Die Zeichen stehen auf Währungskrieg

Nach Ansicht von Experten ist der globale Währungskrieg eigentlich längst voll im Gang

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China macht sich bereit zum Währungskrieg. Das Land der Mitte droht kaum noch unverhüllt, denn inzwischen wird immer offensichtlicher, dass angesichts der sich erneut zuspitzenden Krise allseits auf die Abwertung der Währungen gesetzt wird, um sich Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt zu verschaffen. Nicht nur China bezichtigt Japan, durch die massive Ausweitung der Geldmenge den Währungskrieg längst begonnen zu haben. Und in Europa macht sich vor allem Frankreich mit Ländern im Süden für einen schwächeren Euro stark.

Wenn die Wirtschaft schwächelt, dann wird gerne mit dem Gedanken gespielt, die Währung als Waffe einzusetzen. Die neue japanische Regierung setzt ganz offen auf einen Währungskrieg, nachdem die Wirtschaftsleistung Japans auch im vierten Quartal 2012 und damit in drei aufeinander folgenden Quartalen geschrumpft ist. Als der neue konservative Ministerpräsident Shinzo Abe sein Amt zum Jahreswechsel antrat antrat, versprach er, das Land aus der gefährlichen Deflation zu führen (Japan vor der Abwärtsspirale).

Japan hängt seit langem in einer Spirale aus fallenden Preisen und einer zugleich schrumpfenden Wirtschaft fest, die bisweilen auch als die gefährliche Stagdeflation bezeichnet wird. In Japan nur von einem Rückfall in die Rezession zu sprechen, wäre schlicht falsch. Denn für den "Double Dip" müsste es auch eine Phase der Erholung gegeben haben. Japan kämpft aber mit der Deflation seit den 1990er Jahren, als im Reich der aufgehenden Sonne eine Immobilienblase fatal platzte. Immer neue staatlich finanzierte Konjunkturprogramme haben die Probleme des Landes zwar nicht gelöst, aber die Staatsverschuldung auf 250 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung katapultiert. Dagegen ist sogar Griechenland weiter ein Stiefkind.

Mit seinem aggressiven Kurs, auf eine von der Notenbank produzierte Geldschwemme und damit auf die Abwertung des Yen zu setzen, hat das Land die Geister des Währungskriegs geweckt. Eine gewisse Zeit wurde kaum noch darüber geredet, weil die US-Wirtschaft und andere große Volkswirtschaften wieder wuchsen. Doch mit dem offenen Sündenfall, quasi unbegrenzt Geld zu drucken, um die Konjunktur anzukurbeln und gleichzeitig über einen schwachen Yen japanische Waren auf dem Weltmarkt billiger verkaufen zu können, hat Abe die Geister aus der Flasche gelassen (Der Schwächste gewinnt).

Auch wenn Mitte Februar auf dem G20-Gipfel in Moskau versucht wurde, das Thema klein zu reden, fühlte sich Japan eher in seiner Strategie bestärkt. Schließlich wurde das Land für seinen gefährlichen Weg nicht einmal gerügt. In Moskau beschwor zum Beispiel Ángel Gurría, Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): "Es gibt keinen Währungskrieg!" Er blieb damit nicht allein, denn der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi hielt Warnungen davor für übertrieben, die auch von der Weltbank ausgesprochen worden waren. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Christine Lagarde meinte, es gäbe bei "keinen führenden Währungen große Abweichungen vom marktgerechten Kurs".

"China ist uneingeschränkt auf alles vorbereitet"

Das entspricht ohnehin nicht der Realität, denn über die japanische Notenpresse wurde es längst geschafft, den Kurs des Yen zum Dollar deutlich zu senken. Das wirkt sich inzwischen auf die Industrieproduktion aus, die wieder steigt. In den letzten Wochen fiel der Yen so tief, wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Den Chinesen ist nun angesichts des japanischen Vorgehens der Kragen geplatzt. "China ist uneingeschränkt auf alles vorbereitet", warnte nun der stellvertretende Gouverneur der chinesischen Zentralbank offen vor einem Währungskrieg.

Yi Gang hatte vergangenen Freitag bei seinen Aussagen auch die Nominierung des neuen japanischen Zentralbankchefs im Auge. Haruhiko Kuroda, der noch vom Parlament in Tokio bestätigt werden muss, wurde nun am Dienstag nominiert. Er gilt als Vertreter einer ultralockeren Geldpolitik. Er hat dabei auch angedeutet, die für 2014 geplanten unbegrenzten Aufkäufe japanischer Staatsanleihen vorziehen zu wollen, womit er seinen Ruf bestätigte. Ohnehin meint er, die Notenpresse auf Hochtouren zu betreiben, sei nicht ausreichend, um die Deflation zu bekämpfen.

Doch das sind genau die Maßnahmen, vor denen China warnte, als der Vize der Peoples Bank of China seine Hoffnung aussprach, dass ein Währungskrieg noch vermieden werden könne. Dafür, so Yi, müssten sich aber alle an den Konsens halten, der auf dem letzten G20-Treffen erreicht wurde, wonach die Geldpolitik ein Instrument für die heimische Wirtschaft sein soll. Die Ankündigungen von Kuroda sprechen aber eine ganz andere Sprache. Anders als versprochen, gäbe es aber keine Anzeichen dafür, dass die Lockerung der Geldpolitik zurückgefahren werde, weil sich die reichen Volkswirtschaften den Rückfall in eine Rezession fürchten, sagte Yi.

