werden darf, und die Reduzierung von Lizenzen für Lokale, in denen Alkohol verkauft oder ausgeschenkt werden darf.

Ein Gegentrend? Der Erfolg der Kaffehausketten und die Baristas

Dem kann man eine interessante Beobachtung hinzugesellen, die mit einem ganz anderen städtischen Phänomen argumentiert. Ausgangspunkt dafür ist die spektakuläre Zahl von 1.701 Bewerber für drei Vollzeit- und fünf Teilzeitstellen eines Barista, die die Kaffeekette Costa Coffee für die Arbeit an den Kaffeemaschinen ihrer Filialen in angesagten Londoner Vierteln gesucht hatte. Beim Versuch dieses Phänomen zu erklären, machte der britische Journalist (und ehemalige Barista) Leo Benedictus, einen Zeitgeist verantwortlich, der eine ganz andere Richtung sucht.

Der Erfolg der Kaffeehausketten sei Resultat des langfristigen Niedergangs der Pubs und ganz generell des Alkoholkonsums. Diese eine Wort, nämlich "Barista" würde in einem intensiven "Shot" einfangen, was sich abzeichnet: die Abkehr von Trinkgelagen, eine neue Welt. "less brave but maybe more mature, the person who controls the steamer calls the tune."