Fortschritte in der Quanten-Informatik

Es gibt mehr als einen Weg zum Quanten-Computer: Forscher diskutieren, welche Herausforderungen zu lösen sind und welche Wege den schnellsten Erfolg versprechen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Quantenphysiker sind derzeit nur zu beneiden. Während die Elementarteilchen-Fahnder jahrelang diskutieren, wie sie die Ergebnisse eines milliardenteuren Experiments denn nun interpretieren sollen, bauen sie einfach ein paar Spiegel auf einem Labortisch auf, lassen einen Laser durchscheinen - und können schon Ergebnisse präsentieren, die auch den grundlegenden Aufbau der Welt besser zu erklären helfen.

Okay, so ein Experiment mit einer Ionenfalle oder in der Quantenoptik ist natürlich nicht einfach über's Wochenende umgesetzt. Auch hier gibt es zunächst ein Konzept, das dann in monate- und jahrelanger, geduldiger und höchst präziser Arbeit in eine Versuchsanordnung umgesetzt werden muss. Ein Holztisch genügt nicht, vielmehr sollte die Arbeitsgrundlage gut gegen Schwingungen aus der Umgebung isoliert sein. Aber die Hürde, bahnbrechende Erkenntnisse zu liefern, liegt weitaus tiefer. So ist es auch kein Wunder, dass das Wissenschaftsmagazin Science gleich ein Special zu den Fortschritten in der Quanten-Informatik zusammengestellt hat, das vier ihrer vielversprechendsten Trends beleuchtet.

Der topologische Quanten-Computer

Eines dieser Reviews beleuchtet das Konzept des topologischen Quanten-Computers. Es ist noch ziemlich neu und kommt aus der Mathematik, scheint nun aber endgültig in der Physik angekommen zu sein. Die Autoren Ady Stern und Netanel Lindner diskutieren jedenfalls bereits Vorschläge, wie sich die Idee praktisch umsetzen lassen könnte.

Der Charme des topologischen Quanten-Computers besteht darin, dass er gegen Störungen von außen und Dekohärenz (der natürliche Zerfall von Quantenzuständen) unempfindlicher als andere Konzepte wäre. Das liegt daran, dass die Informationen in so genannten topologischen Eigenschaften gespeichert werden, die sich auch bei Umformungen nicht verändern. Das klassische Beispiel dafür ist das Loch im Henkel einer Kaffeetasse: Verändert man die Form der Tasse nur durch Verbiegen des Materials, also nicht durch Zerstörung, dann bleibt das Loch erhalten.

Eine praktische Verwirklichung deutet sich hier mit supraleitenden Schleifen an, die zusätzlich magnetisch beeinflusst werden. Ein topologischer Quanten-Computer, schreiben die Autoren, könnte zwar das für einen universellen Quantenrechner nötige Instruktionsset nicht komplett umsetzen, käme diesem aber mit unbegrenzt niedriger Fehlerrate nahe.

Mit Ionenfallen operierende Quantencomputer

Wesentlich näher an der Umsetzung sind mit Ionenfallen operierende Quantencomputer. Hier steht nicht mehr das Prinzip zur Diskussion, sondern die Skalierbarkeit, wie die Physiker C. Monroe und J. Kim schreiben. Auf gefangenen Ionen basierende Quantenbits haben eine lange Dekohärenzfrist, sind gegen Störungen immun und lassen sich mit hoher Effizienz herstellen und ablesen. Die Herausforderung besteht hier darin, Systeme mit Hunderten oder besser Tausenden Qubits zu gelangen, die einem klassischen Rechner dann erst überlegen wären.

Während man bei einen System aus wenigen Ionen noch die über Coulomb-Kräfte vermittelte Wechselwirkung zur Manipulation heranziehen kann, braucht man bei mehr als zehn Qubits bereits eine individuelle Manipulierbarkeit. Über 100 Qubits hinaus wird man nur mit einer neuen Technik, den QCCD, weiterkommen (Quantum Charge Coupled Device). Darin werden einzelne Ionenketten zu einer größeren Struktur zusammengebracht. Innerhalb einer Kette erfolgt die Wechselwirkung wie bisher, von Ionenfalle zu Ionenfalle dienen Ionen als Botschafter. Diese Ionen müssen zuverlässig über vergleichsweise riesige Distanzen (Mikrometer) bewegt werden. Wenn QCCDs ebenfalls an ihr Limit stoßen, sollte eine photonische Kopplung einzelner Ionenfallen helfen. Dabei nutzt man Photonen, um Paare (Register) gefangener Ionen miteinander zu verschränken.

Insbesondere in den USA ist das Konzept des auf supraleitenden Qubits schon länger populär, lässt es sich doch vermutlich besser in heutige Silizium-Architekturen integrieren. Die Forscher M. H. Devoret und R. J. Schoelkopf liefern in Science einen guten Soll-Ist-Vergleich, welche Eigenschaften man heute bereits erreicht hat und was für eine echte Skalierbarkeit nötig wäre. Dabei zeigt sich, dass die für die eigentlichen Quanten-Operationen nötigen Features heute schon beinahe erreicht werden, jedenfalls liegt die Physik hier schon an der unteren Grenze. Bei der Komplexität und Stabilität des Gesamtsystems steht man jedoch noch ziemlich am Anfang.

Quanten-Spintronik

Ein relativ neues Feld ist hingegen die Quanten-Spintronik, deren Fortschritte ein Team aus fünf Forschern beschreibt. Nachdem die Spintronik, die auch das magnetische Moment von (unter anderem) Elektronen nutzt, zunächst der Elektronik beim Erfüllen des Mooreschen Gesetzes helfen sollte, will man nun das Phänomen Spin zur Konstruktion von Quantencomputern nutzen - was sich anbietet, da es sich bereits um eine quantisierte Eigenschaft handelt.

Für festkörperbasierende Systeme bietet die Nutzung des Spins einige Vorteile, denn diese lassen sich recht robust verschränken und gut manipulieren. Probleme bereitet dabei, dass im Festkörper natürlich stets ein umfassender Hintergrund atomischer Spins vorhanden ist. Inzwischen zeigt sich, dass sich das Problem mindern lässt. So verwendet man heute atom- und elektron-basierende Spins gemischt, indem man zum Beispiel einzelne Phosphor-Atome in Silizium implantiert. Verwendet man angereicherte Substrate aus Silizium 28, lässt sich die Dekohärenzzeit auf bis zu eine Sekunde strecken (eine "ewige" Zeit).

Ein anderes vielversprechendes Material für die Quanten-Spintronik ist Diamant. Und zwar wegen seiner Fehler: Die darin enthaltenen optischen Defekte sind paramagnetisch und lassen sich deshalb auch als Spins nutzen. Erzeugt man den Diamant aus angereichertem Kohlenstoff 12, lassen sich sogar ohne Kühlung Dekohärenzzeiten von einigen Millisekunden erreichen - dadurch könnte man mehr als eine Million Rechenvorgänge ablaufen lassen, bevor die Zeit abgelaufen ist. Problematisch ist bei der Quanten-Spintronik noch die Wechselwirkung mehrerer Qubits. Im Festkörper sind die Abstände entweder zu klein oder zu groß, man sucht deshalb noch nach dem idealen Weg, eine Verbindung herzustellen. Ein heißer Kandidat für solch einen "Quanten-Bus" ist erneut das Photon.

Das eBook "Die faszinierende Welt der Quanten" des Autors ist bei Beam-eBooks (DRM-frei, Mobi, ePub, PDF), bei Amazon (Mobi) und Apple (iPad-Version mit Videos und Fotos) erhältlich.