Tatsächlich hat sich die Lage weltweit nicht gerade verbessert. Nicht nur die Eurozone ist längst in die Rezession gerutscht, sondern auch die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im vierten Quartal 2012 erstmals wieder deutlich geschrumpft. Dass nun die USA doch über die Fiskalklippe gestolpert sind, trägt auch nicht gerade zu einer Verbesserung der weltwirtschaftlichen Aussichten bei. Allein im laufenden Jahr müssen dort nun 85 Milliarden Dollar eingespart werden. In den kommenden zehn Jahren sogar mehr als ein Billion ("Unglück in Zeitlupe"). Hunderttausende Arbeitsplätze sind bedroht und Beobachter sprechen davon, dass die Weltwirtschaft vor den Folgen "zittert".

So wird vermutlich auch die USA nun wieder verstärkt auf ihre Währung als Waffe setzen, um den negativen Auswirkungen der Fiskalklippe zu begegnen. Die US-Politik hatte schon 2010 entsprechende Ängste geschürt (US-Geldpolitik schürt große Ängste). Nicht zuletzt ist der Chef der US-Notenbank (FED) einer derer, die Probleme über die Notenpresse angehen. Das "Quantitative Easing" von FED-Chef Ben Bernanke zielt unter anderem darauf, den Dollar zu schwächen. Ein ganz offenes Währungsdumping - wie in Japan- findet aber in den USA bisher noch nicht statt, es wird weiterhin versteckt. Doch Devisenspezialisten gehen davon aus, dass der Währungskrieg bereits ausgebrochen sei. John J. Hardy von der Saxo-Bank meint, die Konservativen in Japan hätten diesen Krieg erklärt. Das Land gehe als Sieger daraus hervor, "das seine Währung am stärksten abwertet".

Frankreich fordert schwächeren Euro

Deshalb werden auch in Europa die Stimmen lauter, die auf eine Schwächung des Euro setzen, um angesichts der Rezession auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger zu werden. Das gilt nicht nur für Großbritannien, wo ebenfalls seit langem der Geldmarkt geflutet wird. In der Eurozone ist Frankreich dafür, die Zentralbank weiter zu politisieren, um sie als Instrument zur Krisenbekämpfung einzusetzen. Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister am Montag und Dienstag warf der französische Industrieminister Arnaud Montebourg der EZB eine "außergewöhnliche Inaktivität" vor.

Gegenüber Europe 1 definierte er die Rolle der Zentralbank komplett um, deren Aufgabe es eigentlich nur ist, für Geldwertstabilität zu sorgen. "Die EZB kümmert sich nicht um das Wachstum, sie kümmert sich nicht um die Arbeitslosen, sie kümmert sich nicht um die europäische Bevölkerung", klagte er. Montebourg meint, es sei die Aufgabe der Zentralbank, für Wachstum zu sorgen. "Wenn wir Wachstum wollen, muss der Wert des Euros gesenkt werden", forderte er den Einstieg in den Währungskrieg. Der EZB-Chef Draghi müsse erklären, "dass der Euro überbewertet ist und wir eine schwächere Währung brauchen".

Unterstützt wird Frankreich dabei von den Ländern wie Spanien, Italien oder Portugal, die mit einem hohen Euro zu kämpfen haben. Wettbewerbsvorteile, die sich die Bevölkerung durch Lohnkürzungen vom Mund absparen musste, macht ein hoher Euro zunichte. Das gab kürzlich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel zu, die aber Eurokurse zwischen 1,30 und 1,40 (Dollar) als eine "Normalität" ansieht. Sie räumte aber ein, dass südeuropäische Ländern, die "mit großen Kraftanstrengung ihre Lohnstückkosten" gesenkt hätten, nun sähen, dass dieser Vorteil "dahinschmelzen kann wie Schnee in der Sonne".

Doch anders als Merkel vorgibt, sind die Weichen auch in Europa längst gestellt. Schließlich hatte Draghi längst angekündigt, die EZB werde alles Erforderliche tun, um den Euro zu retten. Damit ist auch die EZB bereit, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen und unbegrenzt die Notenpresse zu betätigen (Notenbank will unbegrenzt Staatsanleihen kaufen). Es wird auch im Rahmen der geplanten Rückkehr von Irland und Portugal wieder davon gesprochen, das umstrittene Aufkaufprogramm von Staatsanleihen wieder zu starten.

Unbedingt soll so getan werden, als sei die Euro-Krise auf dem Weg der Bewältigung, in Brüssel war sie sogar schon für beendet erklärt worden. Dabei drängt sie derzeit wieder mit der Macht zurück auf die Tagesordnung, da die Probleme zunehmen. Deshalb wird in der Eurogruppe diskutiert, die Rückzahlung der Rettungsmilliarden nicht nur weit in die Zukunft zu verschieben, sondern die Rückkehr von Portugal und Irland durch eine neue Kreditlinie des dauerhaften Rettungsschirms zu stützen. Ein entsprechender Reuters-Bericht wurde inzwischen bestätigt.

Dann kann, so wurde es ja inzwischen definiert, auch die EZB flankierend über ihr Anleihenkaufprogramm (OMT) eingreifen, um die Zinsen für die Länder künstlich tief zu halten, indem die Anleihen von Krisenländern in die Zentralbank und den Rettungsfonds verschoben werden, also auf die Steuerzahler. Man kann über den Umweg so tun, als seien die Länder erfolgreich an die Kapitalmärkte zurückgekehrt. Zudem steigt man ebenfalls stärker verdeckt in den Währungskrieg ein, weil über das Anwerfen der Notenpresse der Euro geschwächt wird, wie es Frankreich fordert. Das Vorgehen verstößt eigentlich gegen die EZB-Aufgabe, für Geldwertstabilität zu sorgen, weil damit Inflationsgefahren deutlich zunehmen. Doch das scheint niemanden mehr ernsthaft zu interessieren.