Leistungsschutzrecht: schwankende SPD?

Klartext oder Wählertäuschung: Die Partei liebäugelt mit mehreren Positionen

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Welche Linie genau verfolgt die SPD beim Leistungsschutzgesetz? Die Partei sendet unterschiedliche Signale, die den Eindruck entstehen lassen, dass die Partei mehrere Optionen warmhalten will, eingeschlossen jene, die einflussreichen Medienhäusern, allen voran Springer, so wichtig sind.

Kanzlerkandidat Steinbrück sagte gestern vor CeBIT-Publikum mit der Klaretxt-Rhetorik, die man als sein Markenzeichen zu stilisieren bemüht ist, dass das Gesetz "kontraproduktiv" sei. Das Gesetz schaffe rechtliche Unsicherheit. Die Verlage hätten bereits Möglichkeiten, ihre Inhalte gegen eine ungewollte Nutzung im Netz zu schützen, er wolle "digitale Freiheit".

Das Leistungschutzrecht sei "schlichter Unfug", so der SPD-Spitzenkandidat in seiner Key-Note-Rede, die auch die Empfehlung an die Partei beinhaltete, "dieses Leistungsschutzgesetz im Bundesrat zu kippen".

Wenig Elan

Dort scheint es den Parteivertretern allerdings an Elan zu mangeln. Gestern ließen nämlich die SPD-Mitglieder im Rechtsauschuss des Bundesrats die Chance, den Vermittlungsausschuss in der Angelegenheit Leistungsschutzrecht anzurufen, ungenutzt verstreichen, wie Markus Beckedahl berichtet; zwar, so der Betreiber von netzpolitik.org, bleibe noch Hoffnung auf die Bundesratssitzung am 22. März, aber das Verhalten der SPD-Ländervertreter wies nicht gerade darauf hin, dass man unbedingt etwas tun hätte wollen.

Die Beobachtung im Bundesrat fügt sich in das Bild, das die SPD bei der Abstimmung zum Gesetz im Bundestag abgab, da blieben namhafte SPD-Abgeordnete dem Votum fern (Leistungsschutzrecht verabschiedet - und alle Fragen offen). Ob bei vollständiger Anwesenheit aller SPD-Vertreter tatsächlich gelungen wäre, was ihr Kanzlerkandidat fordert, nämlich das Gesetz zu kippen, ist spekulativ, da die Abwesenheit wahrscheinlich mit der Union, die auch mehr Abgeordnete hätte mobilisieren können, abgesprochen war. Doch war der Eindruck vom Widerstandswillen der Partei gegen das LSR nicht gerade überzeugend.

Im Bundesrat ist die Zurückhaltung der SPD möglicherweise damit zu erklären, dass die Position von Ländern mit SPD-Regierungsbeteiligung nicht so eindeutig ist, wie der augenblickliche Wahlkampf suggeriert. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bremen lehnen das Leistungsschutzrecht nicht rundweg ab, wie Tobias Schwarz im Oktober letzten Jahres berichtete, sondern sprechen sich für eine verbesserte, modifizierte Form aus, damit "die Presseverlage gestärkt gegen Geschäftsmodelle, die auf der Ausnutzung der verlegerischen und journalistischen Leistung Dritter beruhen, vorgehen können, ohne in jedem Fall klären zu müssen, wo die Rechte genau liegen".

"Widerstand sieht anders aus"

Wenn Steinbrück im Klartext verstehen lässt, dass das Leistungsschutzrecht "schlichter Unfug" ist und die Rechtslage, wie sie besteht, genügt, so heißt das nicht unbedingt, dass diese Position in der SPD geklärt wäre. Zwar spricht sich die Bundestagsfraktion eindeutig gegen das Leistungsschutzrecht aus.

Doch findet sich in These 10 der "zwölf Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht", die der Arbeitskreis Urheberrecht der SPD-Bundestagsfraktion veröffentlicht, auch eine Formulierung, die einigen Spielraum lässt: "Presseverleger sollen die unautorisierte Verwendung ihrer Presseerzeugnisse durch Dritte (z.B. News-Aggregatoren, Harvester) effizient verfolgen können. Ob es hierfür gesetzlicher Änderungen bedarf, ist zu prüfen".

Der Aussage folgt allerdings später die Ablehnung "des Leistungsschutzrechts in der derzeit diskutierten Form". Das sei "nicht erforderlich". Spielbein und Standbein, um den Verlagen, mit denen sich manche in der SPD verbunden fühlen oder deren Macht man scheut, Beweglichkeit zu vermitteln und den kritischen Wählern Festigkeit vorzutäuschen?

Der aktuelle Entwurf des SPD-Wahlprogramms bestärkt den von den SPD-Länderregierungen vermittelten Eindruck, dass die SPD auch Pro-Leistungsschutzrecht sein kann. Laut Netzpolitik.org ist in dem Papier (Titel: "Deutschland besser und gerechter regieren: Für ein neues soziales Gleichgewicht in unserem Land!"), das vom 2. März stammt, dem Tag nach der Abstimmung im Bundestag, Erstaunliches zu lesen:

Dazu müssen wir die Erprobung neuer Geschäftsmodelle auch rechtlich ermöglichen, z.B. durch eine vereinfachte Lizensierung. Presseverleger brauchen eine gesetzliche Regelung, die ihnen die Verfügungsgewalt über ihre Produkte im Netz sichert und ermöglicht, die unbefugte Verwendung ihrer Artikel durch Dritte (z.B. durch Aggregatoren oder Harvester) zu unterbinden.

"Widerstand sieht anders aus", kommentiert Markus Beckedahl seine Fundstelle. Man darf gespannt sein, wie dies beim Bundesparteitag der SPD, die über das Programm abstimmt, gesehen wird.