Syriens Konflikt schwappt auf Nachbarländer über

Ein Vorfall im Irak macht noch einmal deutlich, mit welchen Konsequenzen eine Aufrüstung der Rebellen zu rechnen hat

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Soldaten der syrischen Armee sind am Wochenende vor Angriffen der Rebellen auf irakisches Gebiet geflohen und dort von irakischen Soldaten in einem Bus, der von einem Militär-Konvoi begleitet wurde, zu einem anderen Grenzübergang in der Provinz Anbar gefahren worden. Bevor sie den Grenzübergang erreichten, wurden sie von einer Gruppe bewaffneter Männer angegriffen.

Laut New York Times kamen die 40 syrischen Soldaten und sieben irakische ums Leben, drei Fahrzeige des Konvois wurden zerstört; Al Jazeera berichtet von einer noch höheren Zahl der Getöteten.

Der Vorfall beunruhigt die Regierung im Irak, die sich bislang um Distanz zum Konflikt im Nachbarland bemüht. Die syrische Nachrichtenagentur Sana zitiert den irakischen Premierminister al-Maliki heute mit den wohl abgewogenen Worten, dass sein Land, den "Willen der syrischen Bevölkerung" unterstütze und die "Forderungen der internationalen Gemeinschaft zur Notwendigkeit einer friedlichen Lösung". Man sei entschieden gegen Einmischung von außen und gegen Gewalt.

Kein klares Bekenntnis also zur syrischen Regierung unter dem Präsidenten Baschar al-Assad, aber doch eine hörbare Distanz gegenüber dem bewaffneten Widerstand gegen sie - und Distanz gegenüber der jüngsten Zeit sehr laut gewordenen Aufrufen zur Unterstützung der Rebellen durch jene Politiker, die den Kern der "internationalen Gemeinschaft" im der Syrien- ausmachen, die USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien, Katar und die Türkei.

Verbindungen zwischen Stämmen und Dschihadisten

Der eingangs genannte Vorfall ist der bislang schlimmste, der die Sorge um ein Überschwappen des innersyrischen Kriegs auf den Irak bestätigt. Dass dabei mehrere irakische Soldaten ums Leben gekommen sind, ist ein Schrecken für die Regierung, die ohnehin alle Mühe hat, immer wieder auftretende Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen so in der Balance zu halten, dass der Machterhalt nicht gefährdet ist. In der Lesart der New York Times sind die Spannungen unter den konfessionell unterschiedlichen Gruppen im Irak ein Nährboden, den sich die militanten religiös motivierten Kämpfer in Syrien zunutze machen.

Zumal es Verbindungen zwischen al-Qaida im Irak und der al-Nusra-Front in Syrien gibt und Malikis Politik ganz generell die Sunniten weiter an den Rand gedrängt habe, so dass sich dort weiter Widerstand gegen ihn bilde, der den sunnitische Rebellen in Syrien zugute kommen könne. Auf solche Erwägungen verweist auch das Statement des Maliki-Sprechers, der von der amerikanischen Zeitung damit zitiert wird, dass der Anschlag auf den Konvoi mit den syrischen Soldaten geplant war, koordiniert, "orchestriert" von Gruppen, die auf beiden Seiten der Grenze operieren.

Dass es Verbindungen gibt, die ein Hineinziehen Iraks in den syrischen Zermürbungskrieg beinahe als unausweichlich befürchten lassen, darauf weist der amerikanische Syrien-Experte Joshua Landis hin. Anders als Malikis Sprecher muss er dabei gar nicht mit dem Zaunpfahl auf dschihadistische Verbindungen hinweisen. Denn die grenzüberschreitenden Verbindungen sind oft schon durch Verwandschaften und gemeinsame Stammeszugehörigkeiten gegeben: "They’re in one common struggle."

Rebellen-Basis im Libanon

Laut einer Serie von Berichten der arabischen Online-Zeitung al-Akhbar, die schon Anfang letzten Jahres erschienen ist, haben die syrischen Rebellen sich in im libanensischen Wadi-Khaled eine Basis geschaffen. Ein aktueller Bericht der französisch-sprachigen Zeitung L'Orient le Jour untermauert die Ansicht, wonach die Rebellen weiter Stellungen gewonnen haben, die sie ihrem Ziel "das alawitisch beherrschte Syrien" einzukreisen, näher kommen. Doch ist, wie bei allen solchen Berichten, die Parteilichkeit erkennen lassen, Vorsicht geboten.

Wie undurchsichtig die Nachrichtenlage in Syrien bleibt, zeigte sich jüngst erneut an dem Interview, das die britische Zeitung Sunday Times mit Baschar al-Assad geführt hat. Hatte doch jüngst erst der russische Außenminister Lawrow davon gesprochen, dass die syrischen Regierung, wie ihm von hoher Stelle mitgeteilt worden war, ein Verhandlungsangebot auch an die bewaffnete Opposition gerichtet habe. Al-Assad korrigiert diese Version, die von einigen als großzügiges Angebot gepriesen wurde. Mit Terroristen sei natürlich nicht zu reden, sagte Baschar al-Assad. Die Definitionshoheit darüber, wer von seinen Gegnern als Terroristen bezeichnet wird, liegt bei der Regierung.

Doch auch Asad Abu Khalil, ein scharfer Kritiker der "Freunde Syriens", denen er unablässig Lügen vorwirft, und ein großer Skeptiker gegenüber den "Baschar- al-Assad muss weg-Wünschen" der oben genannten Mitglieder der "internationalen Gemeinschaft", weist in seinem Blog immer wieder auch auf Angriffe von Seiten der syrischen Armee hin, die ebenfalls den Namen "Terrorismus" verdienen.

Die Zielgenauigkeit von Waffenlieferungen

Ende Februar bestätigten Aussagen von Rebellen der Dschihadisten-Gruppe Ahrar al-Sham, die mit al-Nusra verbunden sind und im Norden Syriens operieren, dass es nicht zu kontrollieren ist, an wen Waffenlieferungen gehen.

Eigentlich sollten Panzer- und Flugabwehrwaffen, die von der Schulter aus abgefeuert werden, nur an eine irgendwie als verlässlich "zertifizierte" Kampfeinheit namens Victory Brigade gehen, die mit dem Militärrat zusammenarbeit. Doch landeten die Waffen auch bei den Dschihadisten:

Natürlich teilen sie die Waffen mit uns. Wir kämpfen zusammen.

Ali Ankir, Sprecher der Ahrar al Sham.

Dass dieser Kampf mit dicker Dschihadi-Propanda verbunden ist, wird in der Youtube-Selbstdarstellung von Ahrar al-Sham deutlich